(62) Last der Liebe [2/5]

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Francos PoV

"Hey, schon Bock auf die Schicht?", begrüßte ich Alex fröhlich, als er das Telefonat annahm.
Er lachte auf. "Klar doch, gibt nichts schöneres, als halb fünf aufzustehen", sagte er sarkastisch.
"Okay, ernsthaft, ich wollte fragen, ob du mich vielleicht mitnehmen könntest. Mein Wagen hat den Geist aufgegeben. Keine Ahnung, was jetzt schon wieder mit dem los ist", berichtete ich.
"Hm, das muss ich mir noch überlegen", sagte Alex gespielt nachdenklich und ich konnte ihn förmlich grinsen sehen. "Klar, natürlich kann ich dich mitnehmen. Liegt ja auf dem Weg."
"Und wenn es nicht auf dem Weg läge?", witzelte ich.
Alex machte eine bedeutungsvolle Pause.
"Dann nicht."
Wir mussten beide lachen.
"Okay, dann mach ich mal los", beendete Alex schließlich das Gespräch.
"Jo, bis dann."

Grinsend wollte ich mein Handy wegpacken, als plötzlich ein Anruf meines Bruders aufleuchtete.
Ohne mich großartig zu wundern und beschwingt von guter Laune nahm ich an.
"Hey Antonio, was gibt's?", fragte ich fröhlich.
Einen Augenblick war Stille.
"Padre hat es geschafft", sagte mein Bruder schließlich tonlos.
Das war wie ein Schuss mitten in mein Herz.
Das Grinsen erstarrte auf meinem Gesicht, schien tröpfchenweise zu verschwinden.
Mir wurde gleichzeitig heiß und kalt.
Nein.

Unser Vater war schon seit Monaten schwer krank und nicht mehr wirklich bei sich. Er war mehr ein Patient als ein Teil meiner Familie.
Und dennoch war er mein Vater gewesen. Gewesen.
Mio padre, der mir immer so begeistert vom Schiffbau erzählt hatte. Eine Begeisterung, die ich nie wirklich hatte teilen können. Viel zu deutlich drang mir gerade seine Stimme ins Gedächtnis. Wie er mit Antonio und mir in ein Schiffbaumuseum gegangen war, als wir klein waren. Wie sehr seine Augen gestrahlt hatten, als er uns Vorträge über Schiffsschrauben gehalten hatte.
Und schließlich dachte ich an ihn, wie er am Ende schief in seinem Rollstuhl saß; weder essen noch reden wollte. Dieser Ausdruck in seinen Augen, der stumpf und leer geworden war. Mein Vater hatte gelitten. Und jetzt war es vorbei.
Es war vorbei.
Ich würde ihn nie wieder sehen.
Eine einzelne Träne rann über meine Wange. Ich wischte sie weg.

"Franco?"
Die Stimme meines Bruders drang zu mir durch.
"Ja, ich... wie geht es madre?"
"Sie ist sehr mitgenommen. Ich bin noch eine Weile hier und versuche, ihr zu helfen."
"Okay." Mehr konnte ich nicht sagen.
"Antonio, ich muss zur Schicht. Ich-", ich fand keine Worte.
"Ja, bis später."
Dann legte ich einfach auf.

Ich ließ mich auf einen Stuhl sinken.
Die Nachricht lag wie ein schwerer, grober Fels in meinem Magen. Und obwohl ich gewusst hatte, dass es so kommen würde, war ich gerade absolut nicht vorbereitet gewesen.
Ich hatte eben noch mit Alex gescherzt und über belangloses Zeug gelacht.
Mein Vater war tot.
Ich fuhr mir mit beiden Händen durch die Haare und starrte auf die Tischplatte.

Es klingelte.
Schwerfällig stand ich auf; fühlte mich auf einmal viel älter.
Ich nahm meine Sachen und öffnete die Tür.
Alex' Grinsen verblasste sofort, als er mich sah. Er schien mich ansprechen zu wollen, aber ließ es sein, als ich wortlos an ihm vorbei ging und mich auf dem Beifahrersitz nieder ließ.
Schweigend setzte sich Alex neben mich und startete den Motor.
Er versuchte mehrmals, ein Gespräch zu beginnen, doch ich fühlte mich absolut nicht in der Lage dazu. Meine Gedanken waren völlig woanders. Bei meinem Vater. Bei meiner Mutter.
Wie konnte etwas so absehbar und gleichzeitig so plötzlich sein?
Und obwohl die Trauer mich nicht so tief traf, wie sie mich getroffen hätte, wäre ich jung gewesen - sie traf mich.
Zwar hatte ich mittlerweile viel gesehen und wurde oftmals in meinem Job mit dem Tod konfrontiert, aber dennoch wusste ich plötzlich nicht mehr, wohin mit mir.
Wieso hätte nicht irgendetwas anders laufen können? Wieso hatte mein Vater einen Schlaganfall erleiden müssen, der ihn an den Rollstuhl gefesselt hatte?
Wieso wurde ich das Gefühl nicht los, dass ich mehr mit ihm hätte machen können, bevor es soweit war?

Ich sah resigniert aus dem Fenster. Wir waren fast da. Ich versuchte meine Gedanken in Richtung Arbeit zu lenken; den Dienstplan durchzugehen.
Heute RTW, mit Jacky. Ich konnte nicht klar sagen, ob ich mich heute darüber freute, dass sie mich mit ihrer guten Laune überrennen werden wird; oder ob ich lieber jemand ruhigeren an meiner Seite hätte, damit ich meinen Gedanken freien Lauf lassen konnte.
Wie würde es überhaupt werden? Würde ich den anderen gute Laune vorspielen müssen?
Ich war nicht gut darin, meine Gefühle zu verbergen. Das musste ich nie, das konnte ich nicht.

Als Alex den Wagen parkte, stieg ich mechanisch aus und wollte zur Wache.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
"Franco, was ist los?"
Ich drehte mich zu Alex, der mich besorgt musterte.
Einen Moment lang war ich hin und her gerissen.
Reden half manchmal.

Ich sagte nichts.

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Macht noch etwas aus dem Tag :)

ᴀsᴅs - sʜᴏʀᴛ sᴛᴏʀɪᴇs Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt