34 - Spiegelbild

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Devran
Mein Spiegelbild - war mir so fremd.
Ich wusste nicht, ob ich in meine leere Augen blickte, oder in die, einer fremden Person.
Lange starrte ich auf die dunkle Gestallt vor mir, die ich sein sollte.
Ich war müde, erschöpft, kraftlos, wütend; Wollte mein Herz und Gehirn rausreißen, dass die Gewissensbisse in mir endeten.
Wer war ich?
Immer wieder stellte ich mir die Frage.
Wer zur Hölle war ich!
Ich war alles, bloß nicht ich.
Ich war mir verfremdet. Wer war Devran Atahan? Mitglied einer Mafia? Ein gebrochner kleiner Junge? Ein Zerstörer?
Es tat mir weh zu sehen, in was ich mich verändert hatte. Diese Stadt hatte es wieder geschafft, mich zu zerstören. Ich war selbst schuld! Ich habe mich bewusst für den Weg entschieden, weil ich dachte, dass ich sowieso nichts zu verlieren habe.

Aber eins besaß ich noch: mein Verstand. Mein Herz war noch mit allen Sinnen da. Ich konnte meine Gefühle nicht mehr kontrollieren und das raubte mir die Kräfte.
Ich fing an zu lieben. Ich realisierte, wie sehr ich doch meine Familie liebte und wie wichtig sie mir waren. Sogar Serkan war mir an's Herz gewachsen. Ich fing an zu lieben und das machte mich kaputt. Jahrelang hatte ich mich der Liebe distanziert, weil ich wusste, dass sie wehtat.
Ich wusste nicht einmal richtig, was Liebe war. Und das machte mich gefährlich. Für Menschen, die mir bedeuteten, sah ich schwarz. Ich zerstörte für die Liebe, obwohl Liebe Frieden bedeutete.

Schmerzerfüllt kniff ich die Augen zu.
Eine Träne lief mein Gesicht runter.
Was wird dir der Mörder deines Vaters bringen? Wird dein Vater dadurch kommen? Nein. Lass den traumatisierten Devran endlich in der Vergangenheit und bau dir ein gescheites Leben auf!
Damlas Worte fielen mir ein. Ich konnte selbst nicht antworten, was der Mörder meines Vaters mir bringen würde. Ich wollte einfach, dass der Schmerz und die Sehnsucht endete. Dabei wusste ich ganz gut, dass der Tod des Mörders mir nichts bringen würde. Ich wollte mich nur rächen, für den Schmerz der Jahre.
Ich hatte es nicht geschafft den traumatisierten Devran in der Vergangenheit zu lassen. Mein Leben näherte dem Abgrund.

Wäre mein Vater stolz auf mich gewesen, wenn er mich heute so gesehen hätte?
Nein. Er hätte mir Ratschläge gegeben und mir geholfen! Er hätte mir gesagt: kläre deine Angelegenheiten gerecht auf. Er dachte immer zehn Schritte im Voraus. Ich war blind und achtlos geworden. So würde mich mein Vater nicht sehen wollen. Meine Mutter auch nicht. Wenn ich schon gekommen war, um meine Familie zu unterstützen, dann musste ich auch wie ein wahrer Atahan handeln!
Ich musste den traurigen kleinen Jungen hinter mir lassen und Mann werden!
Wach endlich auf Devran! Dieses Mal, darfst du nicht alles vermasseln. Hör auf, alles kaputt zu machen!

Der Zorn in mir stieg und stieg. Ich war wütend auf mich.
Was heute passiert war, durfte nicht passiert sein! Ich hatte versagt!
Enttäuscht erhob ich den Kopf und blickte mein Spiegelbild an. Ich hatte versagt! Irgendwas machte ich falsch. Ich spürte großen Hass auf mich selbst.
Im nächsten Moment erhob ich meine Faust und schlug hasserfüllt gegen mein Spiegelbild.
Ich hasste mich! Ich hasste meine Schwächen! Ich hasste es ein Zerstörer zu sein.
Als Blut runterfloss, realisierte ich, was ich angestellt hatte. Wie sehr hast du dich gehasst, um dich zu verletzen?, fiel mir meine Frage zu Damla ein.
Mein Gesicht wurde auf hunderte Kleinteile des Spiegels gespiegelt. Blut klebte an meinem Spiegelbild. Entsetzt schaute ich mich an. Als ob nicht ich den Spiegel durchbrochen hätte, sondern ein anderer.

„Abi!", platze im nächsten Moment Yaman in mein Zimmer rein, der wohl den Krach mitbekommen hatte.
Als er mich zu Gesicht bekam, fand ihn die Pure Enttäuschung. Dass ich mich mehr allein wohnte, hatte ich vergessen. Yaman wurde bestimmt vom Schlaf entrissen. Es war Mitternacht.
„Was - Was hast du gemacht!", löste er sich aus der Starre und schnappte ein Handtuch von der Wand. Sofort wickelte er es mir um die rechte Hand und stoppte die Blutung. Mir wurde es schlecht, als ich die dunklen Tropfen auf dem Boden sah. Der Schmerz machte sich jetzt bemerkbar, meine Hand war wie gelähmt. Die Knöchel pochten vor Schmerz.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt