(18) Überarbeitet & schlaflos [1/3]

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"Nee, also irgendwann weigere ich mich, dir den RTW zu überlassen", stöhnte Flo genervt, als er sah, dass ich seine Ablöse für die Nachtschicht war.
Ich zuckte mit den Schultern, schnappte mir den Schlüssel aus seiner Hand und lief dann in die Fahrzeughalle, um nachzuschauen, ob der RTW einsatzklar war.

Ja, ich war bereits zur Frühschicht hier und hatte vor zwei Tagen erst eine 24-Stunden-Schicht abgearbeitet, aber ich hatte das Gefühl, das war zu wenig. Ich brauchte das Geld und wollte mehr Menschen helfen. Ich sollte in Ruhe zu Hause sitzen, während Menschen sterben, weil es nicht genug Rettungskräfte gibt? Ich sollte mich entspannen, während andere in Lebensgefahr schweben und meine Hilfe benötigen? Nein, ich musste einfach arbeiten.

Ich steuerte auf den 3/RTW/3 zu, als Franco, mein heutiger Partner mir entgegenkam.
"Du schon wieder?", begrüßte er mich stirnrunzelnd.
"Ebenfalls guten Abend, Franco", entgegnete ich und wandte mich dem Wagen zu, um ihn zu öffnen, als ich plötzlich seine Hand auf meiner Schulter spürte und er mich wieder umdrehte.

"Sag mal, schläfst du überhaupt noch?", fragte er und musterte mich kritisch.
Ich entwand mich seinem Griff. 

Nein, kaum noch.

Ich stieg in den Patientenraum und kontrollierte die Vollständigkeit der Materialien. Neue Kompressen brauchten wir, Mullbinden und einfache Verbände gingen ebenfalls zur Neige. Schien wohl ein großer letzter Einsatz gewesen zu sein.

Als ich den Wagen wieder verließ, um die Vorräte aufzufüllen, bemerkte ich, dass Franco immernoch dastand und mich nachdenklich ansah. Ich ignorierte ihn, holte die benötigten Dinge aus dem Lager und brachte diese in den RTW.
"Ist was?", fragte ich beiläufig meinen Kollegen, der noch immer am selben Fleck stand.
"Jaah", sagte er langgezogen, "und du weißt auch was."

Ich drehte mich nun vollständig zu ihm um.
"Franco, bitte. Ich kann das schon einschätzen", sagte ich entschieden.
"Da bin ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher", murmelte er. Das ließ ich unkommentiert, schloss den Wagen ab und machte mich auf den Weg zum Aufenthaltsraum, Franco folgte mir.
Phil und Marion, die am Tisch saßen, warfen mir abschätzende Blicke zu, sagten aber nichts.

Nach wenigen Minuten wurden wir bereits zu einem Einsatz gerufen und wir liefen in die Fahrzeughalle. Ich setzte mich auf den Beifahrersitz und Franco kam neben mich.
Die Fahrt über waren wir beide recht schweigsam. Tatsächlich begannen wir erst ein Gespräch, als die Leitstelle uns neue Informationen mitteilte.

"Eine verunglückte männliche Personen in einer Trampolinhalle, laut Melderin nur leicht verletzt", lautete der Funkspruch.
Franco und ich wechselte einen verwirrten Blick.
"Wie kommen die denn noch um diese Uhrzeit in die Halle rein?", sprach er verwundert meinen Gedanken aus.
"Gute Frage, ist bestimmt ne Mutprobe oder so", überlegte ich.

"Das kann durchaus sein", antwortete er.

Wenige Minuten später kamen wir an und wurden direkt von einer aufgeregten jungen Frau empfangen, die mich sofort am Ärmel Richtung Eingang zog.
Ich warf Franco über meine Schulter einen entschuldigenden Blick zu, der daraufhin allein das Equipment nahm und uns hinterherlief.

In der Halle war eine regelrechte Party los. Mehrere junge Leute, die ich alle kaum älter als zwanzig schätzen würde, sprangen und rannten umher und turnten an den Geräten rum.
Mein Blick fiel auf ein Lager mit alkoholischen Getränken in der Mitte des Raums.
Wie ich solche Einsätze liebte. Nicht.

Unser Patient war wohl gestolpert, hatte sich den Fuß umgeknickt und eine kleine Platzwunde an der Stirn. Routine.
Während wir ihn versorgten, spürte ich in mir allmählich Kopfschmerzen wegen der laut wummernden Musik aufsteigen und das blitzende Licht der eben aufgehängten Diskokugel ließ Sternchen vor meinen Augen flackern.

Ich werde froh sein, wenn ich hier wieder raus bin.




Ich wünsche euch noch einen schönen Tag <3

ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt