(47) Der Exfreund [4/4]

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Ich war in einem dunklen Raum.
Hörte Schritte.
Nervös sah ich mich um, versuchte irgendjemanden oder irgendetwas zu entdecken.
Aber es war so dunkel, dass ich nichts ausmachen konnte.

Das einzige, von dem ich sicher war, dass es existierte, war der Boden unter mir.
Auf dem ich saß.
Aber das Gefühl, nicht zu wissen, was hinter und was vor mir war, machte mir Angst.
Ich wünschte mir, Augenpaare für jede Richtung zu haben, obwohl ich nichts sehen konnte. Mein Puls raste.
Wo war ich?

Dann hörte ich ein Lachen.
Ein gehässiges Lachen.
SEIN Lachen.
Nein, das konnte nicht sein.
Das durfte nicht sein.

Ungeheure Angst kroch in mir hoch, ein kaltes Taubheitsgefühl machte sich in meinen Händen breit.
Wo war er? Wieder versuchte ich verzweifelt, in irgendeine Richtung etwas zu erkennen. Aber es gelang mir nicht.

Wo war er? Wo war ich? Wo konnte ich mich verstecken?
Wieder sein Lachen, diesmal näher. Ich blickte mich um, ohne etwas zu sehen. Ich nahm meinen Herzschlag so laut wahr, dass ich fast fürchtete, dass ER ihn hören konnte.
Mit zitternden Beinen stand ich auf.

Ich fühlte mich so hilflos, so allein. Konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Einen Moment lang war Stille.

So still, dass es fast schon in den Ohren rauschte.

Die Ruhe vor dem Sturm.

Das nächste, was ich wahrnahm, waren zwei Hände, die sich urplötzlich um meinen Hals legten und fest zudrückten.
Ich konnte nicht fliehen, er war zu stark.
Ich konnte nicht schreien, ich bekam keine Luft mehr.

Angst. Pure Angst.

Ich fuhr hoch. Mein Herz schlug wild in meiner Brust und ich keuchte, als wäre ich gerade wirklich gewürgt worden.
Ich war schweißgebadet und meine Hände zitterten.
Verzweifelt versuchte ich, meine Atmung zu beruhigen, während die Bilder des Traums noch wie Schatten vor meinen Augen flackerten.
Es war nur ein Traum. Nur ein gottverdammter Albtraum.
Ich war in Sicherheit.
Er war hier nicht.
Ich war bei Franco zu Hause, hier konnte mir nichts passieren.

Immer wieder wiederholte ich die Sätze für mich, aber ich konnte nicht verhindern, dass ich immer mehr Luft aus- statt einatmete.
Panik machte sich in mir breit; noch weniger Sauerstoff gelang in meine Lungen.

Ich schaute mich um und sah Phil in einem Sessel sitzen, scheinbar eingenickt.
Erste Flecken schwammen vor meinen Augen, angestrengt versuchte ich sie wegzublinzeln.
"Phil", brachte ich so leise hervor, dass ich es selbst kaum hörte.
Ich nahm meine Kraft zusammen.
"Phil!" Mein Hals war trocken und schmerzte, die dunklen Flecken vor mir wurden immer deutlicher.

"Scheiße, Jacky!" Phil war aufgewacht.
Innerhalb weniger Sekunden stand er über mir hielt mir eine Tüte über das Gesicht.
"Ganz ruhig atmen, langsam ein und aus", sagte er deutlich. Allmählich spürte ich, wie meine Atmung wieder ruhiger und regelmäßiger wurde und ich schloss erleichtert meine Augen.

"Augen auf!" Er klang fast schon panisch.
Ich öffnete sie wieder und sah ihn aufatmen.
Phil griff nach meinem Handgelenk und hielt weiterhin die Tüte fest.
"Du bist viel zu schnell unterwegs", murmelte er.

Jetzt legte er eine Hand auf meinen Brustkorb, um mir einen Rhythmus zum Atmen zu geben. Bei der Berührung schoss urplötzlich ein drückender Schmerz durch mich und ich hielt einen Moment die Luft an, bevor meine Hand automatisch zu der Stelle fuhr.
"Was hast du?", fragte Phil direkt besorgt und nahm langsam die Tüte weg.
Ich brauchte einen Moment, um zu antworten.

"Ich hab da einen Schlag abbekommen", brachte ich hervor.
"Darf ich schauen?", fragte er und sah mich abwartend an.
Ich nickte.
Als er mein Shirt hochschob, zog er hörbar Luft ein. Sofort begann er, das Hämatom abzutasten.
"Warum hast du denn nichts gesagt?", fragte Phil und leiser Vorwurf schwang in seiner Stimme mit, obwohl die Sorge überwog.

Ich zuckte nur leicht mit den Schultern.
Er nahm das erstmal so hin.
"Eigentlich würde ich das gerne in der Klinik abklären lassen", begann er. Ich sah ihn mit einem fast schon panischen Blick an und ein warmer Ausdruck trat in seine Augen.
"Sag einfach, wenn es schlimmer wird", gab er sich geschlagen, "direkte Bruchstellen konnte ich ja nicht ertasten."
Ich nickte erleichtert.

"Kannst du mir etwas zu trinken geben?", krächzte ich irgendwann. Ich war einfach nur fertig.
"Ja, natürlich", sagte er sofort, ging und kam wenige Augenblicke später mit einem Glas Wasser in der Hand zurück.
"Was war eigentlich... vorhin?", fragte er behutsam, während er es mir reichte.
Ich trank einen Schluck, bevor ich antwortete.
"Albtraum", sagte ich dann nur kurz angebunden.
Phil sah mich mitleidig an.
"Willst du darüber reden?", bot er mir an.
"Nein", sagte ich leise und er nickte verständnisvoll.

"Trotzdem würde ich dir empfehlen, psychologische Hilfe anzunehmen", sagte er ernst und hatte seinen Blick auf mich geheftet.
Ich haderte einen Moment mit mir, nickte aber dann. Mir war ja selber klar, dass ich Hilfe brauchte.
"Wo ist Franco?", lenkte ich dann vom Thema ab.
"Er ist zur Frühschicht", antwortete Phil und sah auf die Uhr.
Ich folgte seinem Blick; es war kurz nach sechs Uhr morgens. Schlafen würde sich jetzt nicht mehr lohnen.
Und ich glaube auch nicht, dass ich es konnte.
Oder wollte.

"Ich würde mir ganz gern den Sonnenaufgang anschauen", sagte ich plötzlich mit Blick zum Fenster, wo die Morgendämmerung bereits anbrach.
Phil musterte mich einen Moment argwöhnisch.
Dann hellte sich seine Miene auf und er schmunzelte schon fast.
"Dann lass uns das doch machen."


Heilige Seekuh, ist das lang geworden. Über neunhundert Wörter.
Macht noch etwas aus dem Tag <3

ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt