35 - wertlos

2.3K 95 41
                                    

Nachdem Meeting mit den Russen machte ich mich wieder fort vom Hafen. Im Auto eingestiegen, rief ich Ferhat an. Nachdem es ein paar mal piepte, nahm er ab.
„Hallo Devran. Lang nichts mehr von dir gehört."
„Ist wieder Zeit etwas von mir zu hören. Hast du Zeit?", kam ich gleich ins Wesentliche.
„Hört sich dringend an. Ich bin gerade im Homeoffice. Komm vorbei, die Adresse kennst du ja."
„Ich bin auf dem Weg.", gab ich Bescheid und legte auf. Es war etwas Notwendiges. Wir mussten reden.

In einer knappen halben Stunde traf ich vor Ferhats Haus ein. Ein Wachmann führte mich zu Ferhats Büro. Das Zimmer war wie ein Wintergarten aufgebaut. Die Hälfte der Decke und die Wand hinter dem Schreibtisch war aus Glas. Ein Bücherregal stand links an der Wand. Das Zimmer bestand größtenteils aus massivem Holz und war dunkel eingerichtet.
„Setz dich Devran. Willst du etwas zu Trinken?", bot mir Ferhat an, nachdem ich das Zimmer betretet hatte.
„Nein, danke. Ich werde nicht lange bleiben. Es gibt ein notwendiges Problem, das wir klären müssen."
„Um was geht es?"
„Ich würde überfallen Ferhat.", erklärte ich. Rasch schaute er mich an.
„Wann? Von wem?", gab er verwirrt von sich.
„Am Montag. Und ich weiß auch, wer es ist... Als wir vor einigen Tagen den Vertrag mit den Libanesen abgeschlossen hatten, hatten nur wir, Koray, Ismet und Yasir Özden am Meeting teilgenommen. Nur wir fünf wussten von der Waffenlieferung. Am Montag sollte das Geld mit einem Transporter nach Beirut gehen, aber auf dem Weg wurde der Transporter überfallen! Das bedeutet, dass einer am Tisch ein Spion war. Das müsste Yasir gewesen sein! Oder denkst du, dass es jemand anderes ist?"

Bestürzt schaute Ferhat mich an.
„Das kann nicht sein! Yasir ist seit Jahren in unserem Verbund."
„Dann war es jemand anderes Ferhat! Eine andere logische Lösung fällt mir nicht ein."
Nachdenklich stand er auf und fuhr über den Bart.
„Du sagst, es war Yasir also?", fragte er und schenkte sich ein Glas Wasser ein.
„Kannst du es den anderen zutrauen?", gab ich provokant von mir.
„Nein! Koray und Ismet können es nicht sein.", stritt er ab und trank den Glas in zwei Zügen leer.
„Ich werde der Sache näher auf den Grund gehen."
„In unserem Verbund könnten noch weitere Spione geben. Wir sind nicht mehr sicher Ferhat.", schlussfolgerte ich und stand auf.
„Ja, mit der richtigen Summe kann man jeden Hintermann kaufen. Ich werde heute mit Koray und Ismet reden. Zelal sollte auch davon wissen."
Ich nickte. Nach dem Gespräch machte ich mich wieder fort.

Eine Unbekannte Nummer rief mich an, nachdem ich losfuhr. Verwirrt blickte ich auf den Bildschirm und ging ran. Der Anrufer wird sich gleich herausstellen.
„Hallo?", kam misstrauisch von mir.
„Hallo junger Mann. Ich bin es Devran, Zelal.", ertönte die Frauenstimme am Hörer.
„Zelal? Du überraschst mich."
„Ich erwarte dich zu mir nachhause. Die Adresse schicke ich dir.", lud sie mich ein.
„Gibt es einen Anlass für die Einladung?"
„Ich lade niemanden zu mir nachhause ein, normalerweise werde ich angerufen.", waren ihre letzten Worte, bevor sie auflegte.
Sollte das heißen, dass es jetzt etwas unnormales gab? Hörte sich so an. Ihre Offenheit war bewundernswert.
Dann gehen wir zu Zelal und erfahren was ihr Anliegen ist.

Die Adresse, die mir geschickt wurde, führte zu einer luxuriösen Villa. Etwas Anderes hatte ich mir auch nicht vorgestellt. Sie hatte die Geschäfte ihres Vaters übernommen.
Das Eingangstor wurde geöffnet und ich fuhr in den Hof ein.
Vor der Tür wurde ich kontrolliert und musste meine Pistole abgeben. Die Haustür wurde mir von einer Haushelferin geöffnet. Sie richtete mir aus, dass Zelal im Wohnzimmer auf mich wartete und verschwand wieder.
Opernmusik war zu hören. Wie es scheint, hörte die Dame gerne Opernmusik. Der Boden bestand aus hellem Fliesen. Designerware schmückten das Wohnzimmer. Exzentrische Skulpturen waren aufgestellt. Mit der Hintergrundmusik hatte alles eine andere Wirkung.
Auf der Terrasse erblickte ich Zelal, die sich mit gedrehten Rücken der Aussicht gewidmet hatte.

„Schöne Aussicht, oder?", fing sie an zu sprechen, als sie mich kommen hörte.
„Ja, man könnte hier stundenlang stehen.", stimmte ich ihr zu und steckte die Hände in die Hosentaschen. Im Garten war ein großer Pool zu sehen.
„Du fragst dich sicherlich, weshalb ich dich gerufen habe.", wandte sie sich zu mir.
„Genau. Die Einladung kam unerwartet.", blickte ich zu ihr. Kurz schaute sie mich an, bevor sie anfing zu sprechen.
„So bin ich. Und so war ich immer. Wundere dich nicht.", meinte sie und lehnte sich am Geländer.
„Habe ich gemerkt. Du bist die Sorte von Mensch, die wohl alles kriegt, was sie will. Ehrgeizig und zielstrebig.", analysierte ich.
„Ja, das stimmt. So muss man in dem Geschäftszweig sein. Aber, dass ich alles kriege, stimmt nicht."
„Was kann eine Frau wie du nicht kriegen?", fragte ich interessehalber und lehnte einen Arm am Geländer. Mit dem Imperium, das ihr Vater gebaut hatte, könnte sie alles bekommen.
„Es gibt Dinge, die man nicht kaufen kann Devran. Diese sind wertvoller. Ehrlichkeit zum Beispiel... Wäre ich zehn Jahre jünger gewesen, hätte ich dich schon längst geklärt.", hörte ich auf einmal. Okay, hier ein Cut bitte.
„Sollte das ein Anmachspruch sein?", fragte ich lachend. Ein schwaches Lächeln ging in ihrem Gesicht auf. Diese Beichte hätte ich nicht von ihr erwartet.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt