Kapitel 42

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Sidon

»Wow... Du hast sie all die Jahre behalten?«

Colton starrt ehrfürchtig auf die Skateboards, die vom „Trust again"-Team auf einem Tisch drapiert wurden. Das Möbelstück sieht im dunklen Nirgendwo des Parks ein wenig fehl am Platz aus, aber irgendetwas an diesem Anblick lässt trotzdem ein Hauch Entzückung durch mein Inneres hallen.

»Dann existiert dein früheres Skateboard jetzt also nur noch auf der Müllhalde?«, frage ich.

»Natürlich nicht!«

Colton schüttelt energisch den Kopf, während er über die Unterseite meines ersten selbstgekauften Boards streicht, das über und über mit Stickern beklebt ist. Ich erinnere mich kaum an das Motiv, das mal darauf zu sehen war, denn ich begann seit Tag eins damit es zu personifizieren. Allein bei dem Gedanken an all die Male, als C. mich mit neuen Aufkleber für mein Board überraschte, muss ich lächeln.

Trotzdem frage ich mich, warum Colton denkt ich hätte meine Skateboards nicht behalten, wenn er ebenfalls noch in ihrem Besitz ist.

»Ich dachte allgemein, dass du keine Erinnerungsstücke behalten hättest«

Offenbar kann man mir die Gedanken am Gesicht ablesen und diese Tatsache gefällt mir gar nicht. Ich kann es mir nicht leisten Colton noch näher an mich heranzulassen. Aber verdammt sein rauer, belegter Timbre lockert meine Zunge und ehe ich mich versehe, teile ich ein weiteres Geheimnis mit ihm.

»Ich habe mehr mit nach Boston genommen als du glaubst. Eine CD deines Albums mit unser beider Unterschrift darauf. All die Bilder, die ich mit einer Polaroid-Kamera von uns schoss. Oh und wenn du dich fragst, wohin dieser unglaublich weiche Pullover mit Linkin-Park-Aufdruck verschwunden ist. Den habe ich dir irgendwann mal stibitzt und dann den ganzen Weg nach Boston verschifft«

Überraschung blitzt in Coltons Augen auf und ein Lächeln zupft an seinen Lippen. Ich erwarte einen überheblichen Spruch, doch stattdessen sieht er mich an als würde er mich das erste Mal betrachten. Sein Blick prickelt auf meiner Haut und eigentlich sollte ich das Gesicht abwenden, aber ich kann nicht. Seine Sogwirkung hat eingesetzt und für einen Moment fühlt es sich an, als würde ich in dem Braun versinken.

»Also, was ist jetzt? Fahren wir eine Runde oder hast du Angst, dass es dich nach fünf Metern vom Board wirft?«

Meine Provokationen waren schon immer der beste Weg, unseren intensiven Blickaustausch zu beenden.

»Ich bin mir sicher, ich fahre noch genauso exzellent wie früher. Die Frage ist eher, ob du in den letzten zwei Jahren noch langsamer geworden bist. Falls dem so ist, gebe ich dir gerne ein paar Sekunden Vorsprung bei unserem kleinen Wettrennen«

Entschuldigung?! Empört klappt meine Kinnlade herunter und bevor ich mich davon abhalten kann, gebe ich Colton auch schon einen spielerischen Klapps auf den Arm, was dieser nur mit einem noch breiteren Grinsen erwidert. Am liebsten hätte ich nochmal zugeschlagen, aber es ist schon ein halbes Vergehen, dass ich zu dieser vertrauten Geste gegriffen habe. Klar, so ein kleiner Klapps steht auf der Innigkeitsskala natürlich zehn Stufen über einem Kuschel-Serien-Abend im gemeinsamen Bett.

»Ein Wettrennen? Was wird das? Boykottierst du meine Überraschung und nimmst die Planung selbst in die Hand?«

Ich verschränke die Arme vor der Brust, doch die Pose wirkt mit dem Grinsen in meinem Gesicht nicht mal halb so einschüchternd wie geplant.

»Da versucht sich jemand vom Verlieren zu drücken«

»Oh, du vergisst wohl, dass ich ein paar unserer Wettbewerbe gewonnen habe. Also bilde dir ja nicht ein, dass ich dich diesen hier gewinnen lasse«

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