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Colton/zwei Jahre zuvor

Ich laufe wie auf Autopilot. Musik erfüllt meine Ohren und flutet all meine Sinne, während ich zwanghaft versuche mein Hirn abzuschalten. Du bist mit Layla hier und hast Spaß, sage ich mir immer wieder und zum Teil stimmt das ja auch. Ich hatte die letzten Wochen sehr viel Spaß, obwohl ich dem vielen Feiern zuerst kritisch gegenüberstand. Ich bin nicht unbedingt eine Person, die sich an Orten mit vielen Menschen blicken lässt, doch Layla hat mich in die Welt der Clubs eingeführt. Und dadurch, dass sie uns nur zu Locations zerrt, in denen gute Live-Musik läuft, fühle ich mich wohler als gedacht.

Der Bass dröhnt durch meinen Körper, während der Sänger die Lyrics in sein Mikrofon schmettert. Um mich herum sind überall verwischte Gestalten, die sich durch die schummrige Atmosphäre und das Neonlicht zu einem einzigen Farbfleck vermischen. Ich zwinge mich selbst so etwas wie Euphorie zu empfinden und obwohl mein Herz von der puren Energie im Raum laut klopft, kann ich den Moment nie länger als ein paar Sekunden festhalten.

Mein Kopf ist nicht irgendwo in den Wolken gefangen, sondern steckt tief in dem Problemhaufen, der sich um mich herum aufgetürmt hat und mich beinahe zu ersticken droht. Ich meine eigentlich läuft alles super. Das Schuljahr ist geschafft. Ich habe meinen Abschluss in der Tasche, eine liebenswürdige, feste Freundin und meine Karriere ist ebenfalls kurz davor richtig durchzustarten. Es wäre also der perfekte Augenblick, um loszulassen und einfach glücklich zu sein.

Stattdessen mache ich mir Sorgen darüber, dass mein Album doch nicht so gut ankommt wie erhofft und mein Plattenvertrag platzt. Genauso große Angst habe ich davor, dass schlechte Kritiken auf mich niederhageln werden, sobald es veröffentlicht wird und niemand zu den geplanten Konzerten kommt. Aber der allerschlimmste, schlafklauende Wirt, der sich in meinem Hirn breit gemacht hat ist Sidon.

»Worüber grübelst du denn jetzt schon wieder nach, Colton? Komm tanz mit mir!«, brüllt Layla mir über die Musik hinweg zu. Ihre blonden Haare mit dem Erdbeerstich wirbeln bei jeder Tanzbewegung durch die Luft und ihre Wangen leuchten rosig von der Anstrengung und der Hitze im Raum. Okay, vielleicht hat der Alkohol auch noch einen Anteil daran. Das ist vermutlich auch der Grund dafür, dass Laylas Pupillen mir so groß erscheinen.

Ich greife nach ihrer Hand und wirbele meine Freundin einmal im Kreis herum. Tanzen gehört nicht unbedingt zu meinen Stärken. Trotzdem vergesse ich in den nächsten Minuten meine Sorgen, weil Laylas übermäßige Energie ansteckend ist. Keine Ahnung, wie es das Mädchen schafft, immer so strahlend und gut gelaunt auszusehen. Manchmal kommt es mir so vor, als könnte sie die ganze Nacht durchtanzen, ohne müde zu werden.

»Willst du auch noch was zu trinken?«, fragt sie.

»Auf jeden Fall, warte ich hole uns etwas!«

Kaum habe ich mich in Richtung Bar gedreht legt sie auch schon eine Hand auf meine Brust, um mich aufzuhalten.

»Keine Sorge, das übernehme ausnahmsweise ich. Du hast schon die ganzen letzten Runden ausgegeben. Warte doch am besten dort drüben, dann können wir uns vielleicht kurz hinsetzen«

Mit dem Finger deutet sie auf eine freie Sitzecke im hinteren Teil des Clubs. Vermutlich ist die Musik dort ein wenig leiser, weil die Sofas am weitesten von der Bühne entfernt liegen. Meine Ohren könnten eine solche Pause wirklich gut gebrauchen.

Nickend gebe ich mein Einverständnis und schlängele meinen Körper bis zur Wand durch. Erst da bemerke ich, dass mein Gang nicht mehr schnurgerade ist. In meinem Kopf dämpft schon seit langem eine dichte Wolke meine Gedanken, aber sie reicht einfach nicht aus.

Die Gedanken an Sidon sind noch da. Ächzend lasse ich mich auf eines der Polster fallen. Ich weiß nicht, ob ich erst das vierte oder fünfte Getränk schon hinter mir habe. Aber wenn ich noch von meinen Problemen verfolgt werde, kann mein Alkoholspiegel gar nicht so hoch sein.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt