Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt hatte, lag ich immer noch auf dem Boden meines Badezimmers. Die Tränen waren versiegt, die Schluchzer verebbt und nur ein wummernder Kopfschmerz war geblieben.
In mir drin herrschte eine Leere. Hoffnungslosigkeit und ein berauschendes Gefühl des Alleinseins hatten von mir Besitz ergriffen und ließen meine gesamte Situation so aussichtslos wirken.
Langsam setzte ich mich auf und suchte auf meinen wackligen Beinen Halt. Ich stützte mich am Waschbecken ab und mein blasses Spiegelbild sah mir mit geröteten und verquollenen Augen entgegen.
Es würde einiges an Schminke fordern, um die Spuren meines emotionalen Zusammenbruchs einigermaßen zu überdecken.Schließlich trat ich kurz vor Schichtbeginn in den Umkleideraum der Wache. Ich fühlte mich noch immer genauso scheiße wie vorher, auch wenn man es mir nicht direkt ansah.
"Hi Jacky!" Paula kam mir entgegen und umarmte mich.
"Hi", sagte ich zögerlich.
"Hör mal, Paula", begann ich dann unsicher und sie sah mich fragend an. "Ich..."
Plötzlich verstummte ich. Wollte ich es überhaupt erzählen?
"Spucks aus", sagte Paula und leichte Sorgenfalten zogen sich über ihre Stirn.
Ich riss mich zusammen.
"Ich habe heute morgen einen Schwangerschaftstest gemacht", sagte ich dann ziemlich schnell. "Und... der war positiv." Meine Stimme war kaum noch mehr als ein Hauch.
Ich spürte schon wieder Tränen in mir aufsteigen.
Paula musterte mein Gesicht genauer. "Oh Gott Maus, hast du geweint? Nicht doch!"
Sie zog mich nochmal in eine feste Umarmung und strich mir über den Rücken.
"Hey, alles gut", flüsterte sie, als ich wieder von leichten Schluchzern geschüttelt wurde. "Das ist doch toll! Weiß Tino es denn schon?"
Energisch schüttelte ich den Kopf und schob mich etwas von ihr weg, um mir die Tränen wegzuwischen.
"Soll er auch nicht", sagte ich leise, "Ich muss abtreiben. Ich kann das nicht, ich schaffe das nicht. Ich bin viel zu jung dafür und das passt gar nicht in meinen Job."
Paula betrachtete mich nachdenklich.
"Jacky, überleg dir das besser gut. Das ist eine wichtige Entscheidung. Wir würden das schon irgendwie hinbekommen..."
"Nein", sagte ich. "Ich will abtreiben." Diese Entscheidung hatte ich für mich schon getroffen. Ich wollte doch gar kein Kind haben.
Paula runzelte die Stirn. "Weißt du denn, in welcher Woche du bist?"
Wieder schüttelte ich den Kopf.
"Dann geh doch heute erstmal zum Frauenarzt. Da kannst du dich dann auch über alles aufklären lassen", schlug sie mir vor.
Ich sah sie zweifelnd an, denn ich nahm nicht an, dass es meine Meinung beeinflussen würde. "Okay."Die fünfte Woche.
Ich war bereits in der fünften Woche.
Es waren bereits ein paar Tage seit meinem Arztbesuch vergangen und der Termin für die Abtreibung stand.
Tino wusste immer noch nichts davon.
Und ich wollte es ihm auch nicht sagen. Das konnte ich nicht.
Erneut saß ich neben Paula im Aufenthaltsraum und wartete darauf, dass ein Einsatz für Francos und meinen RTW kam.
Zwischen Paula und mir herrschte Schweigen. Ich hatte ihr von meinem Termin erzählt. Und obwohl sie es nicht sagte, wusste ich, dass sie enttäuscht war. Ich merkte es einfach. Und immerhin hatte sie selbst eine Tochter. Aber ich war einfach noch nicht bereit dafür. Und sollte sich ein minimales Gefühl des Unbehagens mit dieser Entscheidung in mir anbahnen, dann konnte ich es zumindest gut unterdrücken.Unsere Melder schrillten und wir erhoben uns von der Couch. Verkehrsunfall mit zwei Verletzten auf der Autobahn. Grandios.
Während der Fahrt mit Franco war ich froh, dass ich mich unbeschwert mit ihm über belanglose Themen unterhalten konnte und nichts zwischen uns stand, wie es mit mir und Paula der Fall war.
So regten wir uns gemeinsam über Leute auf, die partout nicht fähig schienen, eine Rettungsgasse zu bilden.
"Im Ernst, was soll denn das", stöhnte ich, als wir nur noch im Schritttempo vorankamen.
"Ich weiß doch auch nicht. Es ist wirklich so unglaublich anstrengend", sagte Franco neben mir entnervt. "Und dabei ist es nicht mal schwer."Und als wir schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit bei der Unfallstelle ankamen, erwartete uns gleich das nächste: Wir hatten eine Hochschwangere als Unfallbeteiligte dabei.
Irgendwo versetzte es mir einen Stich.
Sie lag auf der Rückbank eines Autos und schien bereits in den Wehen zu sein.
"Jacky, gehst du zu ihr und ich sehe nach dem anderen Auto?", fragte Franco. "NEF sollte gleich nachkommen."
Ich nickte ihm zu und wir trennten uns.
"Jacky Wendt, vom Rettungsdienst, hallo!", rief ich der jungen Frau entgegen, als ich auf sie zukam.
Sie sah mit schmerzverzerrtem Gesicht zu mir auf, als ich mich neben sie hockte.
"Können Sie mir Ihren Namen sagen?", fragte ich sanft, während ich nach ihrem Handgelenk griff.
"Carina Helmstedt", brachte sie hervor.
"Okay, Carina", sagte ich, "Darf ich Carina sagen?"
Die junge Frau nickte.
"Carina, in der wievielten Woche sind Sie denn?"
"Siebenunddreißigste", murmelte sie.
"Okay. Sie haben Wehen, wie ich sehe. Haben Sie zufällig den Abstand gemessen?"
Carina schüttelte kraftlos den Kopf.
"Nicht schlimm", sagte ich aufmunternd, "werden wir ja sehen. Haben Sie Ihren Mutterpass dabei?"
"Ja", murmelte sie, "In meiner Handtasche. Auf dem Beifahrersitz."
"Dann schau ich da mal kurz nach, in Ordnung?"
Carina nickte, ich drückte ihre Hand und stand auf.
Paula kam in meine Richtung.
"Franco sagt, bei dem anderen Auto seien nur Leichtverletzte dabei", rief sie mir zu. "Was haben wir hier?"
"Carina Helmstedt, siebenunddreißigste SSW, sie ist gerade in den Wehen. Ich hole mal ihren Mutterpass."
Paula nickte, während sie sich zu der jungen Frau kniete.
Ich öffnete die Beifahrertür des Wagens und suchte den Pass hervor, den ich direkt an Paula weitergab.
"Ich hole mal die Trage", sagte ich dann in Paulas Richtung und machte mich auf den Weg zu unserem RTW.Mittlerweile waren noch weitere Einsatzkräfte eingetroffen und als ich mit der Trage zurück zu meiner Patientin kam, halfen ihr Franco und Paula gerade vorsichtig auf.
"Wir bringen Sie jetzt in den Krankenwagen, Carina", klärte Paula unsere Patientin auf, während diese sich mit gequältem Gesichtsausdruck auf die Trage setzte.Doch als wir schließlich im RTW waren und Carina wieder Wehen hatte, ließ Paula eine plötzliche Entscheidung verlauten:
"Wir entbinden hier."------------
Wenn ihr wollt, könnt ihr mir in den Kommentaren kreative Fragen stellen, die ich dann beantworte. Ich wurde in den letzten Wochen das ein oder andere Mal getaggt, aber es ist immer wieder untergegangen, ich hab es aufgeschoben oder vergessen. Deswegen hier die Möglichkeit :)
Und ansonsten- macht noch etwas aus dem Tag :)
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ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs
FanfictionHier werden voneinander unabhängige Oneshots und mehrteilige Kurzgeschichten zu der Sat 1-Fernsehserie 'Auf Streife - Die Spezialisten' erscheinen, die sich hauptsächlich um die Sanitäterin Jacqueline Wendt drehen werden. Es ist nicht unbedingt notw...