IV.

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Sidon/Zwei Jahre zuvor

»Bist du dir wirklich sicher, dass das eine gute Idee ist?«, rufe ich Colton durch die Badezimmertür zu, während ich mir mit den Händen nervös durch die Haare fahre. Durch den geflochtenen Zopf, den ich den ganzen Tag über getragen habe, fallen sie mir in weichen Wellen über die Schulter und wärmen die nackte Haut. Warum muss Colton nochmal ausgerechnet im Februar Geburtstag haben?, rauscht es mir durch den Kopf, obwohl das eigentlich das geringste Problem an der ganzen Sache ist. Immerhin könnten wir es uns jetzt genauso gut in einem der Sitzecken von „Danny's Pancakes" bequem machen und uns mit saftigen Pfannkuchen vollstopfen.

Stattdessen stehe ich in einem Spaghettiträger-Kleid vor dem großen Spiegel in Coltons Badezimmer und wringe nervös meine Hände. Es ist nicht nur das Unwohlsein, das mit diesem ungewohnten Kleidungsstück einhergeht, sondern die Tatsache, dass mich dieser öffentliche Anlass verunsichert. Ich fühle mich schlichtweg nicht dazu bereit einem ganzen Saal voller Leute unter die Augen zu treten, die ich nie in meinem Leben gesehen habe und die mit großer Wahrscheinlichkeit auf mich herabblicken werden. Eine kleine Unbekannte im Second-Hand-Kleid mit den fehlenden Manieren und schlechten Umgangsformen, höre ich es schon hinter meinem Rücken schallen, doch ich verdränge die Stimme.

Colton braucht dich. Du machst das hier allein für ihn. Außerdem wird er nicht zulassen, dass du den ganzen Abend vor dich hinvegetierst, ohne auch nur einen Funken Spaß zu erfahren.

»Willst du die ehrliche oder die besänftigende Antwort?«, fragt er mich und seine Stimme klingt durch das schwere Holz der Tür ein wenig gedämpft.

»Eine Mischung aus beiden, bitte!«

Ein belustigtes Schnauben dringt an mein Ohr.

»Na dann, muss ich dir leider mitteilen, dass ich alles andere als überzeugt von meinem Einfall bin. Wir das aber sicher irgendwie schaukeln werden. Spaßig wird es vermutlich nicht werden, aber ich verspreche, dass ich es wieder gut machen werde... «

Für einen Moment hält er inne, bevor er ein humorloses Seufzen ausstößt.

»Ach, verdammt. Seien wir doch mal ehrlich, wäre ich kein selbstsüchtiger Idiot, würde ich alleine hingehen und das Drama ohne deine Unterstützung durchstehen. Du weißt ja nicht einmal, auf welchen Irrsinn du dich eingelassen hast«

»Dann erzähl es mir«, erwidere ich, während ich den Rock meines schlichten Kleides glatt streiche.

»Das werde ich... Aber erst wenn du endlich rauskommst. Ich führe solche ernsten Gespräche nicht gerne über das Holz einer Tür hinweg«

Allein bei dem Gedanken in diesem Aufzug aus dem Raum zu marschieren, erfüllt mich Beklemmung, aber da ich den ganzen Abend in diesem Kleid verbringen werde, sollte ich vielleicht anfangen mich daran zu gewöhnen. Es ist nicht so, dass ich meiner Wahl unzufrieden bin, ich habe einfach nur ein Problem mit Veränderungen und dieses Kleid weicht meilenweit von meinem eigentlichen Look ab.

Augenrollend kehre ich meinem Spiegelbild den Rücken und öffne die Tür, die Coltons Zimmer von dem angrenzenden Bad trennt.

»Bitte sag mir, dass das Kleid in Ordnung ist und ich auf diesem Empfang nicht angestarrt werde, als hätte ich mir gerade nackt einen Eimer Farbe über den Kopf gekippt«

Ich versuche mir einzureden, dass es mir egal ist, was Colton von meinem Aufzug hält, solange er es für empfangsgerecht befindet, aber ich scheitere kläglich. Das Magenflattern in meinem Bauch straft mich Lügen und ich traue mich endlich Colton ins Gesicht zu sehen.

Ich beobachte ihn dabei, wie seine Augen an meinem Körper auf und ab streichen, als hätte er Angst davor, ein Detail nicht wahrzunehmen. Dabei gibt es an dem schlichten schwarzen Kleid, das oben eng anliegt und dann in einem locker fallenden Rock irgendwo über meinen Knien endet, nicht viel zu analysieren. Es ist einfach das nächstbeste, – und vor allem günstigste – Kleid, das ich in Anestry Creek auftreiben konnte.

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