V.

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Colton

Es ist so weit. Ich kann euch gar nicht sagen, wie viele Stunden ich in einem solchen Saal verbracht, den höflichen Gesprächen gelauscht und mir genau diese Szene vorgestellt habe. Ich kann den Triumph schon auf meiner Zunge schmecken, denn ab heute, werde ich meinen eigenen Weg einschlagen.

Mein Herz wummert in meiner Brust, als wir auf der Empore ankommen, die sich mein Vater für das Privatgespräch ausgesucht hat. Kaum, dass ich die letzte Treppenstufe erklommen habe, poltert er auch schon los.

»Mein Sohn, kannst du mir bitte erklären, warum du dir ausgerechnet Miss Billig-und-gewöhnlich als Begleitung ausgesucht hast? Oder nein, lass es mich anders formulieren. Ich weiß es fehlt dir an Auswahlmöglichkeiten, aber das ist kein Grund so jemanden auf eine Feier wie diese mitzuschleppen. Weißt du, was das für ein Licht auf uns wirft?!«

Wütend balle ich die Fäuste und mir ist absolut egal, dass ich den Aasgeiern da unten eine deutliche Vorstellung davon liefere, was hier oben wohl abgeht. Dass er abfällig von meiner Persönlichkeit spricht, nur um kurz darauf vor seinen Geschäftspartnern in den höchsten Tönen von mir zu sprechen, bin ich ja gewohnt, aber bei den Spitzen gegen Sidon hätte ich ihn am liebsten sofort erwürgt.

»Rede nicht so über sie«, knurre ich und trete einen Schritt näher. Auf jeden anderen hätte das wohl bedrohlich gewirkt, aber er zuckt nicht einmal mit der Wimper. Angst scheint ihm fremd zu sein, allgemein wirkt es so als gäbe es neben Kälte, Herablassung und einem Funkenschlag Wut nicht allzu viele Emotionen in seinem Repertoire.

»Du hast nicht das leiseste Recht, dir eine Meinung über sie zu bilden. Du hast bisher kein einziges Wort mit ihr gewechselt! Eigentlich solltest du deswegen darüber nachdenken, was für ein schlechter Vater du sein musst, anstatt dich über die Wahl meiner Begleitung aufzuregen!«

Die meisten Elternteile würden bei einem solchen Vorwurf zusammenzucken oder zumindest ein wenig zerknirscht dreinschauen, aber Mr. O'Hara bewegt natürlich keine Miene. Selbst eine Statue gibt mehr Hinweise auf ihren Gefühlszustand.

»Cole, also wirklich! Das schon wieder? Wenn du genauso viel von mir lernen würdest, wie du dich über mich beklagst, dann könnte ich dir die Firma sofort nach deinem Abschluss überlassen. Ich weiß, dass du mich gerne in der Rolle des Bösen siehst. Ein finsterer König, der dich auf deinen Platz verweist. Ein hämischer Wolf, der dich in die richtige Richtung jagt. Ein schlechter Vater, der nicht genug Zeit für dich erübrigen konnte...«

Bedauernd schüttelt er den Kopf, als ob er einzig und allein Anteil nehmen würde, weil sein Sohn unter grauenvollen Wahnvorstellungen leidet.

»Wenn du dein kindisches Verhalten und deinen zwanghaften Trotz mal für einen Moment zur Seite schieben würdest, dann wird dir auffallen, dass ich immer nur dein Bestes wollte. Ich habe die Zeit mit dir wertvoll investiert, dich mit in mein Büro oder Konferenzen genommen, dir dabei geholfen, Kontakte in den höchsten Kreisen zu knüpfen. Du hast es mir nie leicht gemacht, aber ich bin immer geduldig geblieben und habe unser Ziel nie aus den Augen verloren.

Ich kann dir eine Zukunft bieten, Junge! Bis jetzt bist du noch ein ungeschliffener Rohdiamant, den die meisten gleich wieder aussortieren würden. Und ich muss ganz ehrlich sagen, wärst du nicht mein Sohn, würdest du nicht mal als Fensterputzer bei mir Arbeit finden. Aber das bedeutet nicht, dass du deiner Rolle nicht noch gerecht werden kannst. Die harte Hand führt und siegt – pflegte mein Vater immer zu sagen und ich folge diesem Kodex«

Ein Stich durchfährt mich bei seinen Worten. Dabei ist es nichts Neues, das ich nicht gut genug bin, um von ihm Anerkennung zu erfahren, gleichzeitig aber in seine Traumvorstellung gepresst werden soll.

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