61 - graue Wolken

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In meinem Kopf schwirrten tausende Gedanken rum, dass ich nicht zur Ruhe kommen konnte. Das Gespräch mit Devran kreiste in meinen Kopf.
Meine Mutter hat das erste Mal Einsatz für mich gezeigt. Sie hat Devran gedroht, aus Angst mich zu verlieren. Wie das passieren konnte, war noch ein Rätsel für mich. Ich war mehr als überrascht.
Als ich nachhause gekommen war, hatte ich sofort nach meiner Mutter geguckt, doch sie war nicht zu finden. Und erreichbar schien sie auch nicht zu sein. Liebe quoll aus mir raus. Ich wollte sie umarmen und küssen. Meine Mutter liebt mich! Wie konnte sie das all die Jahre verheimlichen und wieso hat sie mir das angetan? Wieso hat sie mich als Kind vernachlässigt und mir dabei große Lücken hinterlassen?
Ich wollte Antworten hören.

Gedankenversunken verließ ich mein Zimmer und ging in die Küche. Langsam verspürte ich Hunger.
Während ich mein Essen zubereitete, betrat Volkan den Raum. Beschäftigt tippte er etwas im Handy ein. Er schien mitten in einer wichtigen Konversation zu sein. Genervt legte er das Handy weg und holte sich ein Teller aus dem Schrank raus.
Innerhalb von Sekunden empfingen ihn mehrere Nachrichten. Es sah mehr nach einem Streit aus.
„Alles okay?", suchte ich nach Volkans Aufmerksamkeit.
„Ach, du bist auch da.", schaute er zu mir hinauf. Er nahm sein Handy erneut in die Hand und tippte weiter.
„Warum müsst ihr Frauen immer so kompliziert sein?", raunte er vor sich hin.
„Warum brauchen Männer immer so lang um Frauen zu verstehen?", stellte ich eine Gegenfrage. Er stritt wohl mit seiner Freundin.
Gegenüber mir nahm er Platz und begann zu essen. Das Klingeln hörte nicht auf und störte ziemlich.

„Kannst du auf Stumm schalten?", schaute ich zu Volkan.
„Gute Idee.", griff er nach seinem Handy und schaltete den Ton aus. Seufzend schloss er die Augen zu und massierte sich an der Schläfe.
„Kann ich dir was vorschlagen?", legte ich die Gabel zur Seite und trat ein Stückchen vor.
„Was?", gab er trotzig von sich.
„Klärt Streitigkeiten am besten Gesicht zu Gesicht ab und nicht am Handy."
„Ach wirklich?"
Anscheinend war es doch keine gute Idee ihn anzusprechen.
„Mach was du willst, mir egal.", beendete ich das Gespräch und aß weiter.
„Sie schreibt mir noch. Was versteht sie nicht?", öffnete Volkan fassungslos den Chat.
Kommentarlos verließ ich nach dem Essen mein Platz und räumte mein Geschirr ein.

„Was ist los?", ging ich der Sache nach.
„Diese Frau regt mich auf. Nur weil wir uns einige Male getroffen haben, denkt sie, dass ich verliebt wäre und will mich nicht lassen. Ich hätte ihr anscheinend Hoffnungen gemacht und jetzt eskaliert es richtig. Ich habe keine Zeit für so etwas!"
„Die Arme. Sie kennt dich noch nicht. Sie weiß nicht, dass du in Wirklichkeit nichts von ernsten Beziehungen hältst. Wenn du dich mit Frauen mehrmals triffst, sollst du auch davon ausgehen, dass sie sich Hoffnungen machen. Man trifft sich nicht aus Spaß Volkan.", lehnte ich mich an der Kante des Küchentresens. Es erinnerte mich an meine gescheiterte Beziehung mit Görkem.
„Ich blockiere sie einfach und die Sache ist abgeschlossen."
Ein Mann hält sich an seine Worte, fielen mir Devrans Worte ein. Das traf definitiv nicht auf Volkan zu.
„Willst du sie wie ein Jugendlicher blockieren? Klärst du so deine Probleme ab? Triff dich persönlich mit ihr und entschuldige dich. Sage ihr, dass du keine Beziehung mit ihr eingehen wirst und beendete damit die Sache.", schlug ich vor.
„So was würde ich nie tun.", sicherte er. Volkan und sein Ego waren unmöglich.
„Was stört dich an ihr?"
Nachdenklich kratzte er sich am Hinterkopf.
„Keine Ahnung. Es klappt einfach nicht."
„Du hast eine Bindungsangst und weichst jeder Beziehung aus. Dazu denkst du immer, dass du etwas Besseres verdient hättest. Das ist dein Problem.", tauschte ich letzten Worte aus, bevor ich die Küche verließ. Volkans Gelache folgte. Lach ruhig weiter, irgendwann wirst du um jemanden weinen.

In meinem Zimmer angekommen, sah ich, dass ich einen Anruf von Umut bekommen hatte und rief ihn zurück. Seine Stimme klang gekränkt und bedrückt am Hörer. Ich fühlte, dass etwas Ungutes passiert war. Umut wollte sich kurz mit mir treffen. Eilig machte ich mich auf den Weg.
An der Strandpromenade trafen wir uns.
Als Umut mich wahrnahm, zogen sich seine Mundwinkel in die Höhe. Aber er sah total müde aus.
„Hey Damla.", begrüßte er mich.
„Ich bin so schnell gekommen, wie ich konnte. Was ist passiert?"
Stumm fixierte sich sein Blick auf ein Punkt in der Ferne.
„Ich stecke in Schwierigkeiten Damla und vielleicht werden wir uns heute das letzte Mal sehen..."
Schwer schluckte ich.
„Wovon sprichst du?"
Umut fing an die Geschichte zu erzählen und mein Herz zog sich beim Zuhören zusammen.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt