91 - selbstverliebter Eisbrocken

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Damla
Devrans schwarzes Hemd umhüllte meinen schlanken Körper. Sein Geruch lag in der Luft, aber es selbst befand sich nicht im Raum.
Hat mich Devran allein gelassen? Tausende Gedanken fielen mir ein. Meine Augen suchten ihn.
Auf dem Balkon blieb mein Blick hängen Zigarettenrauch vermischte sich mit der Luft. Nachdenklich starrte er in den Himmel.

Die Glastür schob ich zur Seite und trat ins Freie.
Devran drehte sich zur Seite und betrachtete mich aus dem Augenwinkel.
Die Morgenluft war frisch, dass ich mich zusammenzog.
„Morgen", begrüßte er mich mit einer rauen Stimme.
„Ich dachte, du hättest mich allein gelassen."
„Nein", drehte er sich um.
„Warum habe ich dein Hemd an?"
„Passt wie angegossen."
Ach und wie.
Den letzten Zug der Zigarette genoss er und drückte den Stummel in den halb vollen Aschenbecher.
Hustend drehte er sich zur Aussicht.

„Devran?"
„Hm?"
„Wann hörst du auf zu Rauchen?", wollte ich wissen.
Verdutzt warf er die Braue in die Höhe.
„Weiß nicht."
„Ich will nicht mehr, dass du deiner Gesundheit schadest.", suchte ich seinen Blick.
„Es gab schlimmere Zeiten. Heute bin ich froh clean zu sein."
„Ganz kriminell unterwegs.", kommentierte ich.
„Soll ich dich zur Universität fahren?", änderte er das Thema. Dabei war ich bereit ihm zuzuhören. Ich nickte und sprang unter die Dusche.

Auf dem Weg zur Universität checkte ich meine Mails ab und erfuhr, dass die Ergebnisse der letzten Klausuren bekanntgegeben wurden. Sofort loggte ich mich auf der Homepage der Uni ein. Einerseits wollte ich das Ergebnis erfahren und andrerseits beängstigte es mich. Es könnte einer meiner schlechtesten Prüfungen gewesen sein. Fraglich war, ob ich das Semester überhaupt bestehen würde.

Die Seite lud endlich hoch. Gezwungen schlug ich die Augenlider auf und wurde mit der bitteren Wahrheit konfrontiert.
Nicht bestanden.
Die angehaltene Luft blies ich aus.
Du bist durchgefallen Damla.
Vor einigen Monaten war mein größtes Ziel, eine erfolgreiche Architektin zu werden. Alles drehte sich um das Studium. Ich war eine der besten. Nun erfuhr ich, dass ich zwei Prüfungen unterpunktet hatte. Die Ergebnisse wollte ich nicht länger ansehen. Das Handy warf ich in meine Tasche. Devran bemerkte die harsche Geste.
„Was's los?"
„Ich habe meine Prüfungen nicht bestanden."
Inne haltend ließ er die Worte auf sich wirken. Doofe Situation. Was konnte er auch sagen?
„Und das heißt?"
„Ich muss zur Nachprüfung."

Nach einer langen Pause durchlief ich das Campusgelände. Devran assistierte mir und trug meine Bücher, die nicht wirklich schwer waren. Ich glaube eher, dass er mich begleiten wollte. Wie ein Bodyguard.
„Wann endet die Reise? Wo ist dein Hörsaal?", fragte Devran ungeduldig. Meine Mundwinkel erhoben sich. Wir befanden uns in eines der größten und bekanntesten Universitäten Istanbuls. Wenn man Unbekannter war, konnte man sich leicht verirren. Einem Labyrinth glich das Gebäudekomplex.
„Der Hörsaal ist gleich hier um die Ecke."

„Damla?", rief jemand nach mir. Zwei bekannte Gesichter kamen mir entgegen und sie begrüßten mich.
„Fatih? Sarp?"
„Wie geht es dir? Wir haben uns lange nicht gesehen.", öffnete Fatih das Gespräch. Sofort spürte ich Devrans Antipathie gegenüber den Jungs. Seine Miene verschärfte sich eisern, während wir uns unterhielten.
„Hallo, ich bin Fatih.", stellte er sich ihm lächelnd vor und streckte die Hand.
„Devran", gab er missfallen von sich und zerdrückte die Hand des armen Fatihs allmählich. Überrascht blickte dieser auf seine weiß angelaufene Hand.
Oh Mann, Manieren muss ich meinem Devran noch beibringen.
„Wo bist du? Die Matheübungen assistierst du auch nicht mehr mit Kaan? Ihr wart ein gutes Team.", fragte Sarp. Der letzte Satz brachte Devran entgültig außer Fassung.

„Zeiten ändern sich eben, lieber Sarp.", antwortete Devran an meiner Stelle. Räuspernd wandte ich mich ihm. Kalte Blicke würgte er mir zu.
„Ihr müsst euch keine Sorgen um Damla machen. Warum auch? Wir müssen jetzt los.", gab er das letzte Wort und legte seine Hand an mein Rücken, als Zeichen, dass ich mich bewegen sollte.
„Man sieht sich.", versuchte ich mich einigermaßen nett zu verabschieden und ließ die verwirrten Jungs zurück.
Seufzend navigierte ich meinen lieben Bodyguard in den Hörsaal.

Die Wunde der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt