(49) Die gute Art von Durchbrüchen und die schlechte Art von Durchbrüchen

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"Was? Bist du dir da sicher, Magnus?", erklang meine Stimme wesentlich leiser, als ich es eigentlich geplant hatte.

"Naja, sicher sein kann man sich bei Interpretationen doch nie, aber die Vermutung liegt auf der Hand. Zumindest wenn man es aus Valentins Sicht betrachtet. Das hat aber an sich noch keinerlei Aussagekraft", versuchte er uns etwas zu besänftigen, aber ich wusste noch nicht, ob er dabei so erfolgreich war. Dennoch nickte ich und bemühte mich um ein zustimmendes Lächeln.

"Vielleicht sollten wir uns dann jetzt erst recht bemühen, uns auf unsere Falle zu konzentrieren. Wenn wir ihn ins Reagieren zwingen und selber agieren, können wir unser Zusammentreffen vermutlich besser gestalten, als wenn es anders herum ablaufen muss", sprach ich voller Motivation. Valentin würde sich noch umgucken.

"Ja, habt ihr euch denn irgendetwas Spezielles überlegt?", erkundigte sich Magnus und sah sowohl mich als auch Alec gespannt an. Ich zögerte etwas und lies schließlich dennoch meine Gedanken heraus:

"Das, was ich mit der Frau gemacht habe, würde ich gerne bei Valentin und seinen Anhängern wiederholen. Aber ich weiß nichts darüber wie es funktioniert und worauf ich achten muss. Zusätzlich kann ich es ja leider ebenso wenig an jemanden üben", erklärte ich.

"Ich weiß nicht, ob das funktionieren wird. Valentin ist schließlich ein Shadowhunter und soweit wir das bisher feststellen konnten, scheint es bei Shadowhuntern nicht zu funktionieren", erklärte Magnus überlegend.

"Ich weiß, aber wir wissen so viele Dinge sowieso nicht. Und wir können sie eben auch nicht ausprobieren", gestand ich und hatte mich bereits von dieser Idee wieder verabschiedet, als Alecs Stimme erklang:

"Und der Traum? Vielleicht kannst du durch den Traum etwas an Selbstbewusstsein gewinnen. Natürlich wird man da die Langzeitfolgen auch nicht absehen können, aber wenn du erst einmal ein Gefühl für diesen Aspekt der Gabe gewinnen kannst, dann stehen dir doch alle Türen offen", baute Alec mich nun leicht schmunzelnd auf und erreichte sein Ziel auch.

"Ok, versuchen wir es", stimmte ich zu und gemeinsam mit Magnus machten wir uns auf den Weg in den Trainingsraum. Wenn ich im Traum arbeitete, musste ich am besten liegen, damit ich nicht umkippen würde. Alec besorgte schnell eine Matte und eine Flasche Wasser, damit wir zumindest materiell vorerst gut ausgestattet waren. Ich legte mich auf sie und die beiden setzten sich vor mich auf den Boden. Meine Augen wanderten noch ein letztes Mal zu den beiden, bevor ich sie schloss und mich von Magnus in den Traum befördern lies.

Das selbe Schauspiel ging wieder vor mir her, aber ich versuchte mich daran zu erinnern, wie ich die Gedanken der Frau verändert hatte. Ich hatte mir nur gewünscht wie es anders sein sollte und dann war es irgendwie so gekommen. Damals steckte da keine große Technik hinter, weil ich es ja auch nicht so angedacht hatte. Und jetzt mir zu überlegen, was die Technik sein könnte, stelle sich als unfassbar schwierig heraus. 

Manchmal wünschte ich mir, dass das eines meiner Fächer in der Schule gewesen wäre. Dass ich fertige Antworten, wie sie in der Schule üblich waren, bekommen könnte, die ich dann einfach stupide abarbeiten müsste. Stattdessen war es an mir kreativ zu werden und es herauszufinden. Das konnte auch sein gutes haben, nur eben nicht in diesem Moment der Frustration und emotionalen Überforderung.

Dennoch probierte ich es aus. Jeden Durchgang versuchte ich es bei einem der vielen Unterweltler und trotzdem schien meine Technik bei keinen von ihnen anzuschlagen. Dann konnte ich die Shadowhunter wohl gleich vergessen. Scheinbar konnte ich nur die Gedanken der Mundis verändern.

"Und? Hat es geklappt?", erkundigte sich Alec angespannt, als ich wieder aus dem Traum herauskam und er hielt mir gleichzeitig, die bereits geöffnete Wasserflasche hin. Dankend nahm ich sie an, trank einen Schluck und schüttelte dabei allerdings mit dem Kopf. Obwohl wir alle scheinbar große Hoffnung gehabt hatten, wurden wir alle enttäuscht.

"Wir werden einen Weg finden. Wie ich damals bereits sagte: "Probieren geht über studieren". Versuche es gleich nochmal und mach dir dabei keinen Stress. Das kann dich ausbremsen. Also, lasst uns eine weitere Runde angehen", machte Magnus die Ansage und sofort gab ich Alec die Flasche zurück und legte mich auf die Matte. Langsame und ruhige Atemzüge meinerseits brachten meine Stimmung wieder etwas hoch und beruhigten mich gleichzeitig. 

Dann schon war ich wieder im Traum. Ich schnappte mir einen von den Unterweltlern, einen Werwolf und studierte genau seine Gedankengänge. Sie schienen unfassbar emotional aufgeheizt zu sein und ich nahm mir schließlich einen Gedanken,

Shadowhunter werden sich niemals ändern.

und veränderte ihn zu etwas, das ich als positiver empfand:

Nicht alle Shadowhunter können sich sofort ändern.

Im meinem Kopf tauchte nämlich ein neues Problem auf: Was wenn, sie merkten, dass ihre eigenen Gedanken nicht mehr dem entsprachen, was sie sonst dachten? Würden sie gegen sie ankämpfen? Konnten sie das überhaupt? Und was würde dann passieren?

Stück für Stück versuchte ich seine Gedanken zu modifizieren, aber dabei genau diese Fragen nie aus den Augen zu lassen. Die Veränderung musste stattfinden, aber in einem Ausmaß, dass der ganzen Mission nicht im Weg stehen würde. Das machte das Ganze zwar nicht gerade besonders einfacher, aber wenn es so laufen musste, dann war das eben so. Vielleicht würde ich ja durch das viele Training, dass ich nun in den nächsten Stunden und Tagen brauchen würde, einen neuen Weg finden, der effizienter und einfacher war. Schließlich hatte ich mein eigentliches Ziel noch nicht aus den Augen verloren. Auch wenn es in diesem Moment noch wie ein Traum war.

Eine nach der anderen Runde verstrich und bot mir mehr als genug Arbeitsmaterial, bei dem ich allerdings sofort einen Unterschied merkte, bei der Überzeugtheit der Gedanken. Wenn einer der Unterweltler keinerlei Zweifel an einem seiner Gedanken hatte und eine Aussage für ihn eine große Bedeutung hatte, dann spürte ich das zwar, aber es wurde dadurch noch einmal wesentlich schwieriger im richtigen Maß zu arbeiten und ich fühlte mich immer ausgelaugter.

"Hey, Averie?", hörte ich in weiter Ferne eine Stimme, die ich allerdings noch nicht zuordnen konnte. War ich überhaupt noch im Traum? Auf meine Schläfen wurde gefühlt mit Brechstangen eingeschlagen und dennoch fühlte ich mich wie in einem Delirium. Was wirklich um mich herum geschah, schien meine Gehirnkapazitäten maßlos zu überfordern. Erschöpft schloss ich deshalb meine Augenlider wieder.

"Ich bin dich in dein Zimmer, ok? Du musst dich jetzt ausruhen, damit du wieder fit wirst", sprach jemand zu mir und ich fühlte mich, als ob ich dabei auf hoher See auf einem Schiff liegen würde. Immer wieder wurde ich leicht hin und her geschaukelt, was mich wieder wegdriften lies. 

Erst richtig wach wurde ich einige Stunden später, als ich mich in meinem Zimmer befand. Die warme Decke hatte sich um meinen Körper geschmiegt und ich genoss die Entspannung, die ich in diesem Moment erfuhr. Jedoch reichte diese nur für wenige Sekunden, bevor mir wieder einfiel, was genau eigentlich gestern los war. Sofort sprang ich auf und rannte auf die Zimmertür von Alec zu. Ihm wollte ich einfach als erstes von meinem Durchbruch, oder etwas derartigem, das ich gestern geschafft hatte, erzählen.

Sein Zimmer war nicht weit von meinem entfernt, aber die Vorfreude darauf, ihm davon zu erzählen, hatte mich jegliches höfliches Benehmen vergessen lassen, weshalb ich einfach in sein Zimmer gestürmt kam. 

Augenblicklich wurde diese Freude allerdings mit voller Wucht aus mir gepresst, als ich Alec vor mir stehen sah. Aber nicht nur er, sondern auch Elyssia war anwesend. Nur leider nicht so, wie ich mir das von Freunden so vorgestellt hatte.

"Tschuldige", sagte ich schnell, lachte etwas peinlich berührt und zog die Zimmertür mit einem Ruck hinter mir zu. Damit hatte ich nun wahrlich nicht gerechnet.

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt