(53) Stimmen der Vergangenheit

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Mit klopfendem Herzen beugte ich mich herunter zu dem Brief, der noch immer auf dem Boden auf mich wartete. Die wenigen Worte prangten verschnörkelt auf dem Umschlag und sprühten nur durch ihre Gestaltung so viel Liebe aus. 

Langsam bückte ich mich und erhob den Brief, der wesentlich dicker war, als ich es gedacht hatte. Tief durchatmend öffnete ich den Umschlag und zog eine Handvoll Zettel heraus. Nervös auf deren Inhalt entfaltete ich diese und lies meine Augen über die ersten Zeilen schweifen:

14.03.2002

Meine geliebte Tochter, meine geliebte Averie,  

es ist jetzt genau ein Jahr her, seit du zum ersten Mal das Licht der Welt erblickt hast und ich sofort dieses unfassbare Glück in mir gespürt habe. Die Freude und das Glück dich bei mir zu haben, dass du gesund bist und das süßeste Baby, dass man sich nur vorstellen kann. Ich liebe dich so unfassbar sehr und nichts wird das jemals ändern können. Ich freue mich bereits auf jeden weiteren Tag, den wir gemeinsam einfach nur durch die gegenseitige Gesellschaft zu etwas Großartigem machen werden. Dein Vater und ich werden alles tun, damit du in Sicherheit und mit Liebe aufwachsen wirst. Alles Gute zum Geburtstag meine Süße


14.03.2003

Meine geliebte Tochter, meine geliebte Averie,

nun hat sich dein Geburtstag ein weiteres Jahr gejährt. Und was war das nur für ein Jahr. Du hast zu sprechen begonnen und hast mit deinen eigenen zwei Beinen begonnen die Welt zu erkunden. Manchmal hast du einfach aus dem nichts angefangen zu tanzen und dein Lächeln hat jeden Tag, so dunkel er auch zuvor erscheinen mochte, so hell erleuchten lassen. Ich wünsche mir, dass du dieses Lächeln niemals verlierst und dass du diese Stärke, die du in dir trägst, anerkennst und Vertrauen in dich findest. Du kannst alles, was du dir nur vorstellen kannst und ich bin jederzeit an deiner Seite, um dich zu unterstützen. Auch wenn das vielleicht nicht immer so sein wird, wie man es sich vorstellt oder wünscht. Ich werde trotzdem für dich da sein. Ich hab dich lieb, meine Kleine. Alles Gute zum Geburtstag

Ich spürte wie mir einige Tränen die Wangen herunterliefen und war nicht mehr in der Lage weiterzulesen. Diese Briefe, die sie mir jedes Jahr zu meinem Geburtstag geschrieben hatte, zeugten von so viel Liebe und gleichzeitig von so großer Angst, dass es mir die Luft abschnürte. Wie hatte sie es nur geschafft, dass ich das nie mitbekommen hatte. Wie hatte sie die Angst um mich, um das Wohlergehen ihrer Familie so gut verstecken können? Sollten Kinder nicht eigentlich spüren, wenn etwas vorging, dass nicht gut war? War ich nur zu unsensibel?

Die Gedanken, die mir in diesem Moment durch den Kopf rasten und mir endgültig den Rest gaben, wollten einfach nicht aufhören. Ich war jung gewesen, zwei Jahre alt zu diesem Zeitpunkt, und dennoch wurde ich die Schuldgefühle nicht los, dass ich hätte etwas machen können, wenn ich es nur mitbekommen hätte.

Plötzlich spürte ich wie ich in eine feste Umarmung gezogen wurde. Izzy drückte mich stark an sich ran, vermutlich um mir emotionalen Halt zu geben und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass ich nicht wortwörtlich im Zimmer zusammenbrechen würde. 

"Weine dich aus, Averie. Versuch den Schmerz nicht zu unterdrücken. Ich bin hier bei dir. Ich steh dir bei", murmelte sie mir ins Ohr und brachte mich damit noch mehr zum Weinen. Dafür war diese Reise nicht gedacht gewesen. Vielleicht hatte ich die emotionalen Auswirkungen dieses Grabens nicht bedacht, aber mit einer solchen Intensität hätte ich so oder so nicht gerechnet. Sie pustete mich einfach so um. Obwohl Izzy mir Halt gab, wollte ich einfach nur noch im Erdboden versinken und nie wieder einen einzigen Gedanken durch meinen Kopf jagen lassen. Es war einfach zu schmerzhaft.

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt