83 - scheiternder Kampf der Gefühle

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Mit einer Tasche in der Hand verließ ich das Haus. Alle Verbote waren mir in Moment egal.
Ich wollte nur weg. Freiraum brauchte ich. Zeit und Ruhe zum Denken brauchte ich.
Der Griff um die Tasche wurde immer fester. In der Schnelle hatte ich das eingepackt, was mir als erstes entgegenkam.
Die Wachmänner vor der Tür warfen mir spöttische Blicke zu.
„Wohin Frau Damla?", wurde mir nachgerufen. Ich zeigte keine Reaktion.
„Gib mir den Schlüssel.", deutete ich auf die C-Klasse.
„Weiß Herr Devran davon-"
„Gib mir den Schlüssel, habe ich gesagt!", unterbrach ich ihn abrupt. Es war mir so was von egal, ob ich Henkers Erlaubnis hatte, oder nicht. Ersin, der die Diskussion mitverfolgt hatte, kam auf uns zu.

„Was passiert hier?", fragte er in die Runde. Er hatte mir noch gefehlt.
„Frau Damla will raus! Wir alle werden Ärger bekommen."
„Entweder gibt ihr mir den Schlüssel, oder ich bekomme es auf die harte Tour.", holte ich die Pistole aus meiner Tasche heraus.
„Hey Damla, nimm sie runter.", bat Ersin.
„Bevor ich jeden von euch erschieße, gibt ihr mir den Schlüssel. Oder ich knalle mich selbst ab? Wie wäre diese Idee?", richtete ich die Knarre auf mich. Welches Theater ich vorspielte, war mir nicht klar. Ich musste verrückt sein! Das hatte ich Devran zu verdanken.
„Auf keinen Fall! Nimm die Pistole runter!", trat mir Ersin näher, doch ich wich aus.
„Erst der Schlüssel.", forderte ich und hielt die flache Hand entgegen. Mein Theater bewirkte ein Wunder und ich bekam den verdammten Schlüssel.

„Wenn Devran nach mir fragt, könnt ihr sagen, dass mir seine Meinung scheißegal ist. Gibt es Wort wörtlich wieder. Verpetzt mich ruhig. Anders werde ich es von euch nicht erwarten.", stieg ich in den Wagen ein und raste los. Verwunderte Gesichter ließ ich zurück. Ein Monster kam aus mir heraus, denn mein Herz schmerzte.
Wie schnell ich fuhr, war mir egal. Ich wollte nur weg. Am liebsten würde ich in eine andere Stadt fliehen. Ich wollte in den Meeresgrund sinken. Vielleicht würde sich dann das Feuer in mir löschen.
Ungewollt verlor ich Tränen. Bleibe stark Damla.

Das Boxtraining, dass ich lange vernachlässigt hatte, frischte ich auf. So eisern und hart waren meine Hiebe, dass irgendwann meine Knöchel begannen wehzutun. Ich hörte nicht auf. Ich wollte nicht aufhören, bis die Frust in mir verschwand.
Kurz unterbrach ich das Training, atmete tief durch und schloss die Augen. Außer Atem war ich.
Egal was ich machte, die Wut und Trauer verging nicht. Schluchzer verstauten sich in meiner Kehle. Mit aller Kraft verdrängte ich sie.
Devran will gehen? Dann soll er gehen! Ich wusste schon immer, dass ich nicht in sein Leben passte! Er konnte Egoistisch sein und seine einsichtslose Seite machte mich fertig. Er sollte sich entscheiden, welchen Weg er nehmen wollte. Wie eine Marionette spielte er mit mir, während er zwischen den Gedanken hin und herriss.
Ich naive Damla, ließ mich noch von seinen Aufschrieben beeindrucken. Siehe endlich in Devrans wahre Gesicht! Er wollte nie in dieser Stadt bleiben. Soll ich ihn aufhalten können? Ich, die Damla, die sich mit ihm bekriegte? Niemals würde mir das gelingen.

„Damla?", tauchte unerwartet eine Gestalt auf. Verwundert löste ich mich vom Boxsack. Ich wusste nicht, wie froh ich war Umut zu erblicken. Besorgnis zeichnete sein Gesicht aus.
„Umut!"
Sehnsüchtig nahm ich ihn in meine Arme, sowie er mich. Er kam wie gerufen. Umut war derjenige, den ich brauchte.
„Ich habe dich vermisst. Es ist so schön dich zu sehen.", musterte er mich von oben bis unten an.
„Ich dich auch Umut!"
„Was machst du hier? Ich dachte, der Verrückte hält dich zuhause auf?"
Umuts Abneigung gegenüber Devran stand nach wie vor aufrecht.
„Rede nicht von ihn! Ich bin aus dem Gefängnis geflohen.", gab ich Bescheid. Seine ganze Körperhaltung verkrampfte.
„Ich habe dich lange nicht mehr so wütend gesehen. Ist alles in Ordnung? Hat er dir etwas angetan?", fielen ihm schlimme Dinge ein. Flammen entfachten sich in seinen Augen. Ich schüttelte den Kopf.
„Er hat mir nichts angetan. Beruhige dich."
„Was ist bloß aus dir geworden? So warst du nicht.", bezweifelte Umut.
„Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht mehr weiter!", begann meine Stimme zu zittern. Mitfühlend strich er mich am Arm. Ein Lächeln ging mir auf. Umuts Unterstützung stärkte mich. Trotz dessen war mir weinen zumute. Ich wollte keine Schwäche zeigen. Ich war eine starke junge Frau. Diese schwierige Phase werde ich auch überwinden.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt