Sonntag, 21. Dezember 2009
Draußen in den großen Ebenen glaubt man manchmal, dass die Welt hinter dem Horizont endet. Dass hinter dieser feinen Linie zwischen Himmel und Erde ein Abgrund ohne Boden klafft.
An manchen Tagen, wenn der Nebel über die Felder kroch und die Rinder enger zusammenrückten, stand ich im Rennauto-Pyjama an meinem Zimmerfenster und schaute nach Süden.
Eine Landstraße windet sich durch die Felder, um irgendwo auf den Fluss zu treffen und dann seinem Verlauf zu folgen. Wenn ich die Augen zusammenkniff und mich anstrengte, konnte ich die Scheinwerfer eines Lastwagens im Nebel schimmern sehen. Aus der Ferne wirkten sie eher wie die verlorene Seele eines Wanderers, der sich im Moor verirrt hatte und nun auf ewig den Weg zurück suchte. Der Rest des Lastwagens blieb verborgen.
Aber ich wusste, dass sie zu einem Lastwagen gehörten und dass der Lastwagen auf dem Abgrund zusteuerte. Die Straße brach an der Kante zwischen Himmel und Erde ab. Neben ihr stürzte sich der Fluss als Wasserfall in die Tiefe. Der Wind verwehte sein Wasser und die Tröpfchen schlossen sich dem Nebel an, während der Lastwagen fiel und fiel.
Und ich stand im Rennauto-Pyjama an meinem Fenster und konnte nichts tun. Den Rest des Tages lief ich mit hängenden Schultern durch das Haus. Zwar versuchte mein Großvater mir zu erklären, dass es dem Lastwagenfahrer gut ginge und er es doch wüsste, wenn ein paar Kilometer von seiner Farm entfernt die Welt enden würde. Doch ich zweifelte an seiner Erklärung, schließlich hatte ich beobachtet, wie der Nebel die Lichter verschluckte. Erst als ich alt genug war, um länger ohne zu quengeln im Auto zu sitzen, nahm mich meine Familie regelmäßiger mit in die Stadt. Wir fuhren über die Landstraße und nie entdeckte ich einen Abgrund.
Doch das beklemmende Gefühl blieb. Immer, wenn ein Lastwagen hinter dem Nebelhorizont verschwand, waren das die einsamsten Momente der Welt.
Die Einsamkeit hier unten hinterlässt einen ähnlichen Beigeschmack. Kalt und metallisch. Menschen laufen über dir, gehen ihren täglichen Geschäften nach. Sie wissen nicht, dass du existierst und unter ihren Füßen durch die U-Bahnschächte streunst. Du weißt, dass sie existieren, kannst sie aber nicht sehen, geschweige denn ihre Handlungen beeinflussen.
Ich schlinge die Arme um meinen Körper. Auch die Hilflosigkeit ist dieselbe. Der Abgrund raste auf mich zu und ich konnte mich nur dabei beobachten, wie ich mich nicht von der Stelle rührte. Ich schwebte neben mir, wie ein Astronaut, dessen Rettungsleine sich gelöst hat. Er treibt durch das All, während die Raumstation immer kleiner wird. Mein Lastwagen drohte damit, die Klippe herabzustürzen.
Und dann stürzte ich. Steine bissen mir in die Arme. Die Fluten donnerten in die Tiefe und verstummten. Eine warme Hand zog mich auf die Füße. In meinen Ohren klingelte es. Hörte ich die anderen deshalb nicht?
Das Klingeln ist inzwischen verschwunden. Hinter mir knirschen Ben und Samiras Schritte. Ich warte darauf, dass sie die Frage stellen. Weshalb bist du stehen geblieben?
Übelkeit windet sich um mein rechtes Kniegelenk das Bein hinauf, um sich in meiner Brust einzunisten. Ich weiß es nicht. Schock? Das wäre die Antwort, die ich ihnen geben sollte. Sollen sie doch weiter auf mich sauer sein.
Aber ich weiß, weshalb ich stehen geblieben bin. Es begann bereits, als wir die Station betraten. Jede Stufe hinab ließ die Übelkeit wachsen. Ich wundere mich selbst, wie ich weitergehen konnte. Wenn ein Fahrgast auf dem Bahnsteig eine unerwartete Bewegung machte, lief mir ein Schauer über den Rücken. Auch jetzt rechne ich damit, dass aus der Dunkelheit jenseits des Lichtkegels der Taschenlampe eine Metalldose heranfliegt und Rauch den Tunnel und meine Lunge flutet.
Alles in mir sträubt sich dagegen, hier unten zu sein. Seit Manhattan hatte ich nur Himmel und Zimmerdecken über meinem Kopf. Niemals Tonnen aus Stahl und Erde und Beton. Hier unten wartet niemand darauf, uns auszuräuchern oder zu verbrennen. Manhattan liegt Monate zurück. Hier haben die Hephaistos-Kinder keine Barrikaden aus Autos errichtet. Doch etwas zu wissen und etwas zu fühlen... das ist nicht das Gleiche.
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Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy Jackson
FanfictionDer Titanenkrieg ist vorüber, Camp Half Blood war siegreich. Auf beiden Seiten kam es zu hohen Verlusten, doch nun muss man nach vorne in die Zukunft blicken. Doch geht das überhaupt? Zwar verfügen die Nebengötter nun über eigene Hütten und jeder De...