69 - Herzschmerz

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Devran
Nach einem langen Heimweg kam ich endlich zuhause an. In meinem Eigemheim und nicht in der großen Residenz.
Das Gespräch am morgen mit Damla brachte mich zum Nachdenken, dass ich mich spontan dazu entschieden hatte, in meine Wohnung einzuziehen. Hier fühlte ich mich gleich wohler. Hier gehörte ich hin.
Vor der Tür wurde ich von Siyah empfangen. Nach Aufmerksamkeit sehnend, blickte sie mich mit großen Augen an und verfolgte jede Bewegung von mir.
„Was ist los meine Kleine? Alles in Ordnung?", kniete ich mich zu ihr runter. In letzter Zeit fing ich an die kleinen Dinge im Leben mehr zu schätzen. Sogar zu wissen, dass mich zuhause Siyah wartete, machte mich glücklich. Sie war meine kleine Wegbegleiterin.
„Ich komme gleich, versprochen.", stand ich auf und ging in mein Zimmer. Gefolgt von Siyah.

Das Licht schaltete ich an und blieb zunächst reglos stehen.
Hier fing alles an Devran. Hier in deinem neuen Eigenheim. Zuerst war dir alles fremd, dein kleines Waldhaus in Bolu hattest du gern. Du dachtest, dass du dich vielleicht nie an die Stadt gewöhnen wirst, aber du hast es geschafft. Willst du später tatsächlich gehen? Und was passiert mit den Dingen, die du aufgebaut hast?
Mein Blick wanderte auf die Zeichnungen an der Wand. Danach auf das volle Bücherregal. Hier war mein Haus. Hier fühlte ich mich zuhause. Tief in mir, klammerte sich etwas an diese Stadt und protestierte gegen mich. Auch was ich erlebt hatte, wollte ich bleiben. Ich wollte nicht mehr der Mann sein, der sich hinter Trümmern versteckte. Ich wollte wieder leben. Doch ich wusste auch, dass ich unsicher in Istanbul war. Trotz allem begriff ich, dass ich hier her gehörte.

Aus dem Schrank griff ich nach frischen Klamotten und ging unter die Dusche. Das Wasser brachte mich zur Ruhe. Ich hatte mir eins vorgenommen: in meinem Zimmer wollte ich weder an die Arbeit, oder sonst welchen Problemen denken, sondern wollte mich einfach ausruhen. Sogar die inneren Kriege in mir könnte ich verstummen. Ich wollte nur Ruhe, weil mein Leben laut genug war.

Umgezogen ging ich runter ins Wohnzimmer. Die Möbel wurden mit weißen Stofflaken bedeckt, als ob hier keiner mehr leben würde. Dabei lebte ich hier. Das Haus war nicht tot.
Die Laken zog ich zur Seite und bändigte das Wohnzimmer. Aus dem Schrank holte ich die Dekokerzen, die Yaman mitgenommen hatte und machte sie an. Auf der Tischmitte legte ich sie ab. Die Kerzen auf dem Regal machte ich ebenfalls an.
„Gefällt's dir?", wandte ich mich zu Siyah, als ob sie mir antworten könnte.

Das Wohnzimmer sah leerer als gewöhnlich aus. Die Gegenstände, die während des Angriffs kaputt gegangen waren, wurden weggeschmissen. Die Couch hatte Dellen abbekommen. Es gab viele Dinge, um die ich mich kümmern musste, aber keine Lust dazu hatte.
Ich ging in die Küche und wollte nach langer Zeit etwas zum Essen vorbereiten. Ein Blick in den Kühlschrank verriet, dass das nicht möglich sein würde, weil fast nichts im Schrank zu sehen war. Sofort fiel mir Serkan ein. Er fragte mich einmal, wie ich hier leben könnte. Ich lebte hier nicht. Dieser Ort war nur eine Anhaltestelle, die zum Schlafen diente. Ich war zu beschäftigt, um ein normales Leben führen zu können.
Außerdem mochte ich es nie allein zu essen.

Um diese Uhrzeit wollte ich niemanden stören und fuhr selbst zum Supermarkt.
Auf dem Weg checkte ich nach, ob ich Nachrichten empfangen hatte und entdeckte einige unbeantwortete Anrufe. Damla hatte versucht mich fünf mal zu erreichen und Gülin zweimal. Gab es einen Notfall?
Ich wählte Damlas Nummer, doch sie nahm nicht ab. Gülin konnte ich immerhin erreichen.
„Guten Abend Herr Devran. Wie lief das Meeting heute?"
„So wie ich es mir gedacht hatte. Die neuen Geschäftspartner wollen mit uns handeln."
„Ich wusste es. Übrigens wollte Sie Frau Damla heute sprechen. Ihre Stimme klang besorgt. Ich sollte ausrichten, dass Sie ihre Freundin anrufen sollen."
Es gab also tatsächlich einen Notfall. Damla rief ich erneut an, doch konnte sie nicht erreichen. War etwas Schlimmes passiert? Serkan konnte mir auch nicht weiterhelfen. Er meinte nur, dass am Mittag Umut gekommen war. Am Morgen versuche ich Damla nochmals zu erreichen.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt