Kapitel 38

106 6 103
                                    

Colton

»Fuck, das ist doch alles hoffnungslos!«

Nun sitze ich schon zum zweiten Mal auf dieser Couch und halte Sidons Hand, nachdem Polizeibeamte und die Spurensicherung durchs Haus flanierten. Und zwar ohne bisher einen Erfolg verzeichnen zu können. Es konnten sich bisher keine Hinweise finden lassen. Der Satz auf dem Polaroid-Bild wurde mit dem Computer abgetippt. Es gibt keine Fingerabdrücke. Ach, verdammt!

»Das ist nicht wahr, Colton. Es gibt immer Hoffnung – egal wie unmöglich etwas wirkt oder wie gering die Wahrscheinlichkeit auch sein sollte. Es gibt immer Hoffnung. Es ist wie bei einem Sonnenstrahl. Nur weil man die Sonne gerade nicht sehen kann, weil die Wolken einem die Sicht versperren, ist sie nicht automatisch verschwunden. Okay?«

Nein, nein, eigentlich ist nichts okay. Aber in diesem Moment, als ich mein Gesicht zu Sidon drehe und dabei zusehe wie sich ihre Mundwinkel zu einem aufheiternden Lächeln heben, fühlt es sich beinahe so an. Denn für ein paar Sekunden steht in ihren Augen das Versprechen, mir zur Seite zu stehen und mich niemals im Stich zu lassen. Und das ist er – mein Sonnenstrahl.

»Du hast recht«, erwidere ich und verfluche mich mal wieder für diese extrem raue Stimme, die ständig auftaucht, wenn... wenn... Innerlich werfe ich ahnungslos die Hände in die Luft. Ach, wisst ihr was, es gibt kein Wenn. Diese Belegtheit taucht einfach so aus dem Nichts auf, um mich zu ärgern! Schnell räuspere ich mich, damit mein nächster Satz nicht wieder klingt als hätte man meine Stimmbänder mit Schmirgelpapier bearbeitet.

»Ich meine, wenn ich das laut aussprechen darf, ohne dass du einen Höhenflug bekommst. Am Ende muss ich mir bei unserem nächsten Schlagabtausch anhören, dass ich dir immer Recht gebe und wir wollen unsere Zeit ja nicht mit einer Diskussion über falsche Tatsachen verschwenden«

Jetzt klingt mein Tonfall deutlich lockerer, aber ich kann Sidon trotzdem nicht über die Unruhe in meinem Inneren hinwegtäuschen. Es ist, als könnte sie direkt in mich hineinsehen.

»Keine Sorge, das werde ich nicht. Ich versprech's«

Sidon drückt meine Hand und wir verfallen wieder in Schweigen. Doch es gibt eine Sache, die mich einfach nicht zur Ruhe kommen lässt.

»Ich verstehe nicht, wie ich einfach weiterschlafen konnte, während mir ein Irrer ein Messer an die Kehle drückt. Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Manchmal überlege ich... Als wir gestern feiern waren, konnte ich irgendwann kaum die Augen offen halten und auch jetzt fühle ich mich trotz der Aufregung todmüde. Denkst du, es könnte sein, dass mir jemand etwas in den Drink gemischt hat? Vielleicht irgendein Schlafmittel?«

Die Sorge in Ros Augen umringt mich wie ein tosendes Meer und als sie damit beginnt, auf ihrer Unterlippe herumzukauen, muss ich wieder an diesen verflixten Kuss von heute Morgen denken. Verdammt, das hätte ich nicht tun sollen.

»Möglich wäre es schon. Ich würde auf jeden Fall mit der Polizei über diesen Verdacht sprechen, vielleicht können sie irgendwelche Bluttest anordnen oder -«

»Oh mein Gott! Das ist alles meine Schuld! Ich hätte dich nie zu der Nacht im Club überreden sollen, C-man. Ich wusste, dass du in akuter Gefahr schwebst und jetzt hat dir offenbar jemand etwas in den Drink gemischt, damit er dich in Ruhe mit dem Messer bedrohen kann. Ich hab's versaut, Mann. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann -«

» - hätte es überhaupt keinen Unterschied gemacht«

Ich mustere J.P mit einem ernsten Blick, während er eine schuldbewusste Miene zieht und sich wie erstarrt an seine Tassen Tee klammert.

»Aber -«, möchte er protestieren, doch ich schneide ihm sofort das Wort ab.

»Es ist doch noch gar nicht bewiesen, dass mir jemand etwas verabreicht hat. Vielleicht ist mein schnelles Einschlafen wirklich nur auf Erschöpfung zurückzuführen, doch selbst wenn nicht: Du kannst nichts dafür, dass irgendein Verrückter es auf mich abgesehen hat. Außerdem schafft der Täter es anscheinend mit Leichtigkeit, in dieses Haus zu gelangen. Er hatte unseren kleinen Ausflug gar nicht nötig, um an mich heranzukommen. Sein Plan hätte auch hingehauen, wenn er mir nachts ein Chloroformtuch vor die Nase gehalten hätte. Es wäre vielleicht ein bisschen riskanter gewesen, aber es hätte auch funktioniert. Zuhause zu bleiben würde also nichts an dem hier ändern. Der einzige Unterschied ist, dass ich so einen netten Abend mit meinem besten Freund an der Bar verbringen konnte«

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt