Kapitel 33

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Sidon

Ich glaube, mein Herz ist stehen geblieben. Womöglich ist es aber auch die Zeit, die einfach mal so auf die Stopp-Taste gedrückt hat und mich nun in meiner Glasglocke aus Schock gefangen hält. Mir ist durchaus bewusst, dass dieser Zustand jetzt schon mehrere Minuten andauert und das Leben um mich herum an Fahrt aufgenommen hat. Doch nichts davon scheint wirklich in mein Hirn zu dringen, stattdessen beobachte ich alles wie durch eine dicke Glasscheibe hindurch und gebe die nötigsten Antworten – fast so als würde jemand anderes sie mir in den Mund legen.

Trust-again-Mitarbeiter wuseln durch unser Wohnzimmer und sammeln das Equipment ein, während eine Stimme in meinem Kopf in Dauerschleife wispert: Eine Reise nach Anestry Creek. Es ist fast so, als würde ein Teil von mir denken, die Worte würden irgendwann in der Versenkung verschwinden, wenn ich sie nur oft genug wiederhole.

Verdammt, warum hat er das bloß getan? Ich spüre wie mir Coltons Blick ein Loch in die Wange brennt, aber ich bin noch nicht bereit dafür, mich ihm und der Realität zu stellen.

Ich wollte dieses Kaff nie wieder betreten. All die schönen Erinnerungen, die nach jener Nacht in eine hässliche Farbe getaucht wurden, können mir verflucht nochmal gestohlen bleiben. Zudem ist es weitaus einfacher die unangenehme Konstellation zwischen meinen Eltern und mir zu ignorieren, wenn ich mich am anderen Ende des Landes befinde.

»Sag was«, flüstert Colton. Mittlerweile ist die Stille zurück ins Haus gekehrt und im Wohnzimmer befinden sich keinerlei Spuren des heutigen Drehs mehr. Das einzige, was zurück geblieben ist, sind meine kreisenden Gedanken und das Gefühlschaos, das durch meinen Körper wogt. Ich kann nicht fassen, dass er und diese Show mich zwingen wieder an diesen Ort zurückzukehren...

Sofort schießt mein Kopf in seine Richtung und ich durchbohre ihm mit einem Blick, der sein Innerstes hoffentlich in den Grundmauern erschüttert.

»Jetzt willst du meine Meinung zu dem Thema? Jetzt, wo alles schon beschlossene Sache ist und Megan dabei ist den nächstbesten Flug zu buchen. Vielen Dank auch für diese Rückmeldungschance, Colton! Auf deinem Feedbackbogen werde ich übrigens ein Kreuzchen bei „beschissen" setzen, was die Idee, deine Kommunikationsfähigkeit und deine Rücksicht anbelangt«

Colton sieht mich mit einem unergründlichen Blick an. Trotz meiner harschen Worte macht er einen ruhigen Eindruck auf mich und das macht mich noch wütender. Schön, dass ihn all das gar nicht berührt!

»Ich denke, dass könnte gut für uns beide sein. Zurückzugehen, meine ich. Wir haben immer noch nicht ganz geklärt, was da in der Vergangenheit zwischen uns passiert ist und so können wir vielleicht beide einen Weg finden, mit der Sache abzuschließen«

Am liebsten hätte ich ihm mit der altmodischen Standuhr an der gegenüberliegenden Wand eine runtergehauen.

»Ich war gerade dabei mit der Sache abzuschließen, als du plötzlich ein Interview dazu genutzt hast, mich in deine Reality-Show-Pläne miteinzubeziehen! Aber schön, dass dir deine Ab-nach-Anestry-Creek-Idee so gut gefällt! Bitte lass' mich bei deinen Friede-Freude-Eierkuchen-Fantasien aber aus dem Spiel. Ich wollte nämlich nie an diesen Ort zurückkehren! Ich meine... Was willst du da überhaupt? Denkst du, dir fällt sofort eine Last von den Schultern, wenn du aus dem Flugzeug steigst? Das ist kompletter Blödsinn!«

Wenn Colton vor ein paar Sekunden noch verloren aussah, verzerrt jetzt dieselbe Wut seine Züge, die auch in mir wütet.

»Was willst du überhaupt von mir? Ich habe diesen Wettbewerb gewonnen und dafür einen Wunsch erhalten. Dass du ein Mitspracherecht dabei hast, war von Anfang an nicht abgesprochen. Es ist immerhin mein Wunsch! Ich müsste dich nicht mal jetzt nach deiner Meinung fragen, aber da du selbst nach zehn Minuten wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa saßt, dachte ich, es wäre eine gute Idee, ein klärendes Gespräch zu führen. Aber mit dir kann man ja nicht reden! Du bist so verdammt stur und denkst du bist automatisch im Recht, nur weil du deine Sätze hübscher formulieren kannst als die meisten. Tja, soll ich dir was sagen: Wenn du wirklich so ein großes Problem damit hast, wie ich meinen Wunsch eingesetzt habe, dann hättest du lieber bei Megan ein Veto einlegen sollen, anstatt stumm zu schmollen!«

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