Songs, rockstars and the fucking past

Kapitel 64

Colton

Wie der letzte Trottel stehe ich vor Sidons Tür und kann mich nicht dazu überwinden anzuklopfen. Ich bin den ganzen Weg bis nach Boston geflogen, nur um aufgrund von mangelnden Mutes am letzten Hindernis zu scheitern. Ganz toll... Warum habe ich mich auf diese verrückte Aktion überhaupt eingelassen? Es weiß doch verdammt nochmal jeder, dass mein behelfsmäßig zusammengeschusterter Song, Sidon nicht davon überzeugen wird, sich in meine Arme zu stürzen. Ich sollte einfach wieder gehen...

Doch genau das ist das Problem! Ich kann weder das eine noch das andere tun. Meine Hand fühlt sich an, als wäre sie aus Blei gegossen und hält mich davon ab, auf die Klingel zu drücken, doch meine Beine sträuben sich, von hier zu verschwinden. Es ist wie verhext!

»Also, dann bis morgen«

Die Stimme hallt mir durch Mark und Bein, denn ich kann sie eindeutig hinter der Tür verorten und dass ich plötzlich mehr als nur gedämpftes Raunen hören kann, bedeutet dann wohl, dass...

Bevor ich die Chance habe auch nur mit der Wimper zu zucken, öffnet sich die Tür und ein mir unbekanntes Mädchen taucht vor meiner Nase auf. Oh, fuck... Verzweifelt versuche ich Luft in meine Lungen zu saugen, während ich da stehe wie vom Blitz getroffen. Die Unbekannte ist nicht minder überrascht, denn sie hält mitten in der Bewegung inne und glotzt mich an wie ein Reh im Scheinwerferlicht.

Wahrscheinlich sehe ich mit einem ähnlichen Ausdruck in den Augen zurück. Der Unterschied ist nur, dass ich einen wirklich dämlichen Anblick abgeben muss. Schließlich stehen die wenigstens wie bestellt und nicht abgeholt vor einer Wohnungstür und halten sich an einer Gitarre fest als wäre es ein Rettungsring.

Wie ein Fisch auf dem Trockenen öffne ich den Mund, ohne etwas zu sagen, während das Mienenspiel der Unbekannten irgendwo zwischen Verwirrung, Neugierde und Wut rangiert.

»Ähhm, Sidon. Ich glaube, hier möchte jemand zu dir«

Mein Herz pocht so laut in meiner Brust, dass es mich mehr und mehr an einen Elektrobass erinnert. Und sobald Sidon hinter dem Mädchen auftaucht, bleibt nur noch Chaos zurück. Ihre Meine hat sich vor Schmerz verzogen und der Emotionscocktail in der Luft saugt mir all den Sauerstoff aus den Lungen.

»Schließ die Tür«

Sidons Worte treffen mich wie ein Schlag ins Gesicht, doch es ist nicht der Inhalt, der mir so zusetzt, es ist ihre Stimmlage, die man kaum als ein taubes Flüstern bezeichnen kann. Trotzdem besitzt ihr Befehl genug Energie, um das Mädchen in Bewegung zu setzen. Wie in Zeitlupe tritt sie zurück in die Wohnung und zieht dabei die Tür zu. Doch bevor Mrs. Unbekannt die Tür schließen kann, schnellt mein Fuß nach vorne und schiebt sich in den Spalt zwischen Holz und Rahmen.

Wahrscheinlich könnte ich die Tür selbst dann aufziehen, wenn Sidon mit ihrem ganzen Gewicht dagegen wirkt, doch ich bringe es nicht über mich, es zu versuchen. Stattdessen bleibe ich so stehen und hoffe, dass sie mir nicht gewaltsam den Fuß zerquetscht.

»Ich... Ich habe einen Song geschrieben«, platzt es aus mir heraus und ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, weil ich mich so dämlich aufführe. Ja, genau das wollte sie unbedingt wissen...

Oh Gott, kein Wunder, dass du den wichtigsten Menschen in deinem Leben zum zweiten Mal verlierst! Du bist absolut unfähig mit anderen Leuten zu interagieren, geschweige denn eine Beziehung mit ihnen zu führen.

»Er ist für dich... Ich meine, ich habe ihn für dich geschrieben. Ich habe heute Mittag angefangen als mir klar geworden ist, dass ich nicht zulassen kann, dass du ein weiteres Mal aus meinem Leben verschwindest. Das was ich gestern gesagt habe, war ernst gemeint: Du bist das Wichtigste für mich und genau deswegen kann ich nicht aufgeben, ohne zumindest versucht zu haben, das zwischen uns zu kitten. Du musst verstehen, dass ich wirklich nicht weiß, was damals passiert ist. Ich habe keinerlei Erinnerungen an diese Nacht. Deshalb war ich vollkommen überrascht, als du es mir in groben Zügen geschildert hast.