"Noch einen", erklang Valentins unnachgiebige Stimme, als er mir einen Schlag ins Gesicht verpasste, damit ich bei ihnen blieb. Es konnte kaum drei Stunden gedauert haben bis ich nun mit der durchgehenden Gefahr der Schwärze zu kämpfen hatte. Mein Kopf pochte und mein Körper brannte als ob ich die drei Stunden lang gezwungen worden war durchweg zu sprinten.
Meine Augen flatterten erneut auf nur um sich kurz darauf wieder zu schließen, was eine erneute Bekanntschaft seiner Handfläche mit meinem Gesicht nach sich zog.
"Wach bleiben, Kleine. Es ist ja nur noch der eine hier", säuselte er mir mit einem sarkastischen Ton ins Ohr, bevor er mir den Arm tätschelte. Ich rührte mich nicht, konnte kaum meine Augen wieder öffnen, weil sie so schwer waren und ich, obwohl ich noch immer auf dem Stuhl festgebunden war, sonst extreme Schwindelgefühle hatte. Meine Sicht war auch durch schwarze Stellen geprägt, weshalb ich selbst wenn ich sie öffnen könnte, dies sicherlich nicht lange durchhalten würde.
Ein lauter Knall ertönte und sofort spürte ich die stechende Sensation in meinem Gesicht. Allerdings reichte auch das nicht aus, um mich dazu zu kriegen meine Augen zu öffnen, was Valentin wohl noch als Anforderung sah, damit ich meine Gabe vollends nutzen konnte. Aber ich öffnete sie nicht. Ganz im Gegenteil. Mehr und mehr schien ich durch die Bekanntschaften aus der Realität zu driften. Erst die nächsten Worte holten mich wieder ein Stück zurück:
"Bitte gewähren Sie ihr doch eine kleine Pause. Sie scheint keine Kraft mehr zu haben"
Ihre Stimme klang zitternd und gleichzeitig verweint, was mir das Herz brach. Warum nur hatte Valentin sie herbringen müssen. Natürlich wusste ich die Antwort, aber die Tatsache war einfach so unerträglich, dass ich nicht von dieser Frage loslassen konnte.
"Gute Frau, halten Sie die Klappe. Und du, Averie, deine Tante ist nicht zum Spaß hier, also mach gefälligst deine Arbeit zu Ende, sodass wir uns nicht von einem Teil von ihr bereits verabschieden müssen. Ok?", entgegnete Valentin.
Die immer stärker wachsende Angst trieb mich schließlich dazu an, dass ich meine Augen, wenn auch nur minimal, öffnete und versuchte meinen Blick zu fokussieren. Allerdings schien meine Umwelt noch immer verschwommen und in Dunkelheit getränkt zu sein, weshalb ich diesen Versuch relativ schnell wieder hinter mir lies. Ich musste nur die Gedanken der letzten Person ändern, dachte ich mir, als ich ein sarkastisches Lachen und Klatschen neben mir wahrnahm.
"Guck sich doch einer an. Muss man dir auch wirklich erst immer drohen, damit du etwas machst? Das ist ernsthaft enttäuschend Averie, aber immerhin scheint deine Erschöpfungsgrenze seit dem letzten Mal gestiegen zu sein. Inzwischen bist du viel hartnäckiger geworden. Sehr gut. Dann müssen wir dich in dem Bereich glücklicherweise nicht noch zusätzlich triezen", erklärte er.
"Wohl eher malträtieren", murmelte ich und hatte dabei gar nicht das Gefühl, dass wirklich ein Ton meinen Mund verlies. Aber scheinbar war es doch geschehen oder Valentin konnte nun Lippen lesen, da er zu lachen begann und spaßte:
"Ach, Averie, das ist doch kein malträtieren. Wir spielen nur etwas. Ok, da wir dieses Missverständnis nun auch noch klären konnten, kannst du jetzt ja beginnen"
Ich versuchte meine Gedanken auf jemanden zu fokussieren, der vor mir stand. Ich konnte nicht einmal erkennen, wer oder was genau die Person vor mir war. Trotzdem versuchte ich mein Bestes einen neuen Gedanken in die ihren einzuweben und dabei nicht allzu viel Energie zu verlieren.
Allerdings schien das nicht so wirklich zu funktionieren. Zwar spürte ich, dass ich die Gedanken gut einfügen konnte, allerdings hatte ich dabei das Gefühl, dass mir dabei mein Gehirn in einer eisernen Faust zerquetscht wurde. Flüssigkeit sammelte sich in meinem Mund und auf meinen Wangen an und ich verlor die Kraft meinen Kopf noch hochzuhalten. Ich schlug mit diesem hinten auf und spürte wie dabei meine Atmung immer unregelmäßiger wurde. Ich begann zu zittern, ob nun wegen des Kältegefühls oder wegen der Erschöpfung der Muskeln, aber auch darüber hatte ich keine Kontrolle mehr.
Meine Augen schlossen sich automatisch und zogen mich dabei in diesem Zustand immer und immer weiter weg von diesem Raum. Von Valentin, von Tekin und von meiner Tante. Und im gewissen Maße damit auch immer weiter weg von dieser Welt.
Alecs p.o.v.
Einen kurzen Moment lang schien mein Kopf leer zu sein, bis schließlich ein Schalter umgelegt wurde und ich mich so schnell wie möglich und dennoch möglichst unauffällig aus dem Institut bewegte. Ich sollte mit Magnus sprechen. Unbedingt.
Die Stadt war bereits wieder aktiv wie eh und je und ich fragte mich wo Averie in diesem Moment sein könnte, wenn sie weder bei uns noch bei Magnus war. Vermutlich bei Valentin aber wo? Und war diese Nachricht dann wirklich von ihr gekommen?
Meine Hand bewegte sich unaufhaltsam gegen Magnus Wohnungstür, als ich schließlich bei seiner Wohnung angelangt war. Kurz darauf riss er diese energisch auf.
"Alexander", begrüßte er mich leicht verwirrt.
"Hallo, Magnus. Schön dich zu sehen. Wie geht's ?", ratterte ich einige Höflichkeitsfloskeln ab, während ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer ging.
"Du weißt nicht wo Averie ist?", erwiderte Magnus hingegen nur und folgte mir, nachdem er die Tür wieder geschlossen hatte.
"Ja, Elyssia hatte gemeint, dass sie bei dir sei, aber nicht mit mir sprechen wollen würde und ich mich lieber von ihr fernhalten sollte. Aber irgendwie kam mir das Ganze komisch vor, weshalb ich dich fragen wollte", erklärte ich, woraufhin er leicht genervt dreinblickte.
"Sie hatte mir gegenüber behauptet, dass ich nicht ins Institut gehen sollte, weil dort ein Hexenmeister ziemliches Chaos angerichtet hätte und ihr Shadowhunter deshalb vermutlich nicht gut auf mich zu sprechen gewesen wärt", erläuterte er seine Sicht der Geschichte.
"Und in Wirklichkeit wollte sie sich nur möglichst gut absichern, dass keiner von uns beiden Kontakt zum jeweils anderen aufnimmt, damit ihr Fehlen gar nicht erst auffällt. Man muss schon sagen, schlau ist sie ja"
Frustriert faltete ich meine Arme und atmete tief durch. Was für ein Trottel ich doch manchmal war. Hoffentlich waren wir jetzt rechtzeitig genug, um noch eine vielleicht rettende Aktion in die Wege leiten zu können.
"Ok, was genau machen wir jetzt?", wollte ich von Magnus wissen.
"Haben wir denn irgendeinen Anhaltspunkt?", erkundigte sich dieser und schien dabei bereits mit einigen Gedanken zu spielen.
"Ich glaube, dass sie versucht hat Izzy und mir eine Nachricht zu schicken. Sie hieß: arbeitet für.. Magnus darüber.. vielleicht.. mich zu Valentin.. Tekin..", erzählte ich ihm, wodurch auf seiner Stirn sofort Falten entstanden.
"Nur Bruchstücke?"
"Sie arbeitet daran noch, zumal wir ja vermutlich nicht einmal so nah beieinander waren", erklärte ich, woraufhin er erneut nickte.
"Vielleicht hilft es uns ja, wenn wir die Gedanken vervollständigen", schlug er vor, woraufhin ich erwiderte:
"Klar, aber es gibt ja leider keine Garantie für Richtigkeit oder eine uns zur Verfügung stehende Musterlösung. Also ok, vielleicht ist der erste Satz: Elyssia arbeitet für Valentin? Sie arbeitet definitiv nicht mehr für uns und da er gerade die größte Gefahr darstellt, könnte das doch gut möglich sein"
Magnus nickte, bevor er selbst sich daran versuchte:
"Sprecht mit Magnus darüber?"
Wir brauchten eine ganze Zeit, bis wir eine Lösung hatten. Ob es auch die richtige Lösung war, konnten wir nicht sagen, aber immerhin fühlte ich mich dadurch Averie bereits wieder näher. Sie wusste, was auf sie zukommen würde, als sie versuchte diese Gedanken in mich zu bekommen. Jetzt war es an uns, diese Information zu nutzen, damit wir sie finden konnten.
"Wie wäre es, wenn wir heimlich Elyssia folgen. Sie steckt ja ganz sicher da mit drin", schlug ich nach einigen Diskussionen schließlich vor.
"Ja, kümmert ihr euch um Elyssia und ich versuche mal wieder Kontakt zu meinem alten Freund Tekin aufzubauen. Vielleicht kriege ich aus ihm noch etwas heraus. Außerdem wächst unsere Chance etwas zu erreichen, wenn wir zweigleisig fahren", erklärte er. Ich stimmte ihm nickend zu und verabschiedete mich dann, um unseren Teil des Plans anzugehen. Ob es aber ein guter Plan war, würden wir erst sehen können, wenn er Früchte erbrachte.
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Hunter
FanfictionAverie Clark ist eine 19-jährige Waise, die nach Brooklyn gezogen ist, um hier ihr Jurastudium zu absolvieren. Sie lebt für Gerechtigkeit und den Schutz für Opfer, da ihre Eltern in ihrem Kindesalter ermordet wurden. Jedoch wandelt sich ihr Leben sc...