Kapitel 20

95 9 51
                                    

Colton

»Findest du nicht, dass es endlich Zeit wird, mich in das Chaos einzuweihen, Bro?« J.Ps Spiegelbild-Version wackelt idiotisch mit den Augenbrauen und ich wäre am liebsten aus meiner Garderobe verschwunden.

»Welches Chaos?«, erwidere ich gelangweilt, kann dabei aber nicht verhindern, dass sich auch ein verbitterter Tonfall bei mir einschleicht. Wer hätte gedacht, dass mir das Schicksal meine Fähigkeit einen Zweizeiler zu schreiben gleich wieder entziehen würde, sobald sich Sidon nicht mehr im gleichen Raum befindet wie ich? In meinem Höhenflug dachte ich ja, ich könnte dieses Mal einen Song fertigschreiben, doch das war leider nur ein unangebrachter Funke Naivität.

Denn selbst, wenn ich es in Sidons Gegenwart meistern könnte, ihre Bereitschaft mir zu helfen ist seit gestern dahin.

»Das Sidon-und-Colton-Chaos natürlich!«, antwortet mir J.P in diesem Moment und reißt mich aus meinen Gedanken.

»Ich habe keinen Plan wovon du da überhaupt redest«, wehre ich ab, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ich habe schon eine ungefähre Vorstellung davon, worauf J.P mit seinem Kommentar hinaus möchte, aber das bedeutet ja nicht, dass ich sofort darauf anspringen muss. Ganz oft lässt er mich wieder vom Haken, wenn ich ihm mit einer meiner Abblock-Antworten die Tour vermassle und ich hoffe, dass er mir auch heute diesen Gefallen erweist.

J.Ps abfälligem Schnauben nach zu urteilen, kauft er mir meine Halblüge schon einmal nicht ab.

»Doch das hast du, Kumpel! Und dieses Mal werde ich nicht zulassen, dass du der Frage ausweichst. Deshalb werde ich das Wörtchen Sidon-Colton-Chaos mal ein bisschen definieren: Okay, zum einen wäre da natürlich der Grund für eure Trennung, den ihr niemals einer Menschenseele verratet und über den du sturer schweigst als ein Toter ohne Zunge. Des Weiteren gibt es da noch die kurzfristige Versöhnung, über die ihr nicht die ganze Wahrheit erzählt. Denn nie im Leben könnt ihr eure Kampflust so lange abstellen, dass euch die Vernunft zu einem Friedenspakt überreden kann. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass da noch etwas anderes im Busch ist. Die gleiche Sache gilt übrigens für deine miese Laune und der erneuten Anspannung zwischen dir und Sidon. Und wenn wir sowieso gerade dabei sind, könntest du mir auch etwas über den Kuss verraten, den ihr in der Vergangenheit geteilt habt. Sidon schien ja nicht besonders glücklich darüber zu sein, dass du dieses Geheimnis ausgeplaudert hast. Gab es etwas -«

»J.P«, unterbreche ich seinen erneuten Redeflash, der durch seine Schnelligkeit meinen Kopf kreisen lässt, »Ich weiß, dass du guten Klatsch liebst und deine Lebensaufgabe darin gefunden hast, gleichzeitig eine Wortkanone und ein offenes Ohr für jedermann zu sein, aber es gibt wirklich nichts zu erzählen« Ich habe meinen Satz noch gar nicht richtig beendet, da beginnt J.P schon damit, bedauernd den Kopf zu schütteln.

»Okay, hör mal zu, Colton. Ich verstehe ja, dass wir uns nicht besonders lange kennen und du deshalb vielleicht nicht erpicht darauf bist, mir dein Herz auszuschütten. Aber du kannst nicht alles in dich hineinfressen! Ich sehe doch, dass dir viel durch den Kopf geht und dich diese Gedanken regelrecht in eine depressive Stimmung versetzen. Und dabei meine ich nicht nur heute, sondern überhaupt seit ich dich das erste Mal getroffen habe. Ich weiß, dass dich die Sache mit dem fotoschießenden Einbrecher immer noch beschäftigt und es tut mir auch leid, dass die Polizei noch keine verwertbaren Spuren gefunden hat, aber ich glaube, es gibt noch viele weitere Dinge, die dich herunterziehen.

Ich würde dich ja in Ruhe lassen und diese Ted-Talk-Geschichte jemand anderem überlassen, der dir näher steht, aber ich habe das Gefühl, dass du nicht nur in meiner Gegenwart diese Fort-Knox-Nummer abziehst. Und genau deshalb kann ich mir das nicht länger ansehen. Du bist ein Campus-Bruder, ein Teil des Teams und noch dazu mein Schützling. Ich werde dich also auf keinen Fall im Stich lassen. Selbst, wenn ich dafür ein paar Grenzen überschreiten und einen auf aufdringlich machen muss«

Songs, rockstars and the fucking pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt