Sidon
Es ist sicherlich schon zwanzig Minuten her, dass Colton davongeschlendert ist und trotzdem erinnert mein emotionaler Haushalt eher einem Fadenwirrwarr als geordneten Bahnen. Starr sitze ich am Küchentisch und frage mich, was zur Hölle gerade passiert ist und wie groß die Chancen sind, dass mir das Leben eine magische Löschtaste offenbart, mit der ich all das ungeschehen machen kann. Ich möchte nicht über Colton, verrückte Angebote oder Geldprobleme nachdenken, doch genau diese Themen bilden eine Endlosschleife in meinem Kopf.
Verdammt, hätte ich doch nur..., möchte ich zum gefühlt tausendsten Mal beginnen, doch ich stoppe mich bevor ich den Gedanken weiter verfolgen kann. Du hast nichts falsch gemacht. Es ist nicht deine Schuld, dass Colton plötzlich vor deiner Tür steht und dich zu einer Reality-Show drängen möchte.
Ich weiß, dass meine Stimme der Vernunft Recht hat, aber das hält einen kleinen Teil von mir trotzdem nicht davon ab, mich in unnötige Schuldbekenntnisse zu stürzen. Nicht zum ersten Mal wird mir bewusst, mit wie vielen vergangenen Momenten ich mich nicht auseinandergesetzt habe und inwiefern sie meine Handlungen beeinflussen...
Plötzlich erklingt das Getrampel von Schritten und ich bin derartig durcheinander, dass ich kurzzeitig befürchte ein dreister Rockstar könnte in die Wohnung stürmen. Zum Glück ist es nur Tante May, die mit der Energie einer Bulldozermaschine die Tür aufreißt und mit einem genervten Seufzer ihre Handtasche auf dem Sideboard ablegt.
»Und wie war dein Tag, honey? Ich hoffe, erfreulicher als meiner. Ich habe noch einmal drei Banken abgeklappert und keine dieser sesselpupsenden Esel war bereit mir einen Kredit zu gewähren! So langsam gehen mir echt die Optionen aus, aber das scheint die Krawattenmafia, mit ihren teuren Anzügen und ihrem höflichen Getue, einen Kehricht zu interessieren!«
Sofort breitet sich ein ungutes Gefühl in meiner Bauchgegend aus, denn anscheinend stehen die Chancen auf ein leuchtendes Wunder am Fundament katastrophal. Na ja, es sei den man sieht die verrückte Angebot-Drohung-Fusion, die mir Colton aufgetischt hat, als Glücksfall an.
»Sagen wir mal so: Einen Tag wie heute erlebe ich sicherlich nicht zweimal«, murmele ich vor mich hin, nur um kurz darauf den moosgrünen Augen meiner Tante zu begegnen. Bei meinem Anblick breiten sich ihre Sorgenfalten wie ein Buschfeuer auf ihrem Gesicht aus und ich weiß, dass ich mich auf eine lange Unterhaltung freuen kann. Tante May wird wahrscheinlich alle Informationen einzeln aus mir herauskitzeln müssen, aber trotzdem wird ihr Vorrat an Geduld und Spitzengefühl dadurch nicht erschöpft werden. Sie war schon immer eine Hau-drauf-Frau, die nach ihren eigenen Regeln lebt, mit ihrer Lebhaftigkeit einen ganzen Ballsaal füllen könnte. Das ist nur einer der vielen Gründe, warum ich sie so unglaublich lieb habe.
Seit ich klein bin, hat sie mir in ihrer Wohnung eine Zuflucht vor den strengen Regeln meines konservativ-christlichen Vaters geboten. Meine Schwester Flor passte perfekt in seine brave, leicht altertümliche Welt, doch ich fiel in meiner Familie schon immer aus dem Rahmen. Aus diesem Grund verbrachte ich so viel Zeit wie möglich bei Tante May und meinem Cousin, die mich so akzeptierten wie ich bin.
»Was ist denn passiert? Du siehst beinahe so aus als hättest du ein Gespenst gesehen! Kam Mr. Sulivan etwa im Tutu angetanzt oder warum bist du so furchtbar blass im Gesicht? Komm ich schenk' dir ein Glas Wasser ein. Du hast bei der Arbeit sicher wieder zu wenig getrunken«
Während dem Hagel aus Fürsorglichkeit, schält sich Tante May aus dem schwarzen Cardigan, den sie über ihrem knallgelben T-Shirt trägt und der ihr bis zu dem Jeansrock mit Perlenbesatz reicht. Kurz sehe ich noch das Aufblitzen von goldenen Kreolen, da füllt sie bereits ein Glas Wasser und stellt es vor mir auf den Tisch. Augenblicke später sitzt sie mir direkt gegenüber und wartet darauf, dass ich ihr mein Herz anvertraue. Und da ich wirklich Hilfe bei meiner Pro-Kontra-Liste gebrauchen könnte, rücke ich ausnahmsweise direkt mit der Sprache heraus.
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Songs, rockstars and the fucking past
Romance,,Wir waren ein Team. Verkorkst, zerbrochen und derartig scharfkantig, dass sich jeder andere an uns geschnitten hätte. Und dann hat er unsere Verbindung in einer Nacht den Höllenhunden zum Fraß vorgeworfen und mich weinend daneben liegen lassen." Z...