55 - die Devran Taktik

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Ich fühlte mich wie eine Detektivin auf der Arbeit. Konzentration war angesagt, was ich nicht wirklich hatte. Trotz allem versuchte ich mich zusammenzureißen.
Ich saß am Esstisch und starrte ununterbrochen auf das Bildschirm meines Laptops. Devran hatte sich auf der Couch bequem gemacht und durchsuchte dort die Videoaufnahmen.
Wir überprüften eine Aufnahme nach der anderen. Doch entweder war der Junge zu intelligent, dass er sein Gesicht aus keinem Winkel zeigen ließ, oder er hatte einfach Glück.

„Diese Suche ist Zeitverschwendung.", raunte Devran vor sich hin. Auf dem Notizblock in seiner Hand schien er irgendwas zu kritzeln.
„Was machst du überhaupt?", regte er mich über sein nachlässiges Verhalten auf.
„Nichts.", blickte er mich an.
„Wir haben erst die Hälfte durchgeguckt. Vielleicht werden wir-"
„Ich habe heute noch besseres zu tun.", unterbrach er mich und ließ den Block auf dem Tisch ab. Einen flüchtigen Blick warf er auf die Wanduhr.
„Ich will auch nicht den ganzen Tag an einem Ort verbringen, an dem ich unerwünscht bin!"
Rasch warf er die Braue in die Höhe, als sich meine Stimme erhöhte und er die Ernsthaftigkeit darin hörte.
„Du hattest gesagt, dass du eine weitere Idee hast, um den Jungen auf die Spur zu kommen. Wie lautet sie?", kam er auf mich zu und stützte sich mit den Händen am Tisch.
Endlich fing er an mich ernst zu nehmen.

„Wir werden mindestens eine Woche lang den Paketshop und die Gegend beobachten. Wenn der Kassierer und der Junge sich kennen, wird er möglicherweise wieder auftauchen und wir werden unsere Beute fangen.", erklärte ich.
Devran ließ die Worte auf sich wirken und löste sich von der Position.
„Wir haben wohl dieselben Gedanken. Daran dachte ich auch.", kreuzte er die Arme aufeinander. Wow, das erste Mal konnten wir uns ohne zu Streiten einigen.
„Eine Stimme in mir sagt: Geh zum Kassierer, pack ihn am Kragen und frage ihn über den Jungen aus. Weißt du? Langsam vergeht mir die Geduld."
Das könnte ich ihn durchaus zutrauen.
„Ich werde dich zwar davon abraten, aber von dir kann man alles erwarten. Mit der Taktik würden wir nie an den Jungen kommen."
„Vielleicht doch.", bog Devran zur Küche ab.

Was plante er? Wollte er das wirklich tun? Nach Luft schnappend kniff ich die Augen zu.
Was zur Hölle machte ich eigentlich hier? Wann würde der Irrsinn ein Ende finden? Halte durch Damla, du hast schon eine Entscheidung getroffen. Den Weg wirst du bis zum Ende gehen...
Mit ein Glas Wasser kam Devran zurück und nahm seinen alten Platz ein. Seine Haltung und Mimik verriet vieles über seine Stimmlage. Er war lustlos und genervt.
„Was ist dein Ziel?", konnte ich nicht mehr still bleiben.
„Was?", erhob er den Kopf.
„Du warst doch derjenige, der mir vorgeschlagen hat Demir zu suchen! Was du sagst und machst, hast nichts miteinander zutun! Du kritzelst auf Blöcken rum, starrst dumm auf den Bildschirm. Ich kann das auch zuhause allein erledigen, ganz ehrlich. Anstatt von deiner negativen Ausstrahlung überrumpelt zu werden.", stand ich abrupt auf und fing an meine Sachen zu packen. Ich kam auf 180! Mit Hoffnungen war ich hergefahren, doch fand die größte Enttäuschung.
„Hey, mit der Ruhe Damla! Okay?", sprang er von der Stelle auf und ging auf mich zu.
Ich hatte keine Nerven mehr für Devran! Es reichte mir. Der unerträgliche Devran wurde heute noch unerträglicher.

„Tut mir leid für die Störung! Wird nicht nochmal vorkommen.", gab ich gereizt von mir und klappte mein Laptop zu. Die Wut stieg immer höher. Mein Gesicht war schon bestimmt rot angelaufen, denn meine Wangen glühten.
„Damla!", packte mich Devran auf einmal an der Schulter, dass ich zusammenzuckte und automatisch in seine Richtung schaute.
Seine Blicke verrieten Wut und Verwirrung. Aus dem Nichts wurde es windstill. Zu still. Seine Autorität machte sich wieder bemerkbar. Ich wusste zwar nicht was er vorhatte und wieso er zu mir gekommen war, doch ich wusste, dass er sein Willen durchsetzen würde. Die Blicke wirkten bedrohlich und spuckten Feuer, dass ich von 180 auf 0 kam. Der Löwe in mir war verschwunden und hatte sich in eine harmlose Katze verwandelt.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt