(9) Mommy Issues

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Ich hatte die Nacht kaum geschlafen. Immer und immer wieder hatte mich dieser eine Alptraum gequält, der das schon seit gefühlten Ewigkeiten machte. Und das frustierenste war, dass ich noch nicht einmal genau wusste, worum es in diesem Traum wirklich ging. Vielleicht sollte ich mir mal Hilfe diesbezüglich suchen, auch wenn mich das noch schwächer und nutzloser als sowieso schon fühlen lassen würde.

Plötzlich erklang ein Klopfen und sofort richtete ich mich im Bett auf und versuchte mich etwas herzurichten, bevor ich denjenigen hinter der Tür hereinbat. Zu meiner Überraschung war es weder Alec noch ein anderer Shadowhunter, den ich aus diesem Institut kannte, sondern Miss Lightwood. 

Ihre Augen scannten kurz mein Zimmer, was mir ein mulmiges Gefühl gab, bevor sie hereintrat, die Tür schloss und auf mich zukam. 

"Guten Morgen", meinte sie recht kalt, aber dennoch war ich von diesen Nettigkeitsfloskeln aus ihrem Mund überrascht. Gestern noch schien sie mir nicht der Typ für soetwas zu sein.

"Ich werde wieder nach Idris zurückkehren und ich möchte, dass du mir sofort eine Nachricht zukommen lässt, sobald Magnus etwas herausgefunden hat und dann möchte ich, dass du das Institut gegebenenfalls sofort verlässt. Es war sehr großzügig von Jace dich hierher mitzubringen, damit du nicht stirbst, aber dir sollte bewusst sein, dass dein Aufenthalt hier temporär limitiert ist. Verstanden?", erklärte sie emotionslos, was einen Schauer meinen Rücken hinunterschickte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie solche kalten Worte mir gegenüber aussprechen würde. Obwohl ich gestern doch bereits ihr Verhalten gegenüber ihren eigenen Kindern gesehen hatte, also dürfte ich eigentlich nicht allzu überrascht sein.

Nachdem sie ein stummes Nicken von mir erhalten hatte, erhob sie sich wieder und verschwand durch die Tür. Ich brauchte einen Moment um mich zu sammeln, bevor ich mich fertig machte, Trainingskleidung anzog und wieder in den Trainingsraum ging. Wenn ich nur noch für eine bestimmte Zeit hier sein durfte und Valentine wirklich, auch wenn es unwahrscheinlich war, hinter mir her sein sollte, dann müsste ich mich besser verteidigen können. Denn noch wusste ich nicht, was für tolle Kräfte ich angeblich haben sollte. Und selbst wenn ich es wissen würde, hatte ich noch längst nicht die Kontrolle über sie erlangt.

Es verging einiges an Zeit und ich war schon ziemlich durchgeschwitzt, als eine Stimme hinter mir erklang:

"Na, du bist ja doch ehrgeiziger als ich am Anfang eingeschätzt habe", sagte Alec und lächelte mich ironisch an. Ich verdrehte bloß die Augen und konzentrierte mich wieder auf meine Schläge.

"Komm, wir üben zusammen. Da kannst du noch viel besser Sachen ausprobieren", schlug er vor und hielt mir einen Stock hin, den ich annahm und sofort in den Angriff überging. Er war erst überrascht, aber fing sich schnell wieder, weshalb ich meinen Vorteil nur für den Bruchteil einer Sekunde ausnutzen konnte.

"Sag mal ist deine Mutter immer so?", fragte ich, während ich gerade einige Angriffe von Alec abblockte. Er antwortete zuerst nicht, aber fragte dann schließlich:

"So?"

"Naja, so kalt und emotionslos", sagte ich etwas unsicherer. Ich sprach immerhin noch über seine Mutter und ich wollte ihn damit nicht angreifen, aber ihre Art warf noch immer Fragen in mir auf.

"Wie ist deine denn?", antwortete er mit einer Gegenfrage, während wir noch immer die Stöcke im Kampfe gegeneinander knallen ließen. Ich stockte einen Moment, was ihn dazu brachte, mich auf den Boden werfen zu können. Er hockte nun vor mir und sah mich forschend an.

"Sie war unglaublich herzlich und ein Mensch, den man am liebsten immer um mich rum haben wollte, weil sie es schaffte das Klima zwischen Menschen instinktiv sofort zu erwärmen", erklärte ich, bevor ich mich wieder hochhievte und einen Gedanken an die Zeit verschwendete, als sie noch bei mir gewesen war. Bevor meine Eltern gestorben sind. In meinen Erinnerungen war diese Zeit so schön und so wollte ich sie auch um jeden Preis bewahren.

"Tut mir leid", murmelte Alec kurz, bevor er sich mir wieder zuwandte und ich in seinen Augen einen Hauch von Mitleid aufblitzen sehen konnte. 

"Ich wollte nicht", begann er, aber ich schnitt ihm das Wort ab, "Alles gut. Also ist deine Mutter immer so?"

"Naja, sie hatte schon immer etwas sehr autoritäres an sich. Schon seit wir Kinder waren. Aber sie ist eben unsere Mutter. Da arrangiert man sich so, das es passt", erklärte er und half mir wieder hochzukommen. 

"Und euer Vater? Ist der auch so?", traute ich mich etwas weiter herumzubohren.

"Naja, die beiden sind nun einmal Institutsleiter und viel unterwegs und haben einen Haufen Verantwortung für eine große Anzahl an Shadowhuntern. Da können die Kinder kein großer Exklusivrecht beanspruchen", gab er mit starker Stimme von sich, als ob ihn das Ganze nicht ein bisschen stören würde. Aber ich  war mir sicher, dass das mehr einer Fassade gleichte als seiner echten emotionalen Verbindung zu diesem Thema.

"Aber wir hatten ja uns. Jace, Izzy und ich haben unsere ganze Kindheit zusammen verbracht, zusammen trainiert und Jace und ich wurden schließlich Parabatai", erzählte er weiter, bevor er schließlich unsere Unterhaltung abbrach, sich umdrehte und dann in einem kalten Ton sagte:

"Also komm, weiter gehts. Keine Müdigkeit vorschützen"

Ich sah ihn an, schnappte mir meinen Stab und brachte mich wieder in Ausgangsposition. Mein Blick gelangte zu Alecs Gesicht, dass sich nun wieder in Kälte getaucht hatte. Eben noch hatte ich das Gefühl ihm näher zu kommen und nun schien er sich wieder seine Mauern hochzuziehen. Und ich wusste nicht, ob es an mir lag oder er im Allgemeinen keine Menschen an sich heranließ.

"Komm schon, Averie, zeig endlich was du in den letzten Tagen gelernt hast", meckerte er, während er aggressiv immer und immer wieder mich angriff. Ich versuchte so gut es ging mich zu verteidigen, aber er schien diesesmal nicht daran interessiert zu sein mir beim Üben zu helfen. Es wirkte viel mehr so auf mich, als wolle er Agressionen abbauen. Bei seinem nächsten gezielten Schlag gelang ich ins Straucheln, was er sofort ausnutzte, um mich zu Fall zu bringen.

"Du musst deine Beine mehr benutzen. Sie sind eine ebenso wichtige Waffe wie deine Arme", sprach Alec kalt auf mich herabblickend und half mir beim Aufstehen.

"Wenn du dich so verteidigst, wenn er dich angreifen sollte, dann kannst du auch gleich freiwillig mit ihm mitgehen", fügte er noch hinzu, während seine Augen ausweichend durch den Raum sahen. Und obwohl ich wie er versuchte meine Emotionen hinter dicken Mauern zu verstecken, so taten seine Worte doch unfassbar weh und ich verstand einfach noch immer nicht, warum er immer so nett war und mir dann schlagartig Messer in den Kopf rammte.

"Mach eine Pause und komm wieder, wenn du dich gesammelt hast. Deine Beine sind zu langsam, dein Kopf ist nicht bei der Sache und in diesem Zustand verschwenden wir bloß unsere Zeit", sagte er, bevor er sich augenblicklich abwandte und den Trainingsraum verließ. Noch überlegte ich, wie ich dieses Training bewerten sollte, bevor ich zu dem Entschluss kam einfach duschen zu gehen. Ich würde sowieso kein zufriedenstellendes Ergebnis erzielen.

HunterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt