Die Dunkelheit war schon eingekehrt, als ich die Augen öffnete. Durch ein Geräusch wurde ich wach. Das Zirpen der Grillen klang vom offenen Fenster, sowie das Bellen der Straßenhunde. Wir müssten uns an einem abgelegenen Ort befinden. Autotüren fielen zu und redende Männer liefen um das Haus. Auf irgendeiner Sprache, die mir nicht bekannt war, verständigten sie sich.
Wie viel Uhr es war, war mir unbekannt. Seit Stunden saß ich hier und wartete auf ein Zeichen. Dass ich den Männern nicht entkommen könnte, war mehr als klar. Vor allem mit verbundenen Händen und Füßen. Meine Platzangst machte alles schlimmer, als es schon war.
Im nächsten Moment schloss sich die Holztür auf und einer der Drecksmänner war zu sehen. Der jüngere, blonde kreuzte mit einer Tüte in seiner Hand auf. Er schien immerhin netter als der andere zu sein.
„Essenszeit.", deutete er auf die Tüte. Mein Hunger machte sich bemerkbar. Seit heute Morgen hatte ich nichts zu mir genommen.„Ich nehme das Band ab, aber du wirst nicht anfangen zu fluchen, verstanden? Sonst bekommst du nichts.", beugte er sich zu mir runter. Ich nickte.
„Gut.", zog er das doofe Band vor meinem Mund weg. Tief zog ich die Luft ein.
Meine Arme löste er ebenfalls auf. Selten hatte ich Unangenehmeres erlebt. Es war einer der ekligsten Gefühle gebundene Arme und Beine zu haben und nichts machen zu können.
„Könnte ich kurz auf die Toilette?"
„Wenn es sein muss."
Er packte mich am Arm und führte mich zur Toilette. Meine Beine mussten ausgetreten werden und fühlten sich taub an. Flüchtig schaute ich mich im Haus um. Es ähnelte einem Dorfhaus. Alte Möbel befanden sich im Haus. Das war wohl eine Unterkunft für illegale Geschäfte.Ich schloss die Tür ab und blieb zunächst reglos stehen.
Träge ging ich an den Waschbecken und ließ das Wasser laufen. Mein erschöpftes Gesicht machte ich nass und versuchte zu mir zu kommen. Mein Kopf fühlte sich voll und benebelt an. Durch welches Mittel ich auch immer ohnmächtig gemacht wurde, spürte ich noch die Wirkung.
Vor der Tür holte mich der junge Mann ab und brachte mich zurück in mein Zimmer.
Aus der Tüte kam Lahmacun raus.
„Ich bin aber Vegetarierin.", erlaubte ich mir einen Spaß. Blondis Blick war unbezahlbar.
„Dann hast du Pech. Denkst du, das juckt mich?"
Mein Lachen konnte ich mir nicht länger unterdrücken.
„Du hast es geglaubt!", verfiel ich in Gelächter. Eine versteifte Haltung nahm er an, als er verstand, dass er ausgetrickst wurde.Ich nahm den Lahmacun dankend an und rollte es zu einem Dürüm. Hungrig biss ich rein. Kopfschüttelnd ging er Richtung Türe.
„Warte.", kaute ich zu Ende und wandte mich ihm. Verwirrt schaute er mich an.
„Wie heißt du? Sonst muss ich dich in meinen Gedanken weiterhin Blondi nennen."
Perplex zog er die Braue zusammen.
„Birhan.", bekam ich meine Antwort.
„Okay Birhan. Cooler Name, höre ich zum ersten Mal."
Seine Mundwinkel erhoben sich. Ich nahm noch einen Bissen vom Dürüm.
„Was willst du Mädchen?", kreuzte er die Arme aufeinander und lehnte sich am Türrahmen.
„Keine Ahnung. Allein war es langweilig."
„Du willst also reden?", steckte er die Hände in die Taschen.
„Ja. Das kannst du, oder?"
Vom Ayran nahm ich einen Schluck.„Ich habe mit vielen Menschen zutun gehabt, aber jemanden wie dich, habe ich noch nie gesehen. Wieso hast du keine Angst?"
Er bemerkte nicht, dass ich ihn unbewusst in eine Konversation mit einbezogen hatte.
„Vielleicht, weil Außergesetzliches nichts mehr Neues für mich ist. Hab schon Schießereien erlebt, habe deinen Kollegen erstochen... Habe Computer gehackt.", zählte ich auf.
„Hacken?"
„Ja, ich war Devrans Hackerin. Krass, oder? Ich bin kriminell.", begann ich zu lachen. Sein Blick huschte von oben bis unten.
„Siehst nicht so aus. Aber der Schein trügt."
„Nicht wahr Birhan? Du siehst zum Beispiel auch anständig aus."
„Kommst du, wenn euer Gespräch vorbei ist?", ertönte der andere im Hintergrund.
Blondi verschwand und die Tür fiel zu.In welcher seltsamen Situation befand ich mich? Dass ich eines Tages mit den Wachen vor der Tür versuchen würde Gespräche aufzubauen, hätte ich nie gedacht. Wer weiß, was noch auf mich wartete? Mir war lachen zumute. Aus Wut fing ich an zu lachen. Tränen kamen mir hoch.
Mensch Damla, nach all den Dingen, die du erlebt hast, lebst du noch. Das ist ein Erfolg.
Auf einmal platzte Birhan rein und blickte mich bestürzt an.
„Ist hier irgendwas, dass ich nicht sehe, oder warum lachst du?"
Vor lauter Lachen konnte ich nicht antworten.
„Wurdest du von einem Dämon besetzt?"
„Womöglich.", antwortete ich und wischte mir die Tränen weg. Meine Psyche war am Arsch.
„Ist es nicht witzig, dass ich trotz allem am Leben bin?", fragte ich. Sein Blick verriet mehr als hundert Worte. Was ist mit ihr los? dachte er sich.
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Die Wunde der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIm nächsten Moment wurde ich ruckartig nach hinten gezogen und prallte gegen die harte Brust vom Unbekannten. Die Zeit schien wieder geblieben zu sein. Wie mein Herzschlag. „Ich weiß zwar nicht wer du bist... doch ich werde dich finden!", hörte ic...