61. May

14 2 0
                                    

Freitag, 02.01.2010

„Unser Auto ist ein Transformer?", wiederholt Loa zum zweiten Mal.

Ich massiere mir die Schläfen. Ihr Quietschen bereitet mir Kopfschmerzen, die ganze Situation bereitet mir Kopfschmerzen. Loa wirkt, als wolle sie Charlie wie einem Pferd das Maul aufreißen und ihre Zähne kontrollieren. Oder ihre Kolben.

Charlie sieht hilfesuchend zu Elias. „Was ist ein Transformer?"

„Außerirdische Roboter, die sich auf der Erde als LKWs tarnen, sich aber verwandeln, um Menschen zu helfen und gegen andere böse Roboter-LKWs zu kämpfen."

Ihre Facettenaugen verengen sich zu Schlitzen. Götter, dieser Gesichtsausdruck ist ein Abziehbild von Samira. „Ich wusste schon immer, dass irgendwas an LKWs fischig ist."

„Es ist eine Kinderserie", fügt Kyoya hinzu. Sämtliches Blut ist aus seinem ohnehin bleichen Gesicht gewichen und er fummelt an den Bügeln seiner Brille herum.

Auf dem Boden stößt Ben ein Ächzen aus. Es ist der erste Laut, den er seit Charlies knirschender Verwandlung von sich gibt. Ich ziehe eine Wasserflasche aus meinem Rucksack und reiche sie ihm. Elias und Charlie hätten keinen schlechteren Zeitpunkt für diese Offenbarung wählen können. Um fair zu sein, der blitzschnelle Wechsel zwischen Schreck, Realisation und Resignation auf Bens Gesicht war ein faszinierendes Schauspiel und er wird es in ein paar Stunden selbst witzig finden, doch die beiden sollten in den kommenden Tagen mit einem Gegenschlag rechnen. Ein Gegenschlag, für den wir keine Zeit haben.

„Ein Trans-" Bevor Loa es erneut ausspricht, halte ich ihr den Mund zu.

„Wie?", frage ich Charlie stattdessen. „Warum jetzt?"

„Die Nereiden meinten, dass mit Aeneas' Schiffen das Gleiche geschehen ist, als er in Italien ankam. Und mit Pygmalions Statue. Wenn ein Gegenstand genügend miterlebt oder viele Emotionen mit ihm verknüpft werden, ist er irgendwann kein Gegenstand mehr, sondern etwas Lebendiges."

„So wie Götter verblassen, wenn ihr Einflussbereich verschwindet oder niemand mehr an sie denkt." Wie oft wir in den letzten Wochen dachten ‚Durchhalten', ‚Nur noch ein Stück weiter', ‚Wir sind schon so weit gekommen, den Rest schaffen wir auch noch'. Kein Wunder, dass das an unserem Auto hängen bleibt.

„Oder neue geboren werden, wenn die Menschen neue Dinge entwickeln. In Neu-Rom kennen wir allein sieben Götter für Türen", fügt Kyoya hinzu.

Ein stechender Schmerz in meiner Hand lässt mich zurückzucken. Der Abdruck von Loas Zähnen leuchtet mir wie ein rosa Halbmond entgegen.

„Ich wollte schon immer Patentante werden!", japst sie grinsend, als ich das Gesicht verziehe und die Hand an meiner Jeans abwische.

Ben und ich wechseln einen Blick. Paten. Mit dieser Art von Verantwortung habe ich nie gerechnet. Was machen Paten überhaupt? Andererseits habe ich mich wochenlang mit den anderen herumgeschlagen, also weiß ich immerhin, wie man nicht mit verwirrten Personen umgeht.

Lächelnd strecke ich ihr meine nicht angebissene Hand entgegen. „Willkommen im Team, Charlie."

Offenbar weiß sie bereits, wie Händeschütteln funktioniert, denn Charlie ergreift sie ohne zu zögern und erwidert die Geste mit festem, aber nicht Knochen zermalmendem Druck. Ein guter Handschlag, wie ihn mein Vater Ben und mir vor Jahren beigebracht hat. Doch im nächsten Moment finde ich mich in ihrer ebenso festen Umarmung wieder, die mir die Luft aus den Lungen presst.

„Danke, Mayleen. Wir sind zwar angekommen, aber ich will euch immer noch helfen."

Ich schlüpfe aus ihrer Umarmung. „Wir haben zu danken. Möchtest du mit auf die Insel kommen?"

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt