In fremden Häusern konnte ich nicht schlafen. Es war schon immer so gewesen und es wird auch immer so sein. Sogar bei Freunden fiel es mir schwer. Die Nacht verging kurz. Immer wieder war ich aufgewacht. Zudem saß der Schock noch in mir. Sobald ich die Augen schloss, sah ich den leidenden maskierten Mann vor mir. Es war grausam.
Für einen Moment vermutete ich sogar in der Dunkelheit Devran gesehen zu haben. Halluzinationen müsste ich haben. Womöglich habe ich davon geträumt, dass Devran in der Nacht zu mir gekommen war und etwas vor sich genuschelt hat. Was soll er sonst in meinem Zimmer suchen?
Irgendwann klang der Gebetsruf des Morgengebets in der Stadt und ich lauschte dem mich beruhigenden Ruf. Danach wurde es in kürze hell.Richtung 6 Uhr löste ich mich aus der Qual und ging ins Badezimmer. Windstille herrschte im Flur. Besser gesagt im ganzen Haus. Ich musste daran gewöhnt sein, da es bei mir zuhause nicht anders war. Aber die Stille in Devrans Haus war betäubend. Sie war entspannend, aber zugleich beängstigend. Zu wissen, dass er sich hier irgendwo aufhielt, war ein seltsames Gefühl. Ich fühlte mich hier sicher, auch wie sehr ich es verleugnete. Devrans Worte gaben mir Halt. Ich wusste, dass mir nichts passieren könnte, solange er bei mir war.
Ich traute mich aus dem Zimmer raus und schlich mich ins große Wohnzimmer. Krähen waren zu hören, Vögel zwitscherten. Die Morgensonne schien grell am Himmel und weckte die Stadt. Mit vorsichtigen Schritten ging ich im Haus herum.
Während ich dachte, dass ich die einzige Frühaufsteherin im Haus war, täuschte ich mich. Denn Devran war mit Blick zur Aussicht auf dem Garten zu sehen.
Als ob er meine Anwesenheit gefühlt hätte, drehte er sich im nächsten Moment um und erblickte mich. Für einige Sekunden änderte sich nichts an der Situation. Wie verwurzelt, rührte sich keiner vom Fleck.Dann setzte ich mich in Bewegung und schob die Glastür zur Seite. Eine erfrischende kühle umhüllte mich. Ein zarter Wind wehte an mir vorbei, dass mich die Strähnen kitzelten. Mit der Hand strich ich sie zur Seite.
„Auch schlecht geschlafen?", unterbrach Devran die Stille.
„Ja. Bist du ein Frühaufsteher?", antwortete ich ihn anschauend.
„Immer. Ich bin dazu gezwungen.", wandte er sich mir. Devrans Gesichtsausdruck wirkte heute gelassener. Er schien sich beruhigt zu haben, dass wir normal miteinander kommunizieren konnten.
„Wieso?"„Willst du ein Geheimnis von mir erfahren?", meinte er auf einmal.
„Welches Geheimnis?"
„Ich sehe so gut wie jede Nacht Albträume und schlafe ziemlich schlecht.", konfrontierte er mich mit der traurigen Wahrheit. Seine Offenheit zog mich in einen Bann. Wer weiß, welche Geheimnisse sich noch in Devran verbargen?
„Seit wann? Und warum?", überkam mich eine Neugier.
„Ich weiß nicht. Zu lange ist es her.", rieb er sich müde über die Augen.
„Wie kommst du damit klar? Ich verwandle mich in ein Zombie, wenn ich nicht genügend Schlaf bekomme."
Schlaflosigkeit war grausam. Dagegen konnte ich nicht kämpfen. In den Vorlesungen in der Uni schlief ich oft ein.
„Mann kann damit leben. Siehe mich an.", deutete er auf sich selbst mit schwachem Lächeln. Er wirkte immer schwächer mit der Zeit. Seine Kräfte schienen ihn auch langsam zu verlassen. Gott weiß, wovon seine Schlaflosigkeit abhing. Ich nehme an aufgrund von Stress.„Wirst du von nun an hier wohnen?"
„Mein Haus wurde schon renoviert, aber momentan halte ich mich hier auf."
„Gefällt es dir hier?"
„Könnte man sagen."
Das klang nicht überzeugend.
„Weißt du, was mir aufgefallen ist?", wandte ich mich ihm.
„Was?", schaute er mich an.
„Hier gibt nichts Persönliches von dir. Daher wirkt es kalt und unbelebt... Und weißt du? Eine Familie macht ein Haus zu einem Haus. Sie verleiht den Räumen Wärme und Aufrichtigkeit."
Beeindruckt und Überrascht wurde ich angeguckt.„Ich habe nicht vor hier lange zu bleiben."
„Wirst du dich irgendwann aus dieser Stadt verziehen?", schlussfolgerte ich.
„Womöglich. Diese Stadt weckt Unbehagen und Trauer in mir... Und sowohl habe ich eine Familie. Nur lebe ich getrennt von ihnen. Eigentlich habe ich eine warmherzige Familie, auch wenn es zwischendurch Probleme gibt. Mein Onkel hat mich nach dem Tod meines Vaters aufgenommen. Hätte er uns nicht geliebt, hätte er das nie getan. Taner, mein Bruder habe ich.. Meine Oma hat in den Jahren, in denen ich Weg war, sich um mein Zimmer gekümmert, als ob sie wüsste, dass ich einiges Tages kommen würde... Eigentlich dürfte ich mich gar nicht so allein fühlen, wie ich es innerlich behaupte.", erzählte er mir auf einmal aus seinem Leben. Seit wann sprach Devran freiwillig über sein Leben? Es wunderte mich. Es war ein Zeichen dafür, dass er mir vertraute.
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Die Wunde der Vergangenheit
Mystery / ThrillerIm nächsten Moment wurde ich ruckartig nach hinten gezogen und prallte gegen die harte Brust vom Unbekannten. Die Zeit schien wieder geblieben zu sein. Wie mein Herzschlag. „Ich weiß zwar nicht wer du bist... doch ich werde dich finden!", hörte ic...