Mein Herz klopfte mir bis zum Hals.
Die Zeilen verschwanden nicht aus meinem Kopf. Eingebannt waren sie. In Trance befand ich mich. Die Realität, die sich wie ein Traum anfühlte, brachte meine komplette Welt durcheinander.
Devran war ein Dichter. Ein Poet war er. Sein bedachter und feiner Umgang mit Worten war atemberaubend.
Schockiert blies ich die Luft aus. Sein Stift, müsste ein Zauberstab sein, dieser Kunst auf das Papier hinterließ. Gegen meine Neugierde konnte ich nicht vorgehen und den Eintrag hatte ich durchgelesen. Der Sonnenaufgang ließ mein Herz aufgehen. Und das Schlimme war, dass das Notizheft voll war. Umso mehr ich daran dachte, umso mehr wollte ich in Devranz Zimmer kehren und die restlichen Seiten durchstöbern.Der Text überzeugte mir so sehr, dass ich ein Foto davon schoss. Ich öffnete meine Fotogalerie und tippte das Foto an.
Devran, du bist unberechenbar. Warum hast du die gegensätzlichste Persönlichkeit der Welt? Wie kann ein Mensch so emotional und feinfühlig sein und gleichzeitig eiskalt und gnadenlos?
Meine Gefühle überforderten mich. Mit Herzklopfen setzte ich mich auf mein Bett.Sei wie der Sonnenaufgang. Unterbreche die Dunkelheit mit deinem Licht. Stehe auf, auch wie dunkel die Nacht war. Sei jeden Moment für den Kampf bereit, der sich Leben nennt. Du musst ein Kämpfer sein, um auf dieser Welt zu überleben. Ein Kämpfer bekommt Narben ab, aber bricht niemals ineinander zusammen. Ein Kämpfer steht standhaft, auch wie viele Pfeile er im Rücken hat. Der Bogen ist meist in den Händen der Menschen, die sich Freunde nennen. Oder Menschen, die du liebst. Den Bogen, den deine Feinde tragen, siehst du. Aber am härtesten wird dich der Pfeil im Herzen treffen. Wenn ein Kämpfer im Herzen getroffen wurde, bricht er ineinander. Um wieder aufzustehen, reißt er den Pfeil mit seinem Herz raus...
D. A.
Eine Träne kullerte meine Wange runter. Ein Lächeln ging mir gleichzeitig auf. Mich durchgingen tausende Emotionen. Devran müsste angefangen haben aus Einsamkeit zu schreiben. Meine Neugier versuchte mir einzureden, die restlichen Seiten durchzulesen. Doch ich durfte es nicht. Keiner würde wollen, dass seine persönlichen Sachen durchsucht wurden. Aber woher sollte ich wissen, dass Devrans Notizbuch in der Kommode lauerte? Unbeabsichtigt, machte ich einen bedeutsamen Fund. Ich stieß auf Devrans verborgene Gedankenwelt.
Seine poetische, weise Sprechweise verriet mir schon immer, dass er ein feinfühliger Mensch war. Aber so viel hätte ich nicht erwartet.Ein Kratzen hörte ich im nächsten Moment an der Tür. Siyah müsste gekommen sein. Ich ließ sie rein.
„Hey Kleine."
Unser Verhältnis wurde immer besser. Siyah gewöhnte sich an mich. Ich war der festen Überzeugung, dass die Katze ihren Besitzer nicht teilen konnte und mir deswegen oft die kalte Schulter zeigte. Aber sie begriff, dass ich kein böser Mensch war und wollte mich kennenlernen. In meinem Zimmer irrte sie um. Jede Ecke durchging sie und streifte mit dem Schwarz an den Möbeln. Damit markierte sie ihr Territorium.
So launisch die Katze war - wie ihr Besitzer - unterbrach sie ihre Ignoranz, sprang zu mir und wollte gekrault werden.
„Sind wir nun Freunde?", fragte ich. Leise miaute Siyah, während sie meine Zuneigung genoss. Mit der einen Hand fuhr ich über das schwarze Fell, während ich mit der anderen Nachrichten beantwortete.Gamze wollte wissen, ob wir uns demnächst treffen wollten. Ich würde sie zum Frühstück einladen.
Eine Nachricht von Kaan empfing ich ebenfalls. Erst gratulierte er mir zur Eheschließung und dann fragte er, ob alles in Ordnung sei. Da ich langsam mit dem Lernen anfangen wollte und Hilfe brauchte, versuchte ich ein Termin mit Kaan zu vereinbaren.
Währenddessen kreuzte Devran auf.
„Meine Tochter ist hier?", fragte er überrascht. Als ich hörte, dass er seine Katze als seine Tochter bezeichnete, musste ich lachen.
„Ja, ich glaube, wir werden langsam Freunde.", wandte ich mich Devran. Er setzte sich zu uns und beobachtete Siyah liebevoll. Sie öffnete ihre Augen und wälzte sich zu Devran.
„Hey Liebes.", kraulte er sie am Bauch. Das müsste Siyah lieben. Zufrieden ließ sie sich verwöhnen. Devran tat der Zeitvertreib mit Siyah gut. Als ob er die Liebe, die er in Menschen stecken könnte, in Siyah investierte.
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Die Wunde der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIm nächsten Moment wurde ich ruckartig nach hinten gezogen und prallte gegen die harte Brust vom Unbekannten. Die Zeit schien wieder geblieben zu sein. Wie mein Herzschlag. „Ich weiß zwar nicht wer du bist... doch ich werde dich finden!", hörte ic...