In der späten Nacht kehrte ich zuhause ein.
Das kugelsichere Eingangstor ließ ich hinter mir und parkte vor der Haustür. Einer der Sicherheitsmänner nahm den Schlüssel entgegen und fuhr den Wagen in die Garage. Die Nachtwächter vor der Tür begrüßten mich beim Vorbeigehen.
Gähnend stieg ich die Treppen herab. Auf das Ausruhen freute ich mich, auch wenn die Träume grausam sein konnten. Trotz zufallenden Augen ging ich unter die Dusche und befreite mich von dem seelischen Dreck, den ich in mir trug.So still es im Haus war, wollte ich annehmen, dass Damla schlief. Trotzdem huschte ich in den gegenüberstehenden Raum über und prüfte die schlafende Damla. Wer weiß, wie lange sie unter meinem Dach leben wird?
„Sie war ihr ganzes Leben lang allein. Ihr wird schon nichts passieren."
„Genau aus dem Grund sollst du sie nicht allein lassen."
Serkan konnte einen zum Nachdenken bringen. Er kannte mich mittlerweile so gut, dass er meine Schwachstellen kannte. Das gefiel mir nicht. Niemand sollte meine Schwächen kennen. Ich wollte nämlich keine haben. Serkan wusste, dass ich einen großen Beschützerinstinkt besaß. Manchmal machte es mich schwach und zerbrechlich. Menschen zu lieben, ist eine Last für ein gebrochenes Herz. Ich würde mich am liebsten von jedem und allen abkapseln, um nie wieder mehr den Schmerz zu erleben, den ich einst durchleben musste.Als ich mich schlafen legte, stellte ich bitterlich fest, dass diese Nacht schlaflos vergehen würde. Der Kopf war zu aufgewühlt. Zu viele Dinge waren heute passiert.
Irgendwann tapste Siyah zu mir. Über ihr Rücken kraulend verfiel ich in Gedanken. Richtung Morgengrauen fielen mir die Augenlider zu.
Unausgeschlafen machte ich mich aus dem Bett und bereitete mich auf die Arbeit vor. Durch das offene Fenster hörte ich dem Gesang der Vögel zu.
In den letzten Tagen vernachlässigte ich die Arbeit. Die Strafe würde ich heute zahlen müssen.Wie gewöhnlich fing ich um 7:30 Uhr mit der Arbeit an. Die eingegangenen und ausgeführten Lieferungen vom Vortag prüfte ich zu aller erst.
Richtung 9 Uhr traf Gülin in der Lagerhalle ein und händigte mir die hervorstehende Meetings und Aufgaben ein.
„Seit einigen Tagen kann ich Sie nicht erreichen Herr Devran. Ich hoffe Ihnen geht es gut.", machte Gülin eine Anmerkung.
„Privat gab es einige Angelegenheiten. Aber schau, ich bin da."
Mit der Aussage schien sie nicht zufrieden zu sein, doch ich war ihr keine Rechenschaft schuldig.
„Wie geht es Frau Damla? Nach Ihrem Anruf sind Sie untergetaucht.", ließ sie nicht locker.
„Gülin, deine Aufgabe ist mir zu assistieren.", erinnerte ich sie.
„Tut mir leid für die Neugier, aber ich mache mir Sorgen, weil sie immer zielstrebig und fehlerfrei gearbeitet haben. Ich werde nichts mehr fragen.", zog sie einen durchsichtigen Reißverschluss über die Lippen.
Warum verheimlichte ich die Wahrheit vor ihr? Nach einigen Tagen würde jeder von der Eheschließung mitbekommen.„Gülin.", rief ich etwas nervös nach ihr.
„Ja Herr Devran?", blickte sie von ihrem Klemmbrett hoch.
„Ich habe gestern standesamtlich geheiratet."
„Was!", erstarrte ihre Miene.
„Sie haben geheiratet?", wiederholte sie schockiert.
Die Angestellten in der Umgebung drehten sich abrupt zu uns. So laut sie den Satz aussprach, bekam es die halbe Lagerhalle mit.
„Brauchst du noch einen Lautsprecher Gülin, damit es jeder hört?"
„Tut mir leid! Ich - ehm... wissen Sie, es hat mich unerwartet-"
„Schon okay. Geh auf dein Platz und mache deine Arbeit."
„Werde ich tun."
Ihr Gesicht fing an zu strahlen.
„Mit Frau Damla, oder? Jetzt ergibt alles einen Sinn.", kehrte sie sich wieder um.
„Ja Gülin! Ich will keine weiteren Fragen hören."
„Du meine Güte!", hörte ich sie noch flüstern. Waren Frauen immer so neugierig?Damla
Ab jetzt bist du Damla Atahan.
Ein neuer Lebensabschnitt wird entstehen. Eine neue Identität musst du annehmen. Nichts mehr wird wie früher sein. Alles wird von neu beginnen. Die Damla, die sich nirgendwo dazugehörig fühlte, hatte ihren Platz gefunden. Auch, wenn ich ihn durch Zwang fand, glaubte ich langsam, hier her zu gehören. Denn umso mehr ich vor Devran floh, umso mehr verflocht sich mein Leben an seins. Vielleicht war die Zukunft, die ich mir vorstellte nicht die Zukunft, die ich ausleben sollte.
Du bist keine schutzlose Studentin mehr.
Du bist Teil eines Familienclans.
Du bist die Ehefrau von Devran Atahan.
Auch, wenn dieser Mann dich verletzt hat und weiterhin verletzen wird, hat es etwas getan dass kein Mensch bis jetzt für tun würde. Er hat sein Leben für dich auf den Kopf gestellt...
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Die Wunde der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIm nächsten Moment wurde ich ruckartig nach hinten gezogen und prallte gegen die harte Brust vom Unbekannten. Die Zeit schien wieder geblieben zu sein. Wie mein Herzschlag. „Ich weiß zwar nicht wer du bist... doch ich werde dich finden!", hörte ic...