65. May

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Samstag, 03. Januar 2010

Die ersten grauen Strahlen der Morgensonne kriechen hinter dem Horizont hervor, als wir den Strand betreten. Das Tuckern eines Bootes nähert sich, doch im Zwielicht kann ich seinen dunklen Umriss vor den Wellen nur erahnen. Ben und Loa positionieren sich neben mir. Wir alle wissen, dass es eine Falle ist.

„Letzte Chance für einen Rückzieher. Ich könnte es bestimmt mit einem Sandsturm zum Kentern bringen", sagt Loa. In der Brandung gehen ihre Worte beinahe unter.

Ich schüttle den Kopf. „Wir wollen nicht jetzt schon eine Gruppe feindlicher Halbgötter auf der Insel."

Zu viele Variablen. Aus demselben Grund kapern wir nicht Chthonians Boot, obwohl sich beim Anlegen eine perfekte Gelegenheit böte. Wir können nicht wissen, wie viel Treibstoff sie haben, ob sie uns wider aller Erwartungen doch ein vernünftiges Angebot unterbreiten oder ob sie uns schon jetzt eine Falle stellen. Loas Anwesenheit am Strand ist ein taktischer Zug, falls Chthonian letzteres plant.

Aber Chthonian ist nicht so stark, wie sie uns glauben lassen wollen. Dass die Welle gestern unsere Mauern nicht eingerissen hat, war eine Enttäuschung für sie.

Mit verschränkten Armen nicke ich Hanno zu, als er das Boot hält und ins knietiefe Wasser springt.

Ben stößt ein Geräusch, halb Knurren, halb Schnauben aus. Er ist unsere Variable. Falls Chthonian bereits hier etwas versucht, sollten Loas und sein Chaos unseren Rückzug gewährleisten. Während der Diskussion heute Nacht wirkte er wie er selbst. Als würde die Planung unseres Vorgehens und die Aussicht auf einen Kampf die Stimme in seinem Kopf leiser drehen. Mir gefällt die Vorstellung nicht, dass Ben eine Verbindung mit einem Bürgerkrieg-Daemon teilt, der in diesen Momenten vielleicht stumm mithört.

Außerdem wollte ich ihn nicht mit Kyoya allein lassen.

Hinter Hanno springt Martha aus dem Boot. Ein Junge, den ich vage als einen der Heiler aus Chthonians Krankenstation erkenne, bleibt zurück, während sie auf uns zu waten.

„Wir können nur zwei von euch mitnehmen", begrüßt uns Hanno.

„Das wird nicht nötig sein", erwidere ich. „Ich komme allein."

Hanno mustert mich. „Keine Waffen."

Ich löse die Scheide meines Schwertes von meinem Gürtel und reiche sie Ben.

„Martha, durchsuche sie."

Loa tritt einen Schritt vor, doch ich halte sie zurück und breite die Arme aus. Zögerlich zieht sie sich zurück und Martha beginnt, mich von oben nach unten abzutasten. Sie geht routiniert vor, schlägt meine mitgenommene Lederjacke auf, prüft meinen Ring. Als Tochter der Aletheia oder auch bloß als Anhängerin von Chthonian hat sie sicherlich Übung darin, versteckte Sachen zu finden. Ich suche ihren Blick, doch sie weicht ihm gekonnt aus.

„Hier."

Ich zucke zusammen, als sie in meinen Stiefel greift und den Dolch herauszieht. Im Dämmerlicht wirkt das bleiche Inselmetall wie ein Stück Nebel, um dessen unteres Ende ich Kordel als improvisiertes Heft gewickelt habe. Martha reicht ihn Hanno, der eine Augenbraue hebt.

„Vorsichtsmaßnahme", sage ich tonlos. „Können wir uns darauf verlassen, dass ihr euch an die Regeln von Verhandlungen haltet und mich selbst bei keiner Übereinkunft ziehen lasst?"

Hanno schiebt den Dolch in seinen Gürtel. „Wenn du dich ebenfalls an die Regeln hältst, kommt dir das volle Gastrecht zu. Wir bringen dich in wenigen Stunden zurück."

Als ob irgendwer von uns sich an die von Göttern gemachten Kriegsregeln halten wird. Außerdem sind wir so weit im Süden, dass es wahrscheinlich nur Loas Vater mitkriegen würde, wenn wir uns auf der Yacht gegenseitig umbringen.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt