(71) Pläne sind nur so gut wie ihre Umsetzung

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Meine Beine hatten mich mehr oder weniger sicher durch den Wald in eine Stadt gebracht. Tekin war die gesamte Zeit nicht von meiner Seite gewichen, als wollte er sicherstellen, dass ich nicht abhauen würde. Als ob ich das überhaupt bei so vielen Kreismitgliedern machen könnte. Sie hatten zwar ihren Griff lösen müssen, sobald wir in belebtere Gegenden kamen, aber dennoch bestand in unserer kleinen Gruppe ein Machtverhältnis von acht zu eins. Und das war ohne den Hexenmeister und Valentin gerechnet. Da sollte ich vorerst keine Dummheiten versuchen und stattdessen einen anderen Weg wählen.

"Was wollt ihr denn gleich genau von mir?", erkundigte ich mich flüsternd bei Tekin, der mich mit einem undurchdringbaren Blick betrachtete, bevor er sich zu Valentin begab und diesem etwas sagte. Daraufhin hielten wir Mitten auf dem Weg an und warteten auf irgendetwas.

Die Häuser um mich herum lagen im Dunkeln da und es schien so, als würden sich alle versteckt haben. Vermutlich vor den Gruppen an Kreismitgliedern, die bereits hier entlang gelaufen waren. Ich wusste nicht wie viele Männer und Frauen er insgesamt in seinen Reihen verbuchen konnte, aber es schienen nicht genug zu sein, um einen Frontalangriff auf die Gard wollten er wohl nicht wagen. Aber was war stattdessen sein Plan?

"Du sorgst dafür, dass die Wachen auf unsere Seite kommen und dann infiltrieren wir sie dadurch. Sie werden schneller untergehen, als sie sich das vorstellen könnten", erklärte Valentin plötzlich, nachdem er sich schwungvoll zu mir umgedreht und einige Schritte auf mich zugemacht hatte. 

"Wenn sie eine stark moralisch geprägte Einstellung haben, wird das nicht so einfach sein. Da reicht es nicht einmal schnell einen Gedanken einzuweben. Das braucht dann etwas Zeit, damit es funktionieren kann", entgegnete ich ihm entsetzt von seinem Plan. In seiner Vorstellung mochte es so funktionieren, aber ich war mir sicher, dass der Plan keinen Halt hatte, selbst wenn ich ihn so umsetzen würde, wie er es von mir wollte.

Das einzig Gute am Plan waren die Möglichkeiten, die er mir bot. Ich könnte den Wachen alle wichtigen Gedanken einweben, die den Clave und den anderen hoffentlich helfen würden gegen Valentin zu bestehen. Er mochte denken, dass seine genialen Pläne jeden Gegner in die Knie zwangen, aber da ich in seinem Plan eine wichtige Variable war, konnte ich da auch noch ein Wörtchen mitreden.

Hoffentlich hatte er auch nicht die Möglichkeit, sofort die Veränderung des Planes zu spüren, sodass einige Shadowhunter meine Tante retten konnten, bevor man sie für mein Fehlverhalten bezahlen lies. Wenn ihr etwas passieren würde, würde es mir das Herz brechen. Aber gleichzeitig musste ich alles Erdenkliche tun, um Valentin aufzuhalten. Ich hasste meine Lage und musste dennoch das Richtige tun. Wie ich diesen Begriff doch hasste. Woher wusste ich denn, ob es richtig war? Für wen das Richtige? Und woher sollte ich wissen, was das für persönliche und allgemein gültige Konsequenzen haben würde?

"Du bist doch vorbereitet, also solltest du die Zeit minimieren können", antwortete er entspannt, als sei diese Tatsache keine große Sache. Wie falsch er doch damit lag.

"So einfach geht das nicht. Wenn ich ihre Gedanken, Erinnerungen und Gefühle jeweils für einen gewissen Zeitraum studieren könnte, würde es mir einfach fallen einen Gedanken zu entwerfen, den sie als einen ihrer akzeptieren würden", entgegnete ich, während wir uns nun wieder durch die Stadt bewegten. 

"Hast du bereits vergessen was für dich auf dem Spiel steht? Finde einen Weg und weine mir nicht die Ohren voll", spuckte er genervt aus und verzog sich dann wieder an die Spitze unserer Gruppe. Immerhin hatte ich jetzt Ruhe vor ihm und konnte überlegen welche Nachricht ich den Wachen mitgeben sollte. Welche Informationen wären hilfreich?

Langsam aber sicher hatten wir uns unseren Weg zu dem ersten Außenposten gebahnt. Wir hielten uns versteckt, sodass wir die beiden Wachen unbeobachtet betrachten konnten. Zwei junge Männer hatten ihren Posten dort eingenommen und schienen ruhig ihre Blicke über die Umgebung schweifen zu lassen. Wussten sie nichts hiervon? Oder sollten sie spielen so entspannt zu sein?

"Auf geht's", sagte eines der Kreismitglieder freudig neben mir, während sich vier von uns entfernten und die beiden Shadowhunter in einem kurzen Kampf zu Boden streckten. Sie hatten sie nicht schwer verletzt, da dies vielleicht den Plan erschwert hätte und dennoch schien es auf mich doch etwas zu einfach gewesen zu sein. Übersah ich irgendetwas?

"Dein großer Auftritt", merkte Valentin sarkastisch von der Seite an, bevor ich zaghaft einige Schritte nach vorne machte und die beiden mich dadurch erkennen konnten. Sofort hatte ich mein Ventil geöffnet, um erfahren zu können, welche Gedanken als erste Reaktion auf mein Erscheinen folgen würden.

Sie ist wirklich hier

Sie ist es

Ich blieb wie angewurzelt stehen, um die Informationen kurz einsinken zu lassen. Sie kannten mein Aussehen. Also hatten die Clave einen Plan und darin waren bestimmt auch meine vier Freunde aus dem New Yorker Institut involviert.

Valentin ging es wohl anscheinend schon wieder nicht schnell genug, da ich im nächsten Augenblick von zwei Kreismitgliedern in die Zange genommen und zu den Wachen gebracht wurde. Die anderen vier hievten die beiden Wachen hoch, sodass wir mehr oder weniger auf Augenhöhe waren. Vermutlich damit ich sie einfach beeinflussen konnte. Valentin hatte wirklich keine Ahnung von der Gabe.

Geht es dir gut? Bist du unverletzt?

Als ich die Gedanken des einen hörte, schnellte meine Hand sofort zu meinem Bauch, in dem vor nicht allzu langer Zeit noch ein Loch geklafft hatte. Nun war nur noch ein Loch im Oberteil und das ganze Blut in der Kleidung zurückgeblieben.

Es geht ihr gut

Das webte ich schnell in seine Gedanken ein, damit wir es schon einmal geklärt hätten. Allerdings unterbrachen mich die Gedanken des anderen, bevor ich mir genau überlegen konnte, welche Nachricht ich ihnen mitgeben konnte.

Sie wird für Valentin die Gedanken verändern sollen. Versucht mehr darüber herauszufinden und wenn ihr mit ihr in Berührung kommt, dann sagt ihr, dass wir alles vorbereitet haben. Wir warten auf Valentin und die anderen Kreismitglied und werden dafür sorgen, dass sie keine Kontrolle bekommen werden. Sie soll bitte auf sich aufpassen und die restliche Zeit unbeschadet überstehen. 

Ich musste mir ein Schmunzeln unterdrücken, damit Valentin unser Verhalten nicht als verdächtig auffiel. Blitzschnell versuchte ich meine Worte in die Gedanken der beiden Shadowhunter einzuweben.

Danke. Valentin will den Gard infiltrieren, also passt auf Verräter in euren eigenen Reihen auf. Ich werde den anderen versuchen eine ähnliche Nachricht mitzuteilen, aber versucht sie trotzdem zu den Clave zu befördern. Je früher sie davon wissen, desto besser. Bitte tut so, als hätte ich euch auf die Seite der Kreismitglieder gezogen, damit der Plan funktionieren kann. 

Beide begannen gleichzeitig zu nicken, woraufhin sich Valentin einschaltete:

"Was ist jetzt eure Aufgabe?"

"Wir müssen die Clave heimlich infiltrieren", erklärte der eine, während der andere hinzufügte:

"Wir werden sie von innen heraus aushüllen"

Valentin schien mit ihren Antworten soweit zufrieden zu sein, weshalb er die beiden loslassen lies, sodass sie sich kurz sortierten, bevor einer der beiden verschwand. Hoffentlich in Richtung der Clave, um ihnen die neue Nachricht zu übermitteln. Ich hoffte, dass auch Alec und Izzy davon hören würden, damit sie sich keine unnötigen Sorgen machen mussten. 

"Na siehst du. Unterschätze mal nicht deine Fähigkeiten", erklang süßlich seine Stimme erneut, die mir einen Kälteschauer bescherte. Der wurde nur noch mehr ausgebaut, als seine kalten Finger sich blitzschnell aus dem nichts in meinen Hals von hinten bohrten und meine Luftzufuhr einschränkten, als er zischend hinzufügte:

"Wehe du hintergehst mich. Das ist dein Todesurteil"

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt