Kapitel 29

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Sidon

Nervös streiche ich mein Kleid glatt, während ich an dem imposanten Gebäude hinaufschaue, das mir in diesem Moment vorkommt wie eine uneinnehmbare Festung. Allein der Gedanke daran, in wenigen Minuten mit Colton in diesen Saal zu spazieren und eine Show abzuziehen, lässt meine Nerven verrücktspielen. In meinem Bauch flattert es unangenehm und es fühlt sich an, als hätte sich eine Würgeschlange um meine Eingeweide gewickelt.

Ich weiß, dass meine Ängste alle irrational, trotzdem türmen sie sich vor mir auf und bauen graue Häuser um meinen Verstand. Ich habe keine Ahnung wie ich eine Furcht bekämpfen soll, die ich nicht einmal verstehe. Mein Herz pocht in meinen Ohren und ich bin mir nur allzu bewusst, worauf all diese körperlichen Anzeichen hindeuten. Verdammt, ich kann da nicht rein...

»Hey, du siehst gut aus... Ich wusste die Lederjacke würde den Look vervollständigen«, flüstert eine Stimme direkt hinter mir. Wie von der Tarantel gestochen springe ich zur Seite und verliere beim Wiederaufkommen fast den Halt auf dem Kieselsteinweg. Nur eine zupackende Hand an meinem Unterarm bewahrt mich vor dem vermeintlichen Sturz und ich kann erleichtert ausatmen. Genau drei Sekunden verwende ich darauf mich mit Zählen zu beruhigen und meinem Herzschlag beim Galoppieren zuzuhören, dann schüttle ich die Hand ab.

»Oh mein Gott, was sollte das?«, fahre ich Colton an, den ich zwischen meinem Schreck und dem Fast-Sturz identifiziert habe, »Du hast mir fast einen Herzinfarkt beschert!«

Tief in meinem Herzen weiß ich, dass ich viel zu heftig auf sein plötzliches Auftauchen reagiere, aber ich kann meinen Mund nicht am Reden hindern. Mein Innenleben wurde von einem Erdbeben erschüttert und ich habe keine Ahnung, wo die verstreuten Teile alle hingehören. Zu meiner Überraschung redet sich Colton weder mit einem lässigen Kommentar heraus, noch fängt er an, mich ebenfalls anzubrüllen, stattdessen tritt er einen Schritt auf mich zu und hebt sanft mein Kinn an. Einen kurzen Moment mustert er mein Gesicht als müsste er chinesische Schriftzeichen entziffern, dann zieht er seine Hand wieder zurück.

»Ganz ruhig, Dörnchen. Ich wollte dich nicht erschrecken. Ehrlich gesagt, dachte ich dass du mich schon längst bemerkt hättest, mir aber die kalte Schulter zeigst. Aber keine Sorge, ich werde ab jetzt besser auf deine Schreckhaftigkeit achten«

Verwirrt sehe ich Colton in die braunen Augen, die mir demonstrativ entgegenblicken. Am liebsten würde ich den Ausdruck darin übersehen. Ich möchte nicht, dass er mich durchschaut.

»Tut mir leid. Ich hätte dich deswegen nicht anbrüllen sollen. Ich bin gerade nur etwas angespannt«

Ich weiß nicht, warum ich das sage. Ist das meine Version einer sinnbefreiten Rettungsaktion oder tut es mir tatsächlich leid? Ich bin zu durcheinander, um es bestimmen zu können.

»Sidon Lanford entschuldigt sich freiwillig bei mir?«, echot Colton in einem gespielt ungläubigen Tonfall, »Und das ohne das Ganze mit einer Beleidigung zu versalzen? Ich bin wirklich geschockt. Deine Anspannung verdreht dir aber gehörig den Kopf«

Ich weiß nicht, ob ich lächeln oder weinen soll, denn in diesem Moment klingt er genau wie der beste Freund, mit dem ich schon einmal einen Empfang überstanden habe. Es ist der gleiche neckende, aber liebevolle Tonfall, den er immer angewandt hat, um mich auf andere Gedanken zu bringen...

Auf einmal bin ich mir sicher, dass Colton mir die Ängste und Sorgen am Gesicht ablesen kann und sich deshalb so verhält. Er möchte mir helfen. Genauso wie früher...

»Warum machst du das? Unsere Abmachung von der Nacht des Vasenvorfalls ist schon lange abgelaufen. Warum schaltest du also vor meinen Augen den alten Colton an, als müsstest du dafür nur einen inneren Hebel umlegen?«

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt