57 - Durcheinander

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Devran
Die Schritte fühlten sich immer schwerer an. Ich konnte nicht glauben was innerhalb fünf Minuten passiert war. Mein Herz klopfte noch wie verrückt. Auch wenn man es mir nicht anmerkte, hatte ich Todesangst gehabt. Nicht um mich, sondern um Yaman und Damla.
Eine Attentat wurde auf mich geplant! Meine Wachen wurden erschossen. Mein Haus wurde durchlöchert. Das Haus war mir egal, aber die Verletzten nicht.
Blut! Überall war Blut! Ich war zutiefst in Schock, dass ich keine Reaktion auf die verletzen Männer am Boden zeigen konnte.
Gewöhne dich daran Devran. Du bist ein Krimineller. Dachtest du, dass der Weg den du gezeichnet hast, einfach sein wird? Du wusstest, dass sich Unheil näherte.
Die innere Stimme, die mir ein schlechtes Gewissen einredete, machte mich fertig. Ständig stritt ich mit ihr. Meine Gefühle spielten wild. Ich hatte nicht nur mich in Gefahr gesetzt, sondern auch mein Bruder und Damla. Was hätte ich getan, wenn einer von ihnen verletzt wäre? Hätten die Wachmänner meines Opas, keinen zusätzlichen Schutz geleisewr, wäre der Angriff ganz anders verlaufen. Er wusste von Anfang an, dass eine Gefahr lauerte. Ich auch, aber ich hatte es die ganze Zeit ignoriert.

Wer hat den Angriff beauftragt? Welcher Ehrloser hat mein Haus verwüsten lassen? Der Täter sollte die Farbe seines Grabsteins schon mal aussuchen. Denn ich werde nicht locker lassen!
Schwer traf ich im Wohnzimmer ein. Yaman stand immer noch auf derselben Position und starrte mich lange an. Voller Hass, voller Trauer. Seine Blicke durchdrangen mich.
Ich wollte etwas sagen, aber wusste nicht was. Jedes Wort wäre nutzlos. Ich hatte ihn enttäuscht und verletzt, das war mir bewusst. Ich hatte ihm versprochen, dass die krummen Geschäfte endeten und wir bald in Sicherheit sein würden. An gar kein Versprechen konnte ich mich halten. Und das ließ mich wie ein verdammter Verräter fühlen...

„Yaman!", hauchte ich kraftlos.
„Ich hatte dir vertraut.", fing er an zu reden.
„Ich hatte dir vertraut Mann!", kam er auf mich zu.
„Es tut mir leid Yaman!" Ich-"
„Es war mein Fehler! Wie konnte ich auch erwarten, dass sich alles ändern wird?", drückte er mich bei jeden Wort nach hinten.
„Ich dachte, der Schwachsinn wird enden! Ich dachte du wärst nicht wie mein Opa. Aber welchen Unterschied hast du zu ihn? Gar keinen!", beschuldigte er mich weiterhin.
„Yaman! Beruhige dich. Pass auf deine Worte auf! Ich bin dein Bruder.", packte ich ihn an den Armen. Jeder seiner Worte trafen mich wie Messerstiche.
„Dann verhalte dich wie mein Bruder. Wo ist der Devran hin, der dunkle Geschäfte verabscheute? Der Frieden wollte? Wo ist er!", wurde er Richtung Ende immer lauter.
Yaman platzte vor Wut. Ich hatte keine Kraft dazu gegen ihn anzukämpfen. Ich war momentan mental am Boden.
Wähle aus Devran! Entweder Frieden, oder Krieg. Beides kannst du nicht haben. Du kannst kein Frieden haben, wenn du Rache willst. Frieden bedeutet Familie und Liebe. Krieg bedeutet Macht und Gewalt.
Wirst du auf dein kaputtes Herz hören, oder auf dein Verstand? Für diese Entscheidung bist du schon zu spät. Du hattest dich für Rache entschieden, aber suchst nach Frieden. Du bist kein Kämpfer wie du behauptet hast, sonder ein Verlierer!

„Du weiß nicht was ich vorhabe Yaman! Du beschuldigst mich."
„Was hast du vor? Was machst du für dein Bruder? Siehst du nicht was du mit deinen Geschäften anstellst? Du schadest nicht nur dir, sondern auch mir und vor allem Damla! Ich dachte, dass wir uns ein anständiges Leben aufbauen werden. Aber ich habe mich getäuscht, indem ich dir vertraut habe! Vielleicht hatte Öykü doch Recht und du bist nur wegen deiner Rache gekommen!", fuhr er zornig fort und ging mit zügigen Schritten an mir vorbei.
Er hatte recht. Ich war verdammt nochmals wegen meiner Rache gekommen. Aber meine Familie hatte ich auch vermisst! Nie hätte ich gedacht, dass sich alles so entwickeln würde. Ich wünschte, ich wäre in Bolu geblieben und hätte mein stilles Leben fortgeführt. Aus mir könnte nie ein Mafioso werden. Dafür bin ich zu gefühlvoll. Meine Gefühle haben die Kontrolle über mich bekommen. Seit wann war ich so?

Ich verlor Yaman. Ich hatte ihn zutiefst enttäuscht.
Stumm beobachte ich den Abgang in sein Zimmer und hörte die Tür sich zuknallen.
Was sollte ich machen? Wie konnte ich ihn beruhigen? Der Angriff hätte nicht passieren sollen!
Etwas später riss sich die Tür auf und Yaman trat mit einer Tasche in seiner Hand raus. Ging er?
„Yaman!"
„Wohin?", ging ich ihm nach, als er mir nicht antwortete.
„Ich gehe Abi! Hier kann ich nicht länger bleiben."
„Du bleibst hier!", forderte ich.
„Hört auf über mein Leben zu bestimmen."
„Wohin? Schau mich gefälligst an!", packte ich ihn an der Schulter, während er durch den Hintereingang zur Garage ging.
„Lass mich! Ab jetzt wohne ich nicht mehr hier, okay? Yaman ist weg und du bist der Schuldige! Mit einem Kriminellen will ich nicht mehr zusammenwohnen.", verletzten mich seine harten Worte. Ich realisierte, dass ich zu nichts mehr fähig war. Kein Wort der Welt konnte Yaman bei mir lassen.
Wortlos stieg er in sein Sportwagen ein und warf mir beim Einsteigen letzte Blicke zu.
Ich konnte nicht mal „Geh nicht!" sagen. Meine Kehle hatte sich zugeschnürt.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt