96 - der große Schritt

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Eine Hand, die wiederholt durch meine Haare und über meinen Rücken fuhr, nahm ich wahr. Erste Sonnenstrahlen ließen sich zeigen. Langsam öffnete ich die Augen und blickte in den Raum.
„Guten Morgen.", hörte ich Devrans raue Stimme. Wie immer war er der frühere Vogel. Einmal sagte er mir sogar, dass er im Bett bleib und mich beobachtete, wenn ich noch schlief. Der Anblick solle ihn beruhigen.
Auf meinen Nacken drückte er einen hauchzarten Kuss, sodass ich lachend zusammenzuckte.

„Ich bin kitzelig!"
„Wirklich?", fragte er und seine Hand an meiner Taille begann mich zu kitzeln.
„Devran!", kreischte ich erschrocken. So wollte ich nicht aufgeweckt werden. Er war kein bisschen kitzelig, weswegen ich mich auch nicht rächen konnte. Mir bleib nur die Flucht übrig. Ich sprang vom Bett auf und warf meinen Kissen auf Devran, der genau seinen Kopf traf.
„Oh warte! Das war ein großer Fehler!", mahnte er mich auf und begann mich zu jagen. Super! Jetzt habe ich ein Problem. Ohne länger zu zögern, rannte ich aus dem Zimmer raus.

Die Treppe ratterte ich runter. Devrans Schritte dicht hinter mir zu hören, stresste mich schon genug. Am frühen Morgen konnte ich Sport nicht gebrauchen.
Eher ich weit kam, umschlangen sich Devrans Arme um meinen Oberkörper, und ich wurde außer Gefecht gesetzt.
„Keine Bewegung! Oder es wird Sie Kopf und Kragen kosten Madam!", inszenierte er eine Festnahme.
„Ach ja?"
Ich zappelte, doch Officer Devran ließ nicht locker. Gegen seine Kraft konnte ich nicht standhalten. Dann fiel mir etwas ein. Mit den Tricks, die mir Devran beigebracht hatte, erlöste ich mich innerhalb wenigen Schritten.

„Hey! Diese Tricks darfst du nicht gegen mich anwenden!"
„Tja, zu spät.", gab ich schadenfroh von mir. Ruckzuck wirbelte mich Devran nach hinten, dass ich das Gleichgewicht verlor und auf die Couch prallte. Abrupt wurden meine Handgelenke festgehalten. Nun wurde ich wirklich machtlos außer Gefecht gesetzt. Devrans Körper schwebte über meinem. Ein süffisantes Grinsen ging ihm auf.
„Denkst du, du entkommst mir?", fragte er provokant. Die kleine Jagd hatte mich etwas außer Puste gebracht.
„Ein Versuch war es wert!"
„Ein guter Krieger weiß wann die Schlacht verloren ist.", zitierte Devran. Dann war ich ein schlechter Krieger...

Sekunden verstrichen und niemand rührte sich vom Fleck.
„Willst du mich loslassen?"
„Gleich", antwortete Devran und seine Blicke trennten sich von meinen Augen. Ich ahnte, was der Preis meiner Erlösung sein würde. Einen Kuss gab er mir und währenddessen lockerten sich seine Griffe. Die Haare aus meinem Gesicht strich er zur Seite. Seine Fingerspitzen umfuhren meine Gesichtskonturen. Wie sehr mich Devran vermisst haben müsste. Wie verzaubert sah er mich an.

„Ich dachte, ich hätte eine Nikotinsucht. Aber was machen wir mit meiner Sucht nach dir?", fragte Devran auf einmal. Verzückt erstarrte ich. Wie konnte er immer wieder aufs Neue beeindruckende Sprüche finden? Ich war sprachlos. Auf die Schnelle fiel mir keine Antwort ein.
„Sei nicht so charmant. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll.", brachte er mich in Verlegenheit. Lachend fuhr sich Devran über den Hinterkopf.
„So bin ich eben."

Wir machten uns fertig und nahmen am Frühstückstisch Platz. Devran den Tisch vorbereitet und er hatte definitiv ein Händchen dafür.
„Was hast du heute vor?", blickte ich auf Devran.
Kurz legte er eine Denkpause ein.
„Ich muss an den Hafen und einige Aufgaben erledigen, dann gibt es eine Besprechung mit dem Botschafter aus dem Verbund. Richtung 15 Uhr werde ich Zeit haben."
„Es ist Samstag, Devran.", erinnerte ich ihn.
„Damla, du weißt, dass ich keine festen Arbeitszeiten habe."
Leider. Warum konnte er keinen gewöhnlichen Job haben? Seufzend verdrehte ich die Augen.

„Tu nicht so. Deine Unterstützung werde ich in nächster Zeit am meisten brauchen. Es dauert nicht mehr lange, bis es zwischen mir und meiner Familie knallt.", lehnte sich Devran missfallen zurück. Dachte er wirklich, ich würde ihn den Rücken kehren?
„Natürlich werde ich dich unterstützen!", vergewisserte ich und umklammerte seine Hand. Devrans Zweifel konnte ich bedenkenlos nachvollziehen. Das ganze Drama mit seiner Familie war belastend.
„Ich werde dich nicht allein dort hingehen lassen.", sicherte ich und stand auf. Von hinten umarmte ich Devran und drückte ein Kuss auf seine Wange.
„Alles wird gut.", versprach ich.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt