54 - Stalker

2K 110 39
                                    

Die Unruhe in mir verging nicht.
Mein Kopf war beim anonymen Anruf hängen geblieben. Hunderte Szenarien stürmten durch mein Kopf. Ich konnte mir nicht sicher sein, ob es sich um eine Falle, oder eine Hilfe handelte.
Wieso wurde ausgerechnet ich angerufen und nicht jemand anderes? Woher wusste er außerdem, dass ich Mansur Bahtiyar suchte? Es könnte jemand sein, den ich bereits kannte. Wir beide wollen dasselbe, hatte er gesagt. Also wollte der Anrufer auch den Untergang Bahtiyars. Man sagt nicht umsonst der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Heute war absolut nicht der passende Tag für anonyme Spielchen. Am Tag von Kerims Hochzeit wollte ich keine Verwirrung verbreiten. Morgen sollte ich am liebsten darüber mit Onkel Kadir reden.

Das Klopfen der Türe riss mich von meinen Gedanken weg.
Die Sicht vom Spiegelbild lösend, drehte mich zur Tür. Yaman trat rein und musterte mich von oben bis unten an.
„Bist du schon fertig? Wir müssen los.", erinnerte er mich.
„Ja, gleich.", gab ich Bescheid und Knöpfte die Manschetten zu.
„Wen willst du heute klarmachen?", fragte Yaman auf einmal und grinste frech.
„Niemanden. Wieso?", blickte ich ihn verwirrt an.
„Ja ja. Du siehst heute anders gut aus. Besser als ich auf jeden Fall."
„Ich sehe wie immer aus."
„Nein nein. Also abi, heute endet deine Einsamkeit. Du wirst heute sicherlich eine finden.", hatte Yaman wieder Fantasien.
„Was laberst du schon wieder? Ich suche nach niemanden.", vergewisserte ich.
„Dann liegt es daran, dass du schon verliebt bist."
„Yaman.", warnte ich ihn. Ich war sowieso genervt.
„Ich sage nur die Wahrheit. Siehst du diese Augen?", zeigte er auf sein Augenpaar.
„Sie kennen dich zu gut. In letzter Zeit ist mir Einiges aufgefallen. Mich kannst du nicht verarschen.", drängte er mich weiterhin mit dem Thema ein. Innerlich bat ich nach Geduld.

In Kürze war ich fertig und wir gingen los. Ich fuhr und Yaman war Beifahrer.
„Wie geht es übrigens Damla? Vorgestern bist du hektisch losgegangen, weil sie im Krankenhaus lag.", fragte Yaman auf einmal nach. Sofort kam mir Umarmung vor die Augen.
„Keine Ahnung. Ich denke, ihr geht es besser. Sie hatte eine Panikattacke."
„Was? Eine Panikattacke? Oh Mann... Rufe sie doch an und frag nach, ob es ihr besser geht. Das ist nichts harmloses.", machte er sich Sorgen.
„Es wäre besser, wenn ich sie nicht anrufe. Wieso ist sie dir außerdem so wichtig?", wandte ich mich zu Yaman. War sie ihm an's Herz gewachsen? Wieso kümmerte er sich um sie?

Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, wie ich mit Damla reden sollte, nachdem ich sie so fest und gefühlvoll umarmt hatte. Was dachte sie über mich? Mit den Fehlern der Vergangenheit, hatte ich ihr das Herz gebrochen. Sie wollte mich bestimmt nicht sehen wollen. Ich würde auch gerne wissen wie es ihr ging, doch ich brachte es nicht über's Herz sie anzurufen. Die Distanz war das beste für uns.
„Was hast du gegen sie? Damla ist doch eine ganz nette Person. Immer, wenn es um sie geht, verkrampfst du."
Seufzend atmete ich aus.
„Du nervst mich schon wieder.", ließ ich ihn wissen.
„Entweder hasst du Damla, oder ganz im Gegenteil-"
„Yaman! Das Thema ist hiermit abgeschlossen.", funkelte ich ihn an. Diese Vermutungen ging mir auf die Nerven! Damla ist nur meine Komplizin. Nichts weiteres...

Nach einer längeren Fahrt trafen wir bei der Location für die Hochzeitsfeier ein. Sie wurde im Freien stattfinden. Man hatte eine schöne Aussicht auf das Meer. Etwa in 100 Meter Entfernung war das Ufer.
Wir warteten noch auf Öykü, die gleich kommen würde. Sie schrieb uns, dass sie im Stau steckte und sich etwas verspäten würde.
„Ich komme gleich.", gab ich Yaman bescheid und ging Richtung Ufer. Auf dem Weg machte ich mir eine Kippe an.
Der obersten Knopf meines Hemdes drängte mich auf einmal. Ich öffnete es, doch bemerkte, dass das erwürgende Gefühl nicht davon kam, sondern vom Inneren. Das passierte mir immer, wenn ich versuchte Gefühle zu unterdrücken. Der anonyme Anrufer schwirrte noch in meinem Hinterkopf. Doch das war nicht meine einzige Sorge. Ich hatte zu viele Gedanken im Kopf und musste zur Ruhe kommen.
Lieber Gott, hilf mir.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt