Kapitel 10

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Sidon

Der Fahrer wirft mich mitten in einem Wald an einem Gattertor heraus und es kommt mir vor als wäre ich in einem Psychozoo gelandet. Nach seiner Aussage findet der Dreh am Rande des Griffith Park auf einem Privatgelände statt. Zuerst habe ich angezweifelt, dass wir hier wirklich richtig sind, doch der Fanclub, der mit Autos und Plakaten Stellung bezogen hat, überzeugte mich vom Gegenteil.

Colton hat sich bereits in die Menge geworfen und genießt die Zurschaustellung von Bewunderung sichtlich, während ich mich fühle, als würde ich gleich unter dem Mikroskop seziert werden.

»Das ist sie also«, flüstert eines der umstehenden Mädchen ihrer Kollegin zu, während das schrille Lachen einer anderen die Stille zerreißt. Eine Blondine schmiegt sich wie ein Kaschmirdecke an Colton, während ihre Freundin, mehrere Fotos von der Szene knipst. Coltons Gesicht kann ich aufgrund der Wahnsinnsmähne des Mädchens zwar nicht erkennen, aber dafür habe ich einen tollen Blick auf ihre gebräunten Beine, die tatsächlich nicht zu verachten sind.

Skeptisch lasse ich meinen Blick über die Schilder mit Aufdrucken wie „Colton, you will rock it!" oder „Macht Platz für die beste Staffel von TA!" wandern. Verdammt, wurden diese Mädels etwa von Mrs. Shine bezahlt, um

hier anzurücken?

Mittlerweile ist eine zierliche Rothaarige an die Stelle von Blondie getreten und legt eine Hand auf Coltons Arm, so als wäre es das Normalste der Welt, Berührungen mit einem Fremden auszutauschen. Wahrscheinlich hat der verdorrte Buchsbaum gerade einen selbstironischen Kommentar zum Besten gegeben, denn Bling-Bling-Top wirft den Kopf in den Nacken und stößt ein falsches Lachen aus. Sag ich ja, ich bin in einem verflixten Psychozoo gelandet!

»Hey, Si! Und bereit mich für wunderbare sechs Wochen auszuhalten?«, ruft mir Colton über den Kopf des Rotschopfs entgegen und fixiert mich dabei mit einem Blick, der jeden anderen wohl am Boden festgenagelt hätte. Doch durch meine Rüstung aus flammender Wut bin ich selbst gegen das intensive Funkeln seiner Augen gewappnet. Locker wie eh und je schlendere ich ein wenig näher, weil ich anders als er nichts davon halte, Gespräche über eine Entfernung von gut vier Metern zu führen.

»Glaub mir, dafür kann man gar nicht bereit sein«, schleudere ich ihm entgegen, »Dein Charakter belegt bei mir gerade Platz eins der gefährlichsten Nervtötungsmaschinen, was in etwa gleichbedeutend mit einem Massengemetzel ist. Wie du also erkennen kannst, freue ich mich total auf unsere Zusammenarbeit«

Ich bin mir sicher, dass der Sarkasmus derartig aus meinen Worten trieft, dass sich unter mir eine kleine Pfütze bilden muss. Doch selbst das hält Colton nicht davon ab, Bling-Bling-Top von sich zu drücken und seinerseits ein paar Schritte in meine Richtung zu machen. Ob man auf Sarkasmus ausrutschen kann? Ich hoffe es schwer, denn ich würde nur allzu gerne dabei zusehen, wie Coltons herausforderndes Grinsen bei einem Fall auf den Hintern von seinen Lippen gewischt wird.

»Die Freude ist ganz auf meiner Seite«, spottet er, während er seine Hände tief in den Taschen seiner Kapuzenjacke vergräbt, »Deine überragende Kooperationsbereitschaft und dein Hang mir in den ersten Sekunden schon die Mordabsicht an tausenden von Nerven zuzuschreiben, lässt meinen Körper selbstverständlich vor Vorfreude durchdrehen«

In diesem Moment wünschte ich wirklich echte Dolche würden aus meinen Augen schießen und ihn mitten ins Herz treffen. Denn selbst nachdem ich schon zwei Begegnungen mit ihm überlebt habe, bin ich immer noch geflasht davon mit welch einer Arroganz er mir gegenübertritt. Es wirkt beinahe so als hätte er die Tatsache, dass nicht ich sondern er die Schuld an meinem plötzlichen Verschwinden trägt, erfolgreich aus seinem Gedächtnis getilgt.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt