24 - schwach

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Alles ging an mir vorbei. Ich war wie in Trance. Die Straßenlaternen gingen an mir vorbei. Mit müden Augen blickte ich auf die Straße.
Ziellos fuhr ihr auf den Wegen. Es fühlte sich so an, als ob ich nie ankommen würde. Der Weg verlängerte sich beinahe bei jeder Kilometeranzahl.
Mein Kopf fühlte sich benebelt an. Wie an den Tagen, als ich Stoff in mich reinzog. Nur dieses Mal war ich nicht unter Drogen.
Ich hatte ein seltsames Gefühl in mir. Das hatte schon bei der Klinik angefangen. Es wurde schlimmer, als ich bei Ferhat eintraf. Und vor allem, als ich mich an die Schießerei erinnert hatte. Und an den Mann, den ich an der Schulter erschossen hatte.
Bei Blut wird es mir übel und ich will noch Mafioso spielen? Ich war fehl an Platz. So fühlte ich mich zumindest. Ich wusste nicht, was in Zukunft aus mir passieren würde. Ich könnte es mir sogar vorstellen, dass ich irgendwann unter der Brücke landen könnte, da es nicht mehr lange war, bis ich mein Verstand verlor!

Mein Kopf fickte mich! Ich wollte mein Kopf zertrümmern und jegliche Gedanken rausreißen!
Meine Kehle schnürte sich zu. Ich war der kleine Bauer auf dem Schachbrett. Vor mir standen große Mächte. Wie sollte ich an den König kommen?
Ich war verdammt nochmal schwach! Und einsam. Ich war ein hoffnungsloser Fall.
Ich war der Krieg. Nicht der Krieger. Ich war die Gefahr nicht der Gefährdete.
Wer war ich eigentlich? Ich kannte mich selbst nicht. Ich lebte wie ein Zombie. Was ich lebte, war kein Leben. Ich lebte wie ein Gammler. Gab es überhaupt eine Person auf dieser Welt, die ich glücklich machte?

Zuhause angekommen ging es mir nicht besser. Der Schwindel hatte nachgelassen, doch die Kopfschmerzen nicht. Meine Augen brannten. Trotzdem stellte ich mich unter die Dusche und ließ kaltes Wasser auf mich prasseln. Die Tropfen fühlten sich wie Kugeln an, die versuchten meine Haut durchzudringen. Mein Kopf fühlte sich erschöpft und schwer an. Meine Augenlieder fühlten sich wie aus Blei an.
Mein Blick rutschte auf die frische Narbe an meinem linken Unterarm. Sie wurde gut vernäht und war deshalb unauffällig. Am Tag der Schießerei war das Kunstwerk entstanden.
Für den Bruchteil einer Sekunde konnte ich die Scherben meine Haut einschneiden spüren.

Auf einmal war mir Damla eingefallen. Die Narbe an ihrer Pulsader war mir vor die Augen gekommen.
Wie sehr hast du dich gehasst, um dir das angetan zu haben? hatte ich ihr gefragt. Als ich die Narbe gesehen hatte, konnte ich beinahe den Schmerz an meinem Körper spüren. Wie konnten so zarte Hände so eine tiefe Wunde verpassen? dachte ich mir nur.
Sie hasste nicht sich. Sie hasste es sich hilflos zu fühlen. Sie hasste es verletzt zu werden.
Und ich stocherte mit meinen Forderungen auf ihr schon tausend Mal zerbrochenes Herz rum.
Sie wurde als Krieger geboren. Sie war mutiger als ich es erwartet hatte. So viele Dinge hatte sie erlebt und hatte es geschafft sich ein vernünftiges Leben aufzubauen. Vielleicht, weil sie nicht in einer Mafia-Familie auf die Welt gekommen war. Doch sie hatte das geschafft, was ich nicht schaffen konnte: sie hatte ihr Leben unter Griff bekommen.

Mein Kopf fühlte sich schwerer als zuvor an. Schmerzerfüllt stützte ich mich mit den Ellenbogen an der Fliesenwand und deckte mit den Armen mein Kopf. Das Wasser prasselte meine Schultern nieder. Tief atmete ich die Luft ein. Durch jeder meiner Ader pochte Schmerz.
Es war mir zu laut. Ich brauchte Ruhe.
Das Wasser drehte ich zu und zog mich schnell um. Es dröhnte in meinen Ohren.
Als ich mich auf mein Bett legte, hoffte ich, dass ich zur Ruhe kommen würde. Doch vergeblich, nichts änderte sich.
Mir war es lange nicht mehr so schlecht gewesen. Es lag daran, dass ich in letzter Zeit kaum Schlaf abbekam. Dazu kamen noch die Sachen, die ich in letzter Zeit erlebt hatte als Extralast.
Ich rappelte mich auf und griff mit zittrigen Händen nach der Glaskaraffe auf der Kommode nebenan. In das Glas daneben schenkte ich Wasser ein und schluckte danach eine Schmerztablette runter.
Erschöpft legte ich mich zurück und schloss die Augen. Irgendwann hörte ich Siyah kommen, die sich zu mir legte und gekrault werden wollte. Wenigstens sie stand an meiner Seite. Schwach erhob ich meine Hand und fuhr über Siyahs Fell.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt