III.

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Sidon/Zwei Jahre zuvor

»Ich verstehe nicht, wie du dich für ein „Audio Engineering"- Studium bewerben konntest, wenn Schreiben deine Leidenschaft ist«, murmelt Colton vor sich hin, während wir beide nebeneinander auf seinem Bett liegen und nachdenklich an die Decke starren. Normalerweise würde ein solcher Kommentar dafür sorgen, dass ich die andere Person zähneknirschend niederstarre, doch C. genießt eine Art Freipass. Bei ihm kann ich mir wenigstens sicher sein, dass er mein gewünschtes Musikstudium nicht von oben herab behandelt, so als wäre meine Entscheidung nichts weiter als der Traum einer verblendeten Vierjährigen.

„Die Musikbranche ist hart!" – hat sich zum Lieblingsspruch meiner Eltern und Lehrer entwickelt und dabei habe ich noch einen Studiengang mit guten Zukunftschancen gewählt. Beim „Audio Engineering" geht es nicht darum, sich bis ganz nach oben an die Spitze zu kämpfen oder sich einen Namen zu machen. Es ist genau genommen wie jeder andere Job auch, denn obwohl ich dabei an Songs und Alben mitwirke, stehe ich dabei zu keiner Zeit im Rampenlicht. Entweder ich werde meine Zeit in Tonstudios am Mischpult verbringen oder in Konzerthallen dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft.

»Es kann halt nicht jeder so risikofreudig und talentiert sein wie du«, kontere ich und knuffe Colton leicht in den Arm, damit er weiß, dass er dringend mal aufhören sollte, mir ständig diese Frage zu stellen. Vor allem jetzt da meine Bewerbungen wahrscheinlich schon bei den unterschiedlichen Universitäten eingegangen sind. Ein leises Rascheln neben mir verrät mir, dass sich C. in meine Richtung gedreht hat, was in unserer Sprache bedeutet, dass er mit mir ein Vier-Augen-Gespräch führen möchte.

Augenverdrehend rolle ich mich von meinem Rücken in eine Seitenposition und begegne dabei sogleich Coltons strengem Blick. »Jetzt hör mal, jeder weiß, dass du von uns beiden diejenige bist, die von Kopf bis Fuß mit Talent abgefüllt wurde und deswegen beinahe auf Knopfdruck abliefern kann. Wäre die Musikindustrie nicht so bescheuert aufgebaut, dann wärst du anstelle von mir unter Vertrag genommen worden. Meine Musik wäre nichts ohne dich«

Sofort fliegen ein paar Schmetterlinge durch meinen Bauch, denn obwohl ich weiß, dass C. eine hohe Meinung von mir hat, überwältigen mich seine Worte jedes Mal aufs Neue.

»Nur deine Musik?«, necke ich und grinse ihn dabei frech an.

»Nein, nicht nur die...« Colton sieht mich mit einem Blick an, der meine Haut prickeln lässt und dafür sorgt, dass Hitze in meinem Körper aufsteigt. Ich liebe dieses Gefühl, auch wenn ich es die meiste Zeit bis aufs Äußerste verfluche. Aber wer kann sich schon gegen die süße Mischung aus Aufregung, Gefahr und Zufriedenheit wehren? »Wir beide wissen, dass ich ohne dich nichts auf die Reihe bringen würde. Ich wäre vermutlich schon längst in Dunkelheit versunken, wenn du mich nicht jeden Tag aufs Neue vor den dunkeln Wogen retten würdest«

Mein Herz pocht bei seinen Worten in einem fröhlichen Takt und ich kann nicht verhindern, dass sich ein gerührtes Lächeln auf meine Lippen schleicht. Ich bin kurz davor mich in seinen Augen zu verlieren und mich von den traurigen Wellen in seinem Blick einfach einlullen zu lassen, als ich mich wieder zur Ordnung rufe. Verdammt, ich hatte mir doch geschworen endlich mit diesem Mist aufzuhören! Stark blinzelnd fokussiere ich mich auf die Stelle direkt über seinem Kopf, die einen Ausschnitt seines kahlen, geordneten Zimmers zeigt.

»Das ist nicht wahr. Du könntest auch ohne mich grandiose Songs schreiben, obwohl du mir das nie glauben willst: Die richtigen Worte stecken bereits in dir drin. Du musst nur endlich diese Blockade loswerden und sie hinauslassen. Zum Beispiel das, was du eben gesagt hast... Das könnte mit ein paar Feinschliffen hier und da bereits die Zeile für einen neuen Song sein«

Coltons Augen haben die magische Fähigkeit, sich von einer Sekunde auf die andere zu verdunkeln und es ist jedes Mal sogleich faszinierend und herzzerreißend, es mit anzusehen.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt