Kapitel 55

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Sidon

»Freunde, also«, widerholt Avel nachdem ich ihr die Geschichte unserer Wiedervereinigung von hinten bis vorne erzählt habe. Ich hasse es mit welchem Unterton sie die Worte ausspricht. Es klingt, als wäre irgendetwas falsch daran, „nur" mit Colton befreundet zu sein. So als wäre es unzulänglich. Schlichtweg nicht ausreichend.

Innerlich verschließe ich mich vor dem Gedanken, es könnte so sein und lasse Aves Andeutung einfach an mir abprallen. Trotzdem spüre ich tief in mir drin einen kleinen Funken, der ihr zustimmen möchte. Augenblicklich töte ich ihn mit einem guten Stoß Löschsand.

»Ja, Freunde«, erwidere ich nachdrücklich.

»Bist du sicher, dass dir das ausreicht?«

Der Frontalangriff wirft mich fast aus den Socken.

Nervös zupfe ich an der Ecke meiner Bettdecke und versuche mir die richtigen Worte zurechtzulegen. Leider stellt sich heraus, dass mein Verstand es satt hat, fortwährend Lügen zu produzieren und Pläne zu schmieden, wie man sie überzeugend vortragen kann.

»Ich weiß nicht«

Das ist zumindest halbwegs wahr. Bisher habe ich mich noch nicht getraut, meinen Blick nach innen zu richten und auf mein Herz zu lauschen.

»Wahrscheinlich schon... Ja«

Ich klinge nicht so überzeugend wie ich gehofft hatte. Avel mustert mich mitfühlend und ich kann an ihrer Miene ablesen, dass sie mir meine Worte nicht abkauft.

»Warum versperrst du dich vor der Wahrheit, wenn du nicht mal selber an deine Lüge glauben kannst, Sidon? Es wird dir keine Erleichterung verschaffen, die Augen vor dem Problem zu verschließen. Also bitte rede mit mir. Gönn dir selbst ein kleines Stückchen Ehrlichkeit«

Sie hätte mich genauso gut schlagen können. Ich kann fühlen, wie das Kartenhaus, das ich mir aufgebaut habe, in sich zusammenfällt und ich schließe die Augen, während eine Welle der Verzweiflung über mir hereinbricht.

»Na schön, vielleicht... Vielleicht habe ich mir mehr erhofft. Vielleicht wünsche ich mir mehr, aber das tut nichts zur Sache. Colton hat deutlich gemacht, dass ich für ihn nur eine Freundin bin und das ist okay für mich.

Verdammt, ich habe getan, was du gesagt hast. Ich habe darüber nachgedacht, ob dieser eine Moment aus der Vergangenheit meine Gegenwart dominieren darf und mich dagegen entschieden. Ich hatte das, was man einen psychologischen Erfolg nennt und zusätzlich füllt Colton den Posten als besten Freund wieder aus, den er zurückgelassen hat. Es wäre verrückt, sich mehr zu wüschen«

»Nein, das ist ganz und gar nicht verrückt«, widerspricht meine Freundin mir, »So wie ich das sehe, warst du schon damals in Colton verliebt und hast diese Gefühle vor ihm versteckt. Ich weiß, du denkst du hast das erfolgreich gemeistert und kannst es ein weiteres Mal stemmen. Aber ich befürchte, es wird anders werden als vor zwei Jahren.

Damals hast du eure Freundschaft auf ein Podest gestellt und wolltest diese mit aller Macht beschützen. Sie war dein Ein und Alles. Deswegen fiel es dir nicht schwer, trotz deiner Gefühle nur seine beste Freundin zu sein. Du bist in dieser Rolle aufgegangen, hast sie geliebt und dich gemütlich in ihr eingerichtet. Seine feste Freundin zu werden, wäre ein viel zu großes Risiko gewesen, deshalb hast du den Wunsch danach unterdrückt. Und zwar erfolgreich.

Doch jetzt brodeln diese Gefühle wieder unter der Oberfläche und du hast sie so lange verleugnet, dass sie in Ruhe heranwachsen konnten. Sidon, ihr habt während all dieser Wochen ein Liebespaar gespielt und wir wissen beide, das nicht alles davon nur gespielt war. Die Dynamik zwischen euch hat sich verändert.

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