(38) Mittel und Wege

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Kurz nachdem ich diese Erkenntnis gemacht hatte, hatte ich mich auf den Boden vor der Glasscheibe niedergelassen und überlegt, was ich noch machen konnte. Ich wollte einen anderen Weg ausprobieren, aber dafür würde ich sicherlich die Zustimmung von jemanden brauchen, der hier etwas zu melden hatte.

"Izzy, Averie", erklang plötzlich Alecs dunkle Stimme hinter mir, allerdings lies ich meine Augen auf das Kreismitglied gerichtet, dass auch mich noch immer grinsend mit seinem Blick bedachte.

"Habt ihr etwa schon angefangen?", erkundigte sich nun Magnus und schien mit Alec gemeinsam immer näher zu uns zu kommen. Izzy verschwand aus meinem Blickfeld und ging vermutlich auf die beiden zu.

Ich werde in ihrer Anwesenheit gar nichts sagen

Erklang plötzlich seine Stimme und mir wurde bewusst, dass ich die ganze Zeit sowohl in der ersten Ebene seiner Gedanken, als auch in der Realität gesteckt hatte, was mich irgendwie erfreute. Scheinbar wurde ich zumindest in diesen Belangen endlich besser.

"Wie sieht es aus?", wollte Magnus wissen, weshalb ich mich mit einem letzten Blick auf den Mann in der Zelle umdrehte, aufstand und mich zu ihnen begab.

"Ich möchte bitte zu ihm rein", erklärte ich, woraufhin Alec sofort diesen Vorschlag ablehnte:

"Keine Chance, Averie"

"Dann gebt mir wenigstens einige Minuten mit ihm allein hier unten. Er wird uns sonst keine Antworten geben", versuchte ich es weiter Alec zu überzeugen.

Er blickte mich ganz genau an und ich hoffte inständig darauf, dass er zustimmen würde, allerdings breitete sich die Stille zwischen uns nur weiter aus.

"Meinst du, dass wir heute..", begann ich und sah, dass er noch nachdachte, bis er schließlich sagte:

"Ok, aber du hast nur 5 Minuten und bitte bleib hier draußen vor dem Glas. Da hat er keine Möglichkeit dich anzugreifen und zu verletzen, wenn sich seine Fesseln lösen sollten"

"Fesseln lösen? Hast du so wenig vertrauen in die anderen Shadowhunter?", gluckste ich etwas unbeholfen.

"Nein, aber ich möchte lieber kein Risiko eingehen. Wer weiß, was für Tricks Valentin alles auf Lager hat, ok?", hinterfragte er und sah mich dabei konzentriert an, bis ich ihm nickend zustimmte. Die anderen drei verschwanden nach und nach und ich begab mich wieder zurück in meine ursprüngliche Position am Boden. Ich hatte Angst, dass ich das nächste Mal, wenn ich zusammenbrechen sollte, mir den Kopf aufschlagen könnte.

"Du hast dich also gewagt hier ganz allein unten mit mir zu sein, Schätzchen", sprach er sofort los mit diesem furchtbar überlegenen Lächeln auf den Lippen. Dass er das in dieser Situation noch immer zeigte, verlangte Mut, das musste man ihm lassen.

"Von Wagen kann keine Rede sein", entgegnete ich mit möglichst kalter Stimme und fügte hinzu:

"Was soll der Spitzname?"

"Er redet manchmal so von dir. Du scheinst ihm wirklich sehr am Herzen zu liegen", erklärte er in einem schmälernden Tonfall, weshalb ich verachtend schnaubte.

"Das habe ich bereits gemerkt, als er mich fast umgebracht hat", spuckte ich sarkastisch aus.

"Ach, jede Beziehung hat ihre Hoch- und Tiefpunkte", erklärte er mir, was mich nur fassungslos den Kopf schütteln ließ.

"Wenn er mich so gern hat, dann würde ich aber gerne den Grund dafür wissen", bat ich ihn nun freundlich, um eine der Informationen, die mich brennend interessierten.

Er schnalzte betört von meiner Freundlichkeit mit der Zunge und begann zu lächeln. Er schüttelte langsam den Kopf und schien innerlich ein Lied zu singen, das sein Gesicht noch mehr aufhellte.

Fuchs, du hast die Gans gestohlen,
Gib sie wieder her,
Gib sie wieder her,
Sonst wird Dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr, 
sonst wird Dich der Jäger holen mit dem Schießgewehr

Seine große, lange Flinte
Schießt auf dich den Schrot,

Schießt auf dich den Schrot,
Dass dich färbt die rote Tinte und dann bist du tot,
Dass dich färbt die rote Tinte und dann bist du tot.

"Also?", verlangte ich endlich eine Antwort, als mir sein Verhalten zu sehr auf den Geist gegangen war und ich nicht weiter den Text ertragen wollte. Er allerdings hörte lediglich auf den Kopf zu schütteln und das Lied in seinen Gedanken zu singen, sah mich mit großen Augen an, bevor sich seine Lippen wieder in das diabolische Grinsen verzogen.

"Antworten, mmhh, so viele Fragen und doch keine Antworten", antwortete er, sodass ich sofort versuchen musste nicht den Frust auf meinem Gesicht zu zeigen.

"Ja, also antworten Sie mir endlich"

Deine Freunde sind schon wieder zurück. So eine Schande, aber versuche die Antworten doch noch einmal zu finden

Ich würde ihm am liebsten an den Hals springen, als er diese Worte dachte und ich wirklich hinter mir die anderen hören konnte. Meine Frustration erhöhte sich um ein weiteres, da ich erneut nicht so eine wirklich große Hilfe gewesen war. Aber vielleicht musste ich meine Suche nur noch ausweiten. Vielleicht musste ich nicht nach einer spezifischen Information suchen, sondern nach allem, was er über Valentine wusste. Wenn wir Glück hatten, würde uns das auch schon weiterhelfen.

"Die Zeit ist um", erklang Jace Stimme, die gereizter schien, als ich sie jemals gehört hatte.

"Hast du etwas herausfinden können?", erkundigte er sich an mich gewandt, aber noch immer in dem gleichen Ton, der mir nicht besonders gefiel. Wir alle standen unter Druck, wollten endlich Ergebnisse verzeichnen können und waren frustriert, aber deshalb uns gegenseitig zu zerfleischen, würde überhaupt gar nichts bringen.

"Nicht so richtig, aber ich habe noch eine Idee..", begann ich, aber wurde sofort von ihm unterbrochen, als er sagte:

"Dann müssen wir es eben anders versuchen"

"Jace, bitte lass uns doch erst die alternativen Ideen bedenken", flehte ihn Clary an, die sich nun dem fünfer Trupp aus Magnus, Alec, Jace, Izzy und Alecs Mutter angeschlossen hatte. Jace sah sie an, schien kurz zu überlegen, bevor er schließlich sagte:

"Es muss keiner hier bleiben. Ich werde mein Bestes geben endlich an die Antworten zu gelangen. Izzy, bring bitte Clary hoch in ihr Zimmer, damit sie sich noch ausruhen kann"

Clary schien seine Entscheidung nicht nachvollziehen zu können, allerdings meckerte sie nicht gegen ihn gegenan und ließ sich einfach von Izzy, die ebenso wenig begeistert von den Worten von Jace war, aus dem Keller führen. Alec legte mir eine Hand auf meine Schulter und flüsterte mir zu:

"Du kannst auch gerne nach oben gehen. Das wird gleich bestimmt nicht schön anzusehen sein und ich möchte nicht, dass dich das zu sehr aufwühlt"

Ich wusste, dass er es gut mit mir meinte, allerdings fühlte ich mich auch durch seine Worte verletzt, als ob er glauben würde, dass ich noch nicht reif genug wäre, die folgende Situation auszuhalten. Mein Kopf war sich bewusst, dass er es nur gut meinte, aber mein Herz hatte das noch nicht als den primären Fokus akzeptiert.

Jace verschwand schließlich in der Zelle, während Alec, Magnus, Alecs Mutter und ich draußen vor der Glasscheibe standen und dem Geschehen zusehen mussten. 

In mir kochte Übelkeit hoch und ich wollte am liebsten meine Augen und Ohren zuhalten, während es vor sich ging, aber ich versuchte stattdessen mich nur auf seine Gedanken zu konzentrieren und in ihnen nach Antworten zu suchen. Allerdings hatte er nur den einen Gedanken, den er die ganze Zeit wie ein Mantra wiederholte:

Valentin ist stark und er wird gewinnen



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