VII.

92 7 82
                                    

Sidon/Zwei Jahre zuvor

»Wir haben es tatsächlich geschafft«

Coltons Augen strahlen heller als die Sonne draußen und am liebsten hätte ich mein Handy herausgenommen, um ein Foto von diesem Anblick zu schießen. Ich habe C. noch nie auf diese Art und Weise lächeln sehen. Er wirkt vollkommen gelöst. Frei. Stolz. Und letzteres ist wohl das Wichtigste von allem, denn obwohl Colton mehr Talent in einer Hand hat als andere in ihrem ganzen Körper, schleppt er seine Zweifel 24/7 mit sich herum. Die Angst nicht gut genug zu sein, atmet ihm in den Nacken und eigentlich rechnet ein Teil von ihm immer damit, dass er scheitert. Manchmal wünschte ich, dass ich ihm einen Teil meines Glaubens schenken könnte.

»Ich habe gehört, wir haben hier zwei prominente Gäste bei uns sitzen und da dachte ich mir: Für diese beiden lege ich sogar einen Extraweg ein«

Jane Higgens taucht mit einem Tablett vor uns auf, auf denen sich ein Cappuccino und ein Caffé con Panna – übersetzt Kaffee mit Schlagsahne – befindet. Normalerweise übernimmt ihr Mann Danny das Kellnern. Da das Pfannkuchenhaus eine Art Selbstbedienerladen mit speziellem Büfett ist, kommt das Ehepaar wunderbar ohne Hilfskraft aus. Der Besitzer Danny bezieht hinter der Bartheke Stellung, bereitet Getränke zu und verteilt sie, während seine Frau in der Küche steht und warme Pfannkuchenbeläge zubereitet.

»Danke, Jane. Aber noch ist es nicht so weit. Wir haben gerade erst das Album fertiggeschrieben und nur weil die Plattenfirma die Trackliste nun endgültig abgesegnet hat, bedeutet das nicht, dass die CD Erfolg haben wird«

Bevor ich etwas dagegen unternehmen kann, rolle ich auch schon mit den Augen.

»C.! Ich dachte, wir hätten das besprochen. Heute ist ein zweifelfreier Abend, an dem wir dein erstes richtiges Album feiern! Ich habe keinen Zweifel daran, dass die Songs gut ankommen werden. Und weißt du auch, warum?«, Ohne eine Antwort abzuwarten, rede ich einfach weiter, »Weil man bei jedem dieser Lieder hören kann, wie viel dir das Gesagte bedeutet und wie sehr du für die Musik lebst. Dein Gesang berührt die Menschen, weil all die Emotionen real sind. Zudem bist du mit einer Stimme gesegnet, die einen in den Bann zieht und einfach nicht mehr loslässt. Vertrau mir, das Album wird ein Erfolg werden«

In den letzten Satz lege ich all meine Überzeugung, auch wenn ich nicht leugnen möchte, dass ich während unseres Songschreibprozesses manchmal meine Zweifel hatte. Aber das gehört zum Künstlerdasein dazu. Das Wichtigste ist, dass man sich von diesen Bedenken nicht aufhalten lässt.

»Die ganzen Songs wären nichts ohne deine Texte, Ro«

Die Wärme in seiner Stimme lässt mich schwer schlucken und irgendein dummes Vieh in meinem Magen flattert vor sich hin. Oh Gott, nicht schon wieder...

»Ohne dich wäre ich nur ein weiterer Kerl mit einer durchschnittlichen Stimme und dem Wunsch Rockstar zu werden. Aber ich hätte nicht die Hauch einer Chance, weil ich nicht das kann, was du so meisterhaft beherrschst. Vielleicht kann ich Melodien schaffen, die dafür sorgen, dass die Leute aufhorchen und für einen Moment innehalten, aber deine Texte überreden sie zum Bleiben«

Fuck... Meine Fingernägel graben sich unter dem Tisch in den Stoff meiner Jeanshose, während ich versuche, mich daran zu erinnern wie man verdammt nochmal atmet. Ich weiß nicht, wie ich seine Worte auch nur annährend verdauen soll, denn ehrlich gesagt, habe ich selten so etwas Schönes gehört. Deine Texte überreden sie zum Bleiben.

»Gibt es denn sonst noch etwas anderes zu feiern?«

Mrs. Higgins räumt die Teller ab, die Colton und ich nach zig Pfannkuchenvariationen hinterlassen haben. Mittlerweile sind wir beide bis an den Rand gefüllt, aber bevor wir gehen, wollten wir noch mit Kaffee anstoßen.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt