Kapitel 57

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Colton

Ich nehme den Geruch nach chemischem Waschmittel wahr, noch bevor mein Verstand in den Wachzustand zurückkehrt. In meinem Kopf scheinen Wolken um die Wette zu tanzen und ich verspüre eine alleinehmende Schwere, die mich zurück in den Schlaf zerren möchte.

Im Grunde genommen würde ich nichts lieber tun, als wieder in dem Nichts zu versinken, das nach mir ruft wie der liebliche Gesang einer Sirene, doch irgendetwas in mir sperrt sich gegen den Gedanken. Meine Augenlieder fühlen sich schwer an und ich spüre ein dumpfes Pochen im Hinterkopf, so als würde sich ein Kopfschmerz ankündigen.

Sanft steigt in mir die Erinnerung an Sidon auf, die neben mir in meinem Bett liegt und sich mit dem Rücken an meine Brust schmiegt. Für einen kurzen Moment hüllen mich die Bilder ein und lassen mich Frieden verspüren, doch dann zersplittern sie vor meinem inneren Auge in tausend Stücke. Sie ist nicht hier, dringt es müde durch meinen Verstand, doch es ist nicht diese Information, die etwas in meinem Inneren in Bewegung setzt. Es ist die Erkenntnis, dass dieses Hier nicht mein Bett ist.

Der Geruch nach Chemie steigt mir noch deutlicher in die Nase und ich will mich angeekelt auf die andere Seite drehen, nur um zu erkennen, dass mein Körper sich anfühlt als hätte ihn jemand überfahren. Die Energie mich zu bewegen suche ich vergeblich und auch die süße Schwere wirkt nicht so, als wäre sie mir freundlich gesinnt. Verwirrung macht sich in mir breit, noch während Eiswasser durch meine Adern sirrt, als hätte man sie mir mit einer Infusion direkt in den Körper gespritzt.

Etwas stimmt nicht... Mein Herz beginnt zu rasen, noch bevor die Bilder auf mich einprasseln. Ich spüre erneut, die Kraft einer Hand auf meinem Mund, die sich unerbittlich dagegen presst. Die Präsenz hinter mir in der Dunkelheit. Der Schock und die Verzweiflung. Die hilflose Suche nach einem Retter, der nicht auf der Bildfläche erschien und die verbissenen Versuche, meinen Angreifer abzuschütteln.

Nein, das ist nicht real. Das war ein Traum. Nur ein Traum. Die Stimme schwappt über vor Eifer, schafft es aber trotzdem nicht den Wellen etwas entgegenzusetzen, die mich mit sich reißen. Mein Brustkorb hebt sich in hektischen Atemzügen, während immer wieder die gleichen Sinneseindrücke meinen Kopf fluten.

Es ist nur ein Traum. Ich bin immer noch in dem Haus auf dem Trust-again-Campus.

Ich kralle mich mit aller Macht an diesen wenigen Sätzen fest, die sich in meinem Kopf in Endlosschleife wiederholen. Doch es ist nicht genug, kann gar nicht genug sein. Denn der chemische Geruch penetriert weiterhin meine Nase. Der Stoff unter meiner Haut fühlt sich anders an. Alles fühlt sich anders an – so als wäre es falsch, verdorben, fremd und würde absolut zu keinem Ort gehören, den ich kenne.

Tränen treten mir in die Augen und ich weiß, dass es Zeit wird, sie zu öffnen. Mein Herz wummert in meiner Brust wie ein stockender Motor, der kurz davor ist den Geist aufzugeben. Ich habe Angst. Sie ist so groß, dass sie mich bis zur tiefen Beweglosigkeit hin lähmt, aber es wird Zeit, sie zu überwinden.

Mein ganzer Körper krampft sich zusammen, als ich vorsichtig die Augenlieder öffne und dabei erstmal gegen die Helligkeit anblinzeln muss. Um meine Lunge hat sich eine Steinhand gelegt, die unweigerlich zudrückt. Ich will nicht erfahren, ob meine Erinnerungen meiner Fiktion entstammen oder aus der Realität geformt wurden. Am liebsten würde ich mich zusammenrollen und in den Schlaf hinabgleiten, doch dieser Weg ist mir schon längst versperrt. Die süßliche Schwere hat sich unter meiner Panik aufgelöst.

Meine Pupillen gewöhnen sich an den Lichteinfall und mein Herz rutscht mir bis zu den Kniekehlen, als meine Augen all das in sich aufnehmen, was ich die ganze Zeit aussperren wollte. Überall um mich herum sind Betonwände.

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt