12. Ben

32 9 0
                                    

Freitag, 18. Dezember 2009


Um fünf Uhr morgens erreichen wir Port Jefferson. May setzt den Blinker und wir biegen auf den Parkplatz eines kleinen Diners kurz vor dem Ortsschild ein. Sie lacht nicht mehr.

Rasselnd erstirbt der Motor. Eine flackernde Neonreklame, die den Schriftzug „Maisie's" bildet, zeichnet Schatten an die Innenwand des Transporters. Eine blaue Kanne gießt in regelmäßigen Abständen orangen Kaffee in eine ebenfalls blaue Tasse.

Unser Wagen ist der einzige vor dem flachen Gebäude, neben dessen Tür ein fetter, aufgeblasener Weihnachtsmann die Gäste empfängt.

Meine verkrampften Finger lösen sich von der Metallstange, die zu einem Regal gehört, auf dem ursprünglich die Erdbeerkisten lagerten. Mein Magen gluckert, aber es fühlt sich nicht mehr so an, als würde ich ihn gleich auf den dreckigen Boden entleeren.

Bis auf das Summen der Bienen und das Dudeln des Radios herrscht Stille im Wagen. Elias hat sich noch nicht zurückverwandelt. Wenn ich den Kleiderhaufen und den Rucksack in der Ecke neben der Tür betrachte, weiß ich auch weshalb.

„Die Fähre legt in einer Stunde ab." May dreht sich auf dem Fahrersitz herum. „Wir machen jetzt eine kurze Pause. Mal schauen, ob Maisie schon Kaffee verkauft." Sie schnallt sich los und springt aus dem Wagen.

„Bring mir auch einen mit!", ruft Loa ihr hinterher.

Ich funkle sie an und richte mich auf. Dabei stößt mein Kopf beinahe gegen die Decke. Ein paar Bienen vom Türgriff verscheuchend öffne ich den Transporterraum und trete auf den Parkplatz. Bloß raus hier.

Kies knirscht unter den Sohlen meiner schwarzen Vans und ich atme tief ein. Die kalte Nachtluft beißt in meiner Lunge. Etwa hundert Meter weiter schlagen Wellen gegen das mit großen Felsblöcken gesicherte Ufer. In der Ferne schaukeln die undeutlichen Silhouetten einiger Boote auf dem Meer. Keine Möwenschreie ertönen, sie schlafen noch.

Hier draußen in der echten Welt hat der Winter Einzug gehalten. Die Bäume zeichnen sich kahl und schwarz gegen den dunkelblauen Himmel ab. Sie wiegen sich in der kalten Seebrise. Ein fahler Heiligenschein aus Eiskristallen umgibt den Mond. Wölkchen bilden sich vor meinem Mund.

Ich schlinge die Arme um den Körper. Ein Fehler. Die brennende Schlange des Schmerzes bahnt sich einen Weg durch meinen linken Arm und ich ziehe scharf die Luft ein.

Die Beifahrertür schlägt mit einem Knall zu, als Samira aussteigt. Sie umrundet die Motorhaube. Ich folge ihr.

Die Klauen haben das Blech wie eine Konservendose aufgerissen. Acht Narben im weißen Fleisch. Ich runzle die Stirn. Der Motor selbst scheint nicht beschädigt zu sein, sonst wären wir gar nicht so weit gekommen. Aber um dies abschließen beurteilen zu können, müssen wir warten, bis er ganz abgekühlt ist und wir uns nicht mehr auf Long Island befinden.

„Wir sollten Mayleen nicht mehr fahren lassen", sagt Samira in die Stille hinein.

„Nope", stimme ich ihr zu. „Kannst du fahren?"

„Es geht. Besser als sie. Einen Führerschein habe ich noch nicht. Aber den hat hier vermutlich niemand. Wie steht es mit dir?"

Als Antwort nicke ich, hebe aber gleichzeitig den linken Arm. Wieder bereue ich die Bewegung. Solange er nicht geheilt ist, bin ich nutzlos. Zwar bin ich Rechtshänder und der Gips ist ab, aber die Verletzung behindert mich. Ich kann weder kämpfen noch fahren noch ein Gurkenglas ohne Schmerzen öffnen.

„Ich kann fahren", meldet sich eine Stimme zu Wort und ich verziehe das Gesicht. Loa ist ebenfalls ausgestiegen und wankt auf uns zu. Getrocknetes Blut ziert ihre Wange.

Arma posterosque cano - Eine MMFF zu Percy JacksonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt