Sidon
»Hast du sie noch alle?«, fauche ich Colton an, während ich meinen Arm probeweise mit einem Ruck nach hinten reiße, was natürlich nur dafür sorgt, dass der Mistkerl beinahe gegen mich prallt. Verdammt, er hat mich tatsächlich gegen meinen Willen an sich gekettet!
Für alle, die nicht mehr ganz mitkommen: Nein, ich werde gerade nicht von diesem verrotteten Plaumenmus entführt. Und ja, wir stecken immer noch in diesem verfluchten Escape Room fest. Mittlerweile sind wir bei Station drei gelandet, die mir eine ganz neue Version der Hölle eröffnet, da man den Ausdauer-Pakour zu zweit und in Handschellen bestreiten muss. Ja, ihr habt richtig gelesen: In Handschellen! Kein Wunder, dass ich mich weigern wollte, nur leider kam es nie zu meinem Protest, weil Colton da schon die Schlösser klicken ließ.
»Das war eine beschissene Idee! Du weißt noch nicht einmal, ob hier irgendwo die richtigen Schlüssel herumliegen oder ob Mrs. Shine sie gerade breit grinsend in ihren Fingern hält! Es könnte sein, dass wir bis zum Ende des Spiels nicht mehr voneinander loskommen!«
Ich bin überrascht, dass Coltons Kopf in diesem Moment nicht explodiert, da ich mit meinen Blicken wirklich denkwürdige Laserstrahlen auf ihn abschließe. Hätte er mit seiner Fesselaktion nicht wenigstens warten können, bis Mrs. Shine uns versichert hat, dass die Schlüssel sich in unserer Nähe befinden?
»Du hast doch gesagt, dass du hier so schnell wie möglich raus möchtest und ich denke nicht, dass unnötig lange Diskussionen unsere Zeit hier in irgendeiner Weise verkürzen. Du solltest mir also lieber dankbar sein. Wenn du schon nicht über einen kleinen Ausrutscher hinweg sehen kannst, dann kannst du dir wenigstens dein Gemecker sparen« Ohne mein Zutun verwandelt sich mein Mund in eine extragroße Fliegenfalle und es sieht nicht so aus, als ob ich in den nächsten Sekunden etwas daran ändern könnte. Überraschender Weise bin ich tatsächlich geschockt darüber, mit welcher Unverfrorenheit und Arroganz Colton mir begegnet. Mir ist klar, dass wir beide vom jeweils anderen genervt sind, weil wir gezwungen, werden trotz unserer Differenzen als Team zusammenzuarbeiten. Aber das hier geht zu weit.
»Und du fragst dich, warum ich keine Lust verspüre dir eine weitere Chance zu gewähren?«
Nicht zum ersten Mal spüre ich den Verlust des früheren Coltons wie einen heißen Stich in die Brust, denn in solchen Momenten kann ich nicht einmal den kleinsten Funken meines besten Freundes erkennen.
»Ich meine, hörst du dir eigentlich selber zu? Ich weiß nicht, ob du's mitbekommen hast, aber du zerstörst mit deinen impulsiven Handlungen und Kommentaren alles Gute, das ich noch in dir sehen kann... Zum Beispiel, an dem Abend als wir diesen Friedenspakt ausgehandelt haben, da hat es sich wirklich so angefühlt als wärst du noch die Person aus meiner Vergangenheit. Doch diese Momente werden immer seltener, während sich das hier -«, bezeichnend wedle ich mit meiner Hand in der Luft herum, um auf diese Situation zu verweisen, » - zu einer Endlosschleife entwickelt, aus der es für uns beide kein Entkommen gibt«
Ich weiß, dass ich solche sensiblen Themen nicht mehr ansprechen wollte. Ich habe es mir fest vorgenommen. Aber ich kann nicht mehr Schweigen. Ich bin aufgekratzt, enttäuscht, ängstlich und wütend zugleich und habe keinen blassen Schimmer wie ich die restliche Zeit mit Colton auf dem Campus überleben soll. Er trägt vielleicht das Gesicht meines früheren besten Freundes, aber in seinem Verhalten und in unserer Beziehung hat sich so viel verändert, dass mich die Erinnerung an damals nur noch schmerzt.
Die Sekunden ziehen vorbei, ohne das Colton etwas erwidert. Ich spüre seinen Blick auf meiner Haut und die Gedanken, die ihm durch den Kopf rasen.
»Tut mir leid« Coltons Stimme ist so leise und rau, dass ich ihn kaum verstehen kann und so schleicht sich ein verwirrtes Stirnrunzeln auf meine Züge. Habe ich das eben richtig verstanden?, schießt es mir durch den Kopf, aber ich bin zu verblüfft, um noch einmal nachzuhaken. Stattdessen beobachte ich wie Coltons Adamsapfel am Hals hervortritt als er so eindringlich schluckt, als müsse er einen tennisballgroßen Kloß hinunterschlucken.
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Songs, rockstars and the fucking past
Romance,,Wir waren ein Team. Verkorkst, zerbrochen und derartig scharfkantig, dass sich jeder andere an uns geschnitten hätte. Und dann hat er unsere Verbindung in einer Nacht den Höllenhunden zum Fraß vorgeworfen und mich weinend daneben liegen lassen." Z...