9 - Eiskalt

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18.06. , Damla
Ich erlebte die schlimmsten 28 Tage meines Lebens. Noch nie hatte ich mich für so eine lange Zeit so unsicher und hilflos gefühlt. Ich fühlte mich wie das Opfer, das vom Mörder wegrannte. Das Opfer wusste es irgendwann erwischt zu werden. Aber wann? Die Ungewissheit fraß mich innerlich auf.
Ich wurde erwischt! Während ich das Unternehmen gehackt hatte. Jemand hat mich gefunden und anstatt mich zu verpetzen, hat er mich geschont. Warum macht das jemand? Was wird auf mich zukommen? Oh Gott. Ich verlor den Verstand.

„Damla?", riss mich plötzlich eine Stimme von meinen Gedanken weg. Abrupt drehte ich mich zu der Stimme.
„Alles in Ordnung?", hörte ich Gözde daraufhin besorgt.
„Ja - ich ähm... war nur in Gedanken versunken gerade.", begann ich zu sprechen.
„Das merkt man. Du hast die Skizze falsch gemacht... Was ist los mit dir zurzeit? Du bist plötzlich so still geworden und sieht immer benommen aus. Was ist los Damla? Ich mache mir langsam Sorgen um dich.", fragte meine Freundin.
Wie sollte ich ihr den Sachverhalt erklären? Ich habe ein Unternehmen gehackt und wurde dabei erwischt?
„Ich habe wieder Probleme mit meiner Mutter.", behauptete ich.
„Schon wieder? Das ging aber nie so lange. Und du hast dir nie so einen Kopf gemacht."
„Dieses mal ist es anders. Ach, lass und bitte nicht darüber reden.", bat ich und beendete das Thema.
„Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst.", erinnerte sie mich.
„Das weiß ich Gözde. Ich will jetzt nicht darüber sprechen. Wie viel Uhr ist es überhaupt?", fragte ich.
„Viertel nach eins."
„Oh, ich muss jetzt los.", stand ich abrupt auf. Ich hatte das Zeitgefühl verloren, ich musste schon längst unterwegs sein.
„Wohin? Du weißt, dass wir nächste Woche das Projekt abgeben müssen.", wunderte sich Gözde.
„Ich habe noch eine Verabredung. Und ja, ich weiß es. Ich werde es schon pünktlich abgeben.", teilte ich mit.
„Na gut. Auf Wiedersehen.", verabschiedete sie sich und umarmte mich.
„Auf Wiedersehen!", sagte ich zuletzt und machte mit meinen Sachen fort.
Tut mir leid Gözde, dass ich dich anlüge, aber ich kann es dir nicht erklären!

Draußen ging ich mit schnellen Schritten auf mein Auto zu. Jeder Schritt fühlte sich so unsicher an.
Ich weiß zwar nicht wer du bist... doch ich werde dich finden!
Gänsehaut verbreitete sich auf meiner Haut aus. Panisch schaute ich mich um. Wurde ich vielleicht verfolgt? Wird der Unbekannte mich wirklich finden?
Hör auf Damla! Komme wieder zu dir! Bis heute ist nichts passiert.
Tief atmete ich durch und stieg in den Wagen ein.

Nachdem ich im Café eintraf, schaute ich mich kurz um. Mein Blick suchte nach ihr. Buket.
War sie schon gekommen.
In der Ferne nahm ich sie wahr. Sie winkte zu mir und stand auf. Lächelnd ging ich auf sie zu.
„Hallo Damla! Schön dich zu sehen.", empfing sie mich. Wir umarmten uns kurz und nahmen dann unsere Plätze ein.
„Es freut mich auch dich zu sehen. Seit langem sehen wir uns nicht.", öffnete ich das Gespräch.
„Ja. Ich habe zurzeit geschäftlich vieles um die Ohren... Wie geht es dir seitdem wir uns nicht mehr gesehen haben?"
„Immer noch gleich. Ich hoffe dir geht es besser wie ich."
Kurz erstarrte sie.
„Es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, dass es mir gut geht. Du weißt es am besten... Seitdem Demir weg ist, ist alles so anders.", versuchte sie in Worte zu fassen.
„So leer, stimmt's?", fügte ich hinzu. Sie nickte.

In nächsten Moment kam der Kellner. Nachdem ich mir einen Kaffee bestellt hatte, ging der Kellner wieder.
„Ich bin so verwirrt, seitdem ich Demirs Video gesehen habe.", meinte Buket. Ich hatte ihr das Video auch gezeigt.
„Ich auch. Das ist mehr als seltsam."
„Wer schickt es plötzlich? Wieso hat Demir nicht offen im Video gesagt, worum es ging? Vielleicht hätte man ihn finden können... Aber meine letzte Hoffnung hat mich auch verlassen. Im Mai wollten wir heiraten. Mein Verlobter hat nicht mal ein Grab, wo ich ihn besuchen kann!", fuhr sie mit zittriger Stimme fort. Meine Augen füllten sich langsam. Es tat Buket auch sehr weh. Sie konnte mit dem Schmerz aber besser umgehen.
„Tut mir leid. Ich wollte eigentlich nicht darüber reden.", entschuldigte sie sich.
„Alles gut... Ich habe mich schon langsam an sein Fehlen gewöhnt.", gab ich hoffnungslos von mir.
„Ich wünschte, wir könnten anders denken, aber es gibt nichts, woran wir uns festhalten können Damla... Wohin sich das Gespräch gelenkt hat. Ich wollte mich heute mit dir eigentlich etwas anderes unterhalten."
„Über was denn?", fragte ich neugierig.
„Ich möchte für zwei drei Monate ins Ausland. Ich denke, die Ferne wird mir guttun. Wenn es mir dort gefällt, werde ich wahrscheinlich umziehen.", erklärte sie plötzlich.
„Was?", gab ich schockiert von mir.
„Ich möchte eine Abwechslung machen. Ich wollte dich darüber informieren, damit du dich nicht wunderst, wenn du mich in nächster Zeit nicht erreichen kannst... Davon wissen bis jetzt nur meine Eltern Bescheid, und du jetzt."
Ich ließ die Worte auf mich wirken. Buket wird gehen? Wohin? Wieso?
„Ich habe dich gern Damla. Am Anfang dachte ich, dass wir uns nicht verstehen werden können, weil wir zwei komplett andere Menschen sind. Aber nachdem wir unsere Vorurteile beiseite gelassen haben, haben wir es gewagt uns kennenzulernen.", fuhr sie fort.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt