Kapitel 65

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Sidon

»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll«

Haily zuckt hilflos mit den Schultern, während sich Beunruhigung in mir breit macht. Irgendetwas hat sie aufgewühlt. Irgendetwas Großes, denn so wie sie uns alle mustert, wird dieser Tornado nicht nur über ihr Leben hinwegfegen, sondern auch über unseres. Ich weiß nicht, wie das möglich sein soll...

»Wie wäre es, wenn du nochmal etwas näher darauf eingehst, was du hier machst? Ich meine, habe ich etwas verpasst? Mir ist klar, dass wir vor zwei Jahren den Kontakt verloren haben, aber ich hatte keine Ahnung, dass du in Boston lebst«

Wie von selbst streift meine Hand über Coltons und er dreht den Kopf zu mir, als hätte er die stumme Botschaft sofort verstanden.

»Ich wollte es dir noch erzählen, aber in all dem Tohuwabohu habe ich es ehrlich gesagt wieder vergessen. Weißt du Layla – oder besser gesagt Haily – ist hier in Boston auf Avel getroffen und die beiden haben sich über die Zeit angefreundet. Jedenfalls habe ich auch erst vor kurzem von dieser seltsamen Überschneidung erfahren, als Haily in einen Video-Chat von mir und Avel hereingeplatzt ist«

Nachdenklich nickt er und es ist ihm anzusehen, dass er das alles noch gar nicht glauben kann. Wenn ich daran zurückdenke wie überrascht ich war Layla widerzusehen, kann ich mir seine Verwirrung nur allzu gut vorstellen.

»Das fasst es schon einmal ganz gut zusammen«, erwidert Haily und linst dabei zu Avel hinüber, die bisher kein Wort gesagt hat. Kein Wunder, dass plötzlich alles auf einmal über ihre Lippen zu strömen scheint...

»Nur fehlt nach wie vor die Antwort auf die Frage, warum du in erster Linie verschwiegen hast, dass du Sidon kennst. Und was es mit der Namensänderung auf sich hat. Und -« Wie um sich zu stoppen, kneift Ave die Lippen aufeinander und atmet einmal kurz ein und aus. »Sorry, ich wollte nicht drängeln. Es ist nur, dass ich diese Fragen jetzt schon seit Tagen in meinem Kopf herumschiebe und nicht besonders gut mit der Ungewissheit umgehen kann. Ich schätze mal, ich darf heute auf Antworten hoffen?«

»Natürlich. Heute bleibt keines meiner Geheimnisse ungelüftet. Ich verspreche es«

Avel und Haily tauschen einen langen, intensiven Blick und ich fühle mich ein ums andere Mal wie ein Eindringling. Trotzdem komme ich nicht umhin zu bemerken, mit welcher Zärtlichkeit die beiden sich ansehen.

»Bevor ich alles erzähle, möchte ich euch sagen, wie leid es mit tut. Ich weiß, eine Entschuldigung wird weder das Verstecken der Wahrheit noch meine Taten rechtfertigen, aber ich finde, ihr solltet wissen, dass ich aus meinen Fehlern gelernt habe. Ich lasse nicht zu, dass so etwas noch einmal passiert«

Entschlossen sieht sie jeden von uns der Reihe nach an und ich spüre, dass sie es mit ganzer Seele ernst meint. Was auch immer ihre Sünden sind, es wird keine Wiederholungen geben. Als letztes bleibt ihr Blick an Avel hängen und ihre Augen werden eine Spur sanfter.

»Alles was ich dir vor ein paar Tagen gesagt habe stimmt. Du hast die echte Haily kennengelernt, all das was ich jetzt erzähle, sind nur die Komponenten, die aus mir gemacht haben, wer ich heute bin. Vergiss das nicht. Ich wollte dich nie belügen oder dir etwas verschweigen, aber ich hatte Angst dich zu verlieren. Außerdem bist du nicht die einzige, die ein Recht darauf hat, die Geschichte zu hören. Und ich fand, dass Sidon und Colton es nicht verdient haben, das alles übers Telefon zu erfahren«

Der letzte Satz ist wie ein Schlag ins Gesicht. Plötzlich gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass wir ein Teil ihres Geheimnisses sind.

»Ich schätze, für diese Geschichte gibt es keinen vernünftigen Einstieg. Also stelle ich mich einfach nochmal vor: Hallo, ich bin Haily und seit 688 Tagen clean«

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