Der Hinweg zum Einsatz schien mir wie der Rückweg nach Hause. Tatsächlich führte uns die Adresse zu einem Autounfall ganz in der Nähe meiner Wohnung.
Der Regen schlug in Böen gegen die Scheiben unseres NEF's und die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochdruck, um mir zumindest alle paar Sekunden mal eine klare Sicht auf die Straße zu gewähren.
„An solchen Tagen bin ich besonders froh, den Wagen nicht lenken zu müssen“, kommentierte Paula neben mir stirnrunzelnd, woraufhin ich ein wenig begeistertes „Mhmhm“ vernehmen ließ.
Angestrengt konzentrierte ich mich auf den Verkehr, um nicht selbst noch einen Unfall zu bauen.
„Haben wir eigentlich nähere Infos?“, fragte ich mit einem kurzen Seitenblick zu Paula, während wir an einer Ampel standen.
„Ein Autofahrer ist anscheinend in ein parkendes Auto gefahren und durch den Aufprall bewusstlos geworden. Es ist wohl eine Ersthelferin vor Ort.“
Ich nickte. Wenigstens etwas.Wenig später parkte ich den Wagen am Straßenrand und stieg aus.
Mit einem beklommenen Gefühl registrierte ich, dass die Ersthelferin die Bettlerin von heute Morgen war. Mit freundlichem Gesichtsausdruck ging ich auf sie zu und hoffte, dass sie mich nicht wiedererkennen würde. Dennoch fühlte ich mich, als gäbe es gar keine Möglichkeit, dass sie mich vergessen hätte. Ich fühlte mich auf eine ganz seltsame Weise ausgeliefert; ins Rampenlicht gesetzt.
„Guten Tag, gut dass Sie angerufen haben“, sagte ich höflich, ohne sie direkt anzublicken. „Können Sie mir irgendetwas über den jungen Mann sagen?“ Ich nickte zu unserem Patienten, um den sich meine Kollegen bereits kümmerten.
„Ja. Er atmet noch, aber ziemlich flach. Außerdem hat er eine Platzwunde am Kopf und hat sich wahrscheinlich den rechten Oberschenkel frakturiert“, sagte sie gedämpft hinter ihrem Halstuch.
Verwundert über diese genaue Auskunft blickte ich sie nun doch an.
„Haben Sie eine medizinische Ausbildung gemacht?“, fragte ich aus höflichem Interesse.
Die alte Frau lachte leise und zog sich mit zitternder Hand das heruntergekommene Tuch vom Kopf. „Ich war mal Krankenschwester, Jacky, hast du das schon vergessen?“
Unverwandt starrte ich sie an, während mir abwechselnd heiß und kalt wurde.
Öffne deine Augen, Jacky.
„Monika?“, hauchte ich entsetzt.
Nun konnte ich meine Tränen nicht mehr aufhalten, die mir in die Augen stiegen und meine Sicht verschleierten.
Ich hatte meine eigene, langjährige Nachbarin auf der Straße nicht erkannt und als einfache Bettlerin abgetan. Ich hatte eine gute Bekannte als fremd und unbedeutsam abgestempelt.
Wie ein Faustschlag in den Magen wurde mir bewusst, dass dort auf der Straße jeder sitzen könnte.
Ein Bekannter.
Meine beste Freundin.
Ich.
Und ich achtete nicht auf die Heimatlosen. Ich sah hin und sah sie nicht.
Ich war blind für das Leid anderer, während ich nur an mein eigenes dachte.
Ich war blind für meine Mitmenschen.
Ich war blind für alles um mich herum.Zitternd vergrub ich meine Hand in meiner Jackentasche und wandte meinen Blick ab. Ich konnte es nicht ertragen.
„Die Armut legt Maske über uns alle“, sagte Monika traurig und legte ihre Hand auf meinen Arm.
Diese Berührung brannte schon fast, so unpassend und unverdient empfand ich sie in diesem Moment.
Ich hatte sie nicht erkannt. Wie konnte ich meine Nachbarin nicht erkannt haben und kalt an ihr vorbeigegangen sein?
Eine eiserne Hand schien meine Eingeweide umgedreht und fest umschlossen zu haben.
„Monika, was ist passiert?“, sagte ich erstickt.
Sie sah traurig zu unserem Haus hinüber, in dem sie einst wohnte und ich noch war.
„Nach dem Tod meines Mannes konnte ich die Wohnung nicht mehr abbezahlen. Die Miete hatte eigentlich schon die Rente von uns beiden aufgebraucht und allein konnte ich sie erst recht nicht mehr stemmen.“ Sie blickte wieder zu mir. „Irgendwie muss man ja durchkommen.“
Ich sah weiter betreten zu Boden. Meine Eingeweide schienen nun gänzlich verschwunden zu sein, so leer fühlte ich mich gerade.
Seit der Beerdigung ihres Mannes hatte ich kaum noch etwas von Monika mitbekommen; zu sehr war ich in meine eigene Welt versunken.
Plötzlich schienen meine Probleme auf die Größe eines vertrockneten Laubblattes zu sinken.
Viel mehr stieg wieder dieser Wunsch in mir, Menschen zu helfen.
Das war doch meine Berufung.
Das war auch mein Beruf.
„Jacky, komm mal bitte!“, rief Paula mir zu und ich lief rasch zu ihr und half, unseren Patienten vorsichtig und achsengerecht aus dem Wagen zu heben.Der Regen war mittlerweile abgeebbt, doch meine Gedanken blieben und das schlechte Gewissen wuchs.
Schwerfällig sammelte ich nach der Versorgung des Patienten einige Materialien ein und hievte mir unseren Rucksack auf den Rücken.
Monika stand noch immer da.
Ich sah zu meinem Team, die schon so gut wie abfahrtbereit waren und nur noch auf Paula warteten.
Kurzentschlossen lief ich auf Monika zu.
„Ich würde mich sehr freuen, wenn du heute Abend bei mir zum Essen kommen würdest“, sagte ich leise zu ihr, während ich auf das NEF zuging.
„Das wäre schön – ich – gern!“, sagte sie überrascht und ich sah Dankbarkeit in ihren Augen aufleuchten. Ich sah den Wert meiner Worte bei ihr tausendfach wiegen. Ich lächelte leicht.
„Ich müsste nur vorher noch ein wenig aufräumen“, sagte ich verlegen.
Jetzt lachte Monika: „Ganz wie früher, dabei hat es mich noch nie gestört!“ Sie zog mich in ihre Arme und ich umarmte sie fest.
„Denk dran“, sagte Monika leise, „wenn die Nacht am dunkelsten ist, und selbst die Sterne erlischen, ist die Dämmerung am nächsten.“
Dies hatte sie schon früher gesagt, doch noch nie waren diese Worte so passend gewesen. Hatten noch nie so viel Bedeutung angenommen wie in diesem Augenblick.„Jacky, sieh mal nach oben!“, rief Paula mir zu, die gerade in den RTW stieg und mit ihrer Hand gen Himmel deutete.
Ich folgte ihrer Geste und blinzelte der Sonne entgegen, die nun mit wärmenden Strahlen in mein Gesicht schien und die dunklen Gewitterwolken um sich zur Seite zu schieben schien.
Einen Moment lang schloss ich meine Augen und ließ die sanften Strahlen mein kühles inneres Selbst erwärmen. Es war ein so wunderschönes wie vertrautes Gefühl.
Ich dachte an Paulas Worte vorher im Umkleideraum.
Und dann breitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus.Ein Lächeln, welches ich mit dieser Echtheit schon so lange nicht mehr verspürt hatte.
Es war, als würde das bloße Licht der Sonne die Hoffnung in meinem dunklen Inneren keimen lassen und zum Erblühen bringen.
Und die Erkenntnis, die ich traf, war so einfach wie logisch: Die Sonne geht auch morgen wieder auf.
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Denn nach dem Regen kommt der Regenbogen – denkt daran.
Die Zeiten sind gerade wirklich schwer und ich hoffe, dass ihr alle trotzdem noch Zuversicht verspürt.
Doch hier noch etwas anderes: Es ist lange her, dass ich mich das letzte Mal bedankt habe. Aber obwohl ich das Gefühl habe, mich öfter bedanken zu müssen, will ich nicht, dass mein Dank an Wert verliert.
Mit 100.000 Reads und über 5000 Votes hätte ich nie gerechnet und ich danke euch so sehr, dass ihr mir eine Chance gegeben habt. Ohne euch wäre das hier nicht möglich gewesen und ich denke an jeden einzelnen von euch, wenn ich hier mein wirklich von Herzen kommendes „Danke“ sage.(Mir fällt absolut keine Idee für ein etwaiges Special ein, also wenn ihr einen Geistesblitz haben solltet - xD)
Auch wünsche ich euch noch ein paar schöne Ostertage und hoffe, dass ihr gesund bleibt.
Passt auf euch auf und bis bald – macht noch etwas aus dem Tag. :)
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ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs
FanfictionHier werden voneinander unabhängige Oneshots und mehrteilige Kurzgeschichten zu der Sat 1-Fernsehserie 'Auf Streife - Die Spezialisten' erscheinen, die sich hauptsächlich um die Sanitäterin Jacqueline Wendt drehen werden. Es ist nicht unbedingt notw...