Jackys PoV
Als ich auf den Aufenthaltsraum zuging, war es bereits ein paar Minuten nach Schichtbeginn. Ich war zu spät.
Aber es war mir egal. Es scherte mich nicht. Es war mir unwichtig.
Meine Hand schloss sich um die kühle Türklinke. Es fühlte sich falsch an, hier zu sein. So erzwungen. Was würde mich erwarten?
Ein Franco, der mich lachend mit den Worten "Ach, auch endlich mal da?" begrüßte? Oder der sich Sorgen machte, weil meine geröteten Augen eigentlich nicht zu übersehen waren?
Mein Griff um die Klinke lockerte sich. Irgendwo in mir machte sich das Bedürfnis breit, einfach wieder umzukehren. Und doch stand ich wie angewurzelt da. Unfähig, mich zu bewegen.Aber noch bevor ich kehrtmachen oder weitergehen konnte, wurde die Tür von innen aufgerissen und ich stolperte überrumpelt zur Seite.
"Oh- sorry Jacky", sagte Phil entschuldigend, während er hinter Marion her in Richtung der Fahrzeughalle rannte. Ich starrte ihnen einen Augenblick nach.
Dann lief ich schließlich in den Aufenthaltsraum; den Kopf etwas gesenkt. Damit nicht alle sofort mein verweintes Gesicht sahen. Doch entgegen meiner Erwartungen war kaum einer hier.
Flo und Alex saßen nebeneinander auf der Couch und unterhielten sich, während Franco etwas abseits saß. Still. Ruhig. Sah nicht mal auf, als ich reinkam. Begrüßte mich nicht.
Und ich wunderte mich nicht. War sogar froh darüber. Ich brauchte Ruhe, wollte nachdenken."Guten Morgen", kam es von Flo und Alex. Ich nickte beiden einfach nur grüßend zu und ignorierte Alex' verwirrten Blick.
Einer spontanen Eingebung folgend, ging ich in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. So sahen mich die anderen nicht und ich hatte vielleicht ein paar Minuten Ruhe.
Während ich den Kaffee durch die Maschine laufen ließ, saß ich an dem kleinen Tisch und massierte mir die Schläfen. Noch immer war das dumpfe Pochen in meinem Kopf da.
Doch bei weitem schlimmer war der Schmerz, der mich von innen auffraß und überall an mir zehrte; sich wie eine Bärenfalle um mein Herz gelegt hatte.
Beinahe schon schien der Schmerz schubartig durch mich zu fahren und mir mit jedem Schub neue Tränen in die Augen zu drücken. Wie gerade.Ich stellte den fertigen Kaffee vor mich und starrte auf die Tasse hinab.
Wieder spürte ich eine einzelne, dünne Träne, die sich langsam einen Weg über meine Wange bahnte.
Meine Oma hatte immer gerne Kaffee getrunken. Und sich immer wieder neue Variationen ausgedacht. Sie war es auch, die mich zu meinem ersten Kaffee überredet hatte, als ich fünfzehn war.
Liebevoll hatte sie ein Herz aus Kaffeesahne gegossen und einen selbst gebackenen Keks auf die Untertasse gelegt.
Dann hatte sie sich mir gegenüber gesetzt und mich gespannt beobachtet, während ich skeptisch das Getränk beäugt hatte.
Und als ich sie schließlich bat, mir noch einen Kaffee zu machen, weil der von ihr so lecker sei, hatten ihre Augen gestrahlt.Ich wischte mir die Träne weg und sah auf die Tasse vor mir. Die dunkle Flüssigkeit wirkte so uneinladend und kalt; der billige Geruch war fast schon unerträglich.
Ich schob den Kaffee von mir weg, ohne einen Schluck genommen zu haben. Es ging einfach nicht. Ich konnte nicht.Das plötzliche, laute Geräusch des Melders ließ mich zusammenfahren; schien ungewöhnlich schrill die Luft zu durchschneiden.
Doch es war nicht meiner. Im Hintergrund bekam ich mit, wie Alex und Flo den Raum verließen und das schrille Geräusch mit ihnen verschwand.
Gefolgt von einer dröhnenden Stille.
Langsam stand ich auf und ließ den erkalteten Kaffee hinter mir auf dem Tisch stehen.
Meine Hand krallte sich in den Türrahmen und ich lehnte mich erstmal an die Wand. Ich versuchte es mit einem aufgesetzten Lächeln. Aber der Versuch tat schon weh. Es fühlte sich falsch an, zu lächeln. Ich konnte es nicht, ich ließ es sein.Ich stieß mich von der Wand ab und trat zurück in den Aufenthaltsraum. Mein Blick heftete sich sofort an Franco.
Er saß immer noch wie teilnahmslos am Tisch, starrte apathisch in eine mir abgewandte Richtung. Wieder sah er nicht auf, als ich durch den Raum ging. Schien mich nicht mal wahrzunehmen.
Ich setzte mich auf eine Couch, beobachtete ihn unauffällig.
Sein Gesicht wirkte eingefallen, leer und blass. Seine Augen waren ausdruckslos und stumpf; hatten ihr sonst immer vorhandenes Funkeln verloren. Und er lächelte nicht. Er strahlte nicht wie sonst, war nicht der Monopol der guten Laune und Positivität, sondern wirkte einfach zerbrechlich und kaputt.
Oder empfand ich das nur so, weil ich mich selbst so fühlte?
Obwohl ich nicht zerbrechlich, sondern zerbrochen war.Und Franco war mein Ebenbild.
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Macht noch etwas aus dem Tag :)
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ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs
FanfictionHier werden voneinander unabhängige Oneshots und mehrteilige Kurzgeschichten zu der Sat 1-Fernsehserie 'Auf Streife - Die Spezialisten' erscheinen, die sich hauptsächlich um die Sanitäterin Jacqueline Wendt drehen werden. Es ist nicht unbedingt notw...