VI.

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Sidon

Eigentlich sollte ich Nein sagen. Himmel, ich kann ja noch nicht mal tanzen und würde mich deswegen so oder so nur blamieren, aber natürlich hat die Logik, in meinen vier Wänden mal wieder nichts zu sagen. Auch dass es vielleicht eine seltsame Atmosphäre erschaffen könnte, wenn wir uns eng umschlungen zum Takt der Musik bewegen, interessiert den Großteil meines Verstandes gerade herzlich wenig.

»Okay«, gebe ich meine Zustimmung und könnte mich deswegen gleich aus mehreren Gründen ohrfeigen. Verdammt, hör auf so zu klingen, als wärst du ihm verfallen, Sidon! Bleib cool!

»Beschwer dich aber nicht, wenn ich dir auf die Zehen trete« Das lässige Grinsen auf meinen Lippen fühlt sich unnatürlich an, doch immerhin befinde ich mich jetzt wieder auf sicherem Terrain. Diese ewige Spannung, die zwischen uns in der Luft hängt, treibt mich noch in den Wahnsinn – vor allem, weil ich vermute, dass Colton nichts davon mitbekommt. Für ihn bin ich nur seine beste Freundin.

»Als ob ich mich das jemals trauen würde. Bei meinen fehlenden Tanzkünsten muss ich mir eher Sorgen um das Heil deiner Füße machen«

Mit diesen Worten führt mich Colton auf die Tanzfläche.

»Je länger ich darüber nachdenke, desto schlechter finde ich deine Idee«, ziehe ich C. auf, »Zum einen, fehlen mir die Stahlkappen an den Schuhen und zum anderen werden wir uns wohl eher vor versammelter Mannschaft zum Affen machen, als dass wir unserem Abgang die Kirsche aufsetzen. Wahrscheinlich werden wir aussehen wie ein paar Seekühe, die ihre Version von Schwanensee präsentieren«

»Tja, zu spät, Ro. Unser Schicksal wurde bereits besiegelt. Wie Feiglinge wieder von der Tanzfläche zu flüchten, wird uns auch nicht vor einer Blamage beschützen«, flüstert mir Colton zu und weist mit einer kleinen Geste auf die tanzenden Paare um uns herum. Der Idiot hat uns mitten ins Herz der Walzerparty geführt, die sich schon geformt hat, als die Musiker den ersten Ton anstimmten. Anscheinend ist Tanzen ein bewährtes Mittel um langweiligen Gesprächen zu entkommen, so dass bereits sechs Paare, um uns herumwuseln und die Messlatte mit ihrer Eleganz weit oben ansetzen.

»Super, das ist wirklich beruhigend« Nervosität rast durch meinen Körper, während ich erfolglos versuche, mein Know-How über Standardtänze hervorzukramen. Verdammt, ich will hier weg, schießt es mir durch den Kopf, während ich mich für meine unüberlegte Entscheidung schütteln könnte.

Colton, der meinen Gefühlumschwung anscheinend bemerkt hat, löst unsere Seite-an-Seite-Position auf, damit er sich direkt vor mich stellen kann. Mit einem teils besorgten, teils bekräftigen Blick sieht er auf mich hinab und schafft es dabei, mein Herz ein wenig leichter werden zu lassen.

»Hey, das hier ist kein Tanzwettbewerb, Ro. Die Leute hier tun vielleicht so als wäre es furchtbar wichtig, elegant zur Musik dahinschweben zu können, aber wir haben ja schon lange festgestellt, dass die alle einen an der Klatsche haben«

Cs Augen leuchten schelmisch auf und ich muss mir wirklich Mühe geben, nicht wie irgendeine nervige Buchprotagonistin dahin zu schmelzen.

»Lass uns einfach ein bisschen Spaß haben, okay? Ein Tanz mit mir ist ja wohl das Mindeste, was meiner festen Freundin zusteht« Coltons Zwinkern in Kombination mit seinen Worten löst etwas in mir aus, das sich nur als „Herzexplosion" beschreiben lässt. Und ich schicke zum wiederholten Mal ein Stoßgebet zum Himmel, dass man mir meine Gefühle nicht am Gesicht ablesen kann.

»Na schön. Ich schätze ein Tanz kann nicht schaden« Ein besonders hämisches Stimmchen lacht sich gerade in einer Ecke meines Hirn schlapp, denn es kann mir auf so viele Arten und Weisen zum Verhängnis werden, dass ich gar nicht mal wage, sie alle aufzuzählen.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt